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Editorial 1 - Herbst 2004

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser,

herzlich willkommen in der Herbst/Weihnachtsausgabe 2004!

In einem Supermarkt. Hinter mir folgt ein Paar, beide etwa Ende Zwanzig bis um die Dreißig. Kurz hinter dem Drehkreuz stößt er einen Schrei aus - zu seiner Frau oder Freundin gewandt:"Nun sieh dir das an: Weihnachtssterne!" Mit empörten Gesichtsausdruck und einer abfälligen Handbewegung demonstriert der Mann seiner Partnerin den größten Schandfleck des Marktes. Sie schüttelt angewidert ihren Kopf ob der verfrühten Bescherung, beide wenden sich in sichtlich schlechter Stimmung ab und gehen weiter. In "Kauflaune" sind sie wohl jetzt nicht mehr, werden das Nötigste besorgen und so schnell es geht dieses Geschäft verlassen. Es war Mitte September. Draußen etwa 25 Grad und Sonnenschein. Jetzt haben wir Oktober, 15 Grad, mal Regen mal Sonne, die Blätter färben sich golden. Der Haufen Weihnachtskekse ist dadurch nicht passender geworden, weder örtlich noch zeitlich. Ganz im Gegenteil und viel kleiner geworden ist er in den zwei Wochen auch nicht.

Während sich hierzulande regelmässig Kirchenvertreter, Politiker und Weihnachtsfreaks über die Kürbisinvasion aus den USA aufregen, ja sogar von der Kanzel predigen, deutsche Kinder würden über Gebühr amerikanisch kommerzialisert - setzen die anderen wahlweise eine Sonnenbrille oder Scheuklappen auf, damit sie visuell unbefleckt am Weihnachtsgebäckwahn im deutschen Herbst vorbeikommen.

Deutschland hat ein Phänomen, welches sich in nur einigen Jahren zusammengebraute: Gleich nach August kommt Weihnachten. Unglücklicherweise stellen sich die Sommer momentan auch noch etwas später ein. Der Kunde, noch blinzelnd vom letzten Sonnenbrand glaubt darum seinen Augen nicht zu trauen, wenn er die edle - im Dezember dann angestaubte - Winterpracht erblickt. Derart uneinfühlsam wie der deutschen Kundschaft sinkende Temperaturen "verkauft" werden, wird sie störrisch wie ein sizilianischer Esel. Während die Kunden in Deutschland Dank "Christmas everytime" nicht wahrhaben wollen, dass das Jahr zu Ende geht, wissen Amerikaner den Herbst in vollen Zügen zu genießen. Warum wohl - weil die Aussicht auf ein Weihnachten, dessen Kekse man seit drei Monaten mampft auch keinen Spass mehr macht?. Die Kürbis-Kritiker sollten sich darum endlich die Lebkuchen-Stimmungs-Killer im September vorknöpfen. Vor allem die Kirchen müssen jetzt zügig handeln - sonst denkt so manches Kind eines Tages noch, Heiligabend fände am 3. Oktober statt.

Wir können doch eigentlich ganz froh über die amerikanische Art zu feiern sein. Ohne die hätte man hier nämlich längst vergessen, dass es so etwas wie einen Herbst oder gar einen Spätsommer überhaupt noch gibt. Birnen, Pflaumenmus, Zwiebelkuchen, Laternegehen, einen Drachen steigen lassen. Durchs Laub toben, Kastanien sammeln, goldene Oktobertage, in Gummistiefeln an das Auto heranwaten, dem von seinem Stammplatz flüchtenden Dachziegel gerade noch ausweichen, wieder Zwiebelkuchen, für die Erwachsenen Federweißer, und auf alle Fälle: in Cidre eingelegter Kürbis. Da haben wir ihn wieder! Und wer Kinderaugen leuchten sieht, wenn ein ausgehöhlter Kürbiskopf flackernd die langen Nächte begrüßt, wie kann der von den lieben Kleinen ernsthaft verlangen, sie sollten anstatt dessen drei Monate lang Weihnachtskekse kauen!

Weihnachstbäckerei in allen Ehren, doch alles zu seiner Zeit. Den Kunden wird die allgemeine Lust am Konsumieren mit unzeitgemäßen Angeboten verdorben. Ein besonderes Highlight schlechten Geschmacks findet man in Geschäften, in denen Halloween dort und Weihnachten in einer anderen Ecke "gefeiert" wird. Gefeiert? Eher traurig mutet ein liebloses Häufchen Ware hier und da an - und dazwischen befindet sich einfach nichts Einladendes. So etwas sieht der abgebrühteste Kunde nicht gern. Verhuscht, beschämt und ohne Überzeugung wird mal dies mal das und alles gleichzeitig angeboten. Jahrezeiten, Jahrefeste, ach egal, stell irgendwas auf. Es sieht schlicht und einfach daneben aus! Die Lust zum "Shoppen" ist dahin und man sucht instinktiv nach Schokoladenosterhasen, denn was solls: Gleich nach Weihnachten kommt doch Ostern, oder nicht?

Seit Jahren leidet der Einzelhandel unter sinkenden Einnahmen, nur weiß er nicht: der Kunde leidet kräftig mit! Und immer ist die Politik, die globale Wirtschaft und last but not least: der böse, kaufunwillige Kunden verantwortlich. Dass aber der Handel seine alten Fehler nie ganz aufgegeben hat, viel zuviel Wert auf sein Produkt legt und zuwenig Dienstleistung und Mitarbeiter anzubieten hat, kann man allein an pentrant aufgebauten Keksen und dröge drapierten Kürbissen sehen und dem dazu passenden pampigen Personal deutlich erkennen. Erinnert einen unweigerlich an die 60er Jahre ... als der Anbieter noch König war .

Wer (neidisch) die Nase rümpft, wenn Amerikaner sich fröhlich mit monströsen Truthähnen und Kürbissen eindecken, andererseits seine Kundschaft mit unzeitgemäßer Ware malträtiert, der hat nichts vom "Shoppen" und vom "Zelebrieren" verstanden, der verhökert und "Verhökern" ist out, zumindest in gewissen kaufkräftigen Kreisen. Von einem allein schon visuellem Extrem ins andere, und zwar bitte pünktlich zu verfallen, das haben die Kunden zunehmend satt, bleiben gemütlich zu Hause und bestellen online. Vor diesem Hintergrund sollte ausgemistet werden, denn eigenlich gehen viele Leute gern einkaufen, nur wird ihnen da permanent die gute Stimmung verdorben. Und wer mit Herbst-Stimmung, tatsächlich nichts anfangen kann, der braucht für den Kunden-Spott nicht zu sorgen.

Wir zelebrieren den Herbst in diesem Jahr kräftig und haben allen Grund dazu, dass diese Jahreszeit für uns etwas ganz Besonderes ist: Ein Jahr Wirtschaftswetter, d. h. ein Jahr mehr oder weniger viel Stress, viel Spass, viel Einsatz, viele Kontakte und viel Kommunikation mit Ihnen und mit sehr viel Freude in einem weltweiten, virtuellen Netzwerk. Zeleberieren Sie den Herbst. Feiern Sie mit uns, feiern Sie die Zeit von Wind, bunten Blättern und Herbst-Sonne, ob mit oder ohne Kürbis - auf keinen Fall mit Weihnachtskeksen. Weihnachten ist erst im Dezember schön.

Ihnen einen erfolgreichen wie angenehmen Herbst
Angelika Petrich-Hornetz
Im Oktober 2004

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