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Elektroschrott, was nun?

von Annegret Handel-Kempf

Bohrmaschine Seit Mitte August müssen Hersteller und Importeure PCs, Waschmaschinen, Fernseher, Handys und andere E-Geräte auf eigene Kosten zurücknehmen und umweltgerecht entsorgen. Hersteller, Importeure und Eigenmarkenanbieter von Elektro- und Elektronikgeräten mussten sich bis zum 23. November dieses Jahres beim Elektro-Altgeräte-Register (EAR) registrieren lassen, wenn sie weiter Produkte in die Geschäfte bringen wollen. Das bringt für die Verbraucher Ent- und Belastungen mit sich.

PCs als Massenware, Preisverfall in der Unterhaltungselektronik, Reparaturen unmöglich oder teurer als Neuanschaffungen – die Lebenszyklen vieler E-Produkte sind kurz und die Schrottberge hoch. Eine neue europäische Richtlinie, die am 13. August in Kraft trat, zielt darauf ab, weniger Altgeräte für die endgültige Entsorgung übrig zu lassen. Recycling heißt das Zauberwort, das die Verwertungsquote von Elektro- und Elektronikgeräten bis Ende kommenden Jahres auf mindestens 75 Prozent steigern, sowie die Wiederverwendung und den stofflichen Recycling-Anteil auf ein Minimum von 65 Prozent des Gewichts hochschrauben soll.

Der Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland zufolge, ist die Entsorgung von Computern und anderem IT-Equipment „derzeit noch weit von einem umweltverträglichen Verfahren entfernt“. Gegenwärtig werde in Europa der überwiegende Teil dieser Abfälle ohne jede Vorbehandlung beseitigt. „Nach Schätzungen stammen heute zum Beispiel etwa 40 Prozent der Bleibelastung in Deponien aus Elektro- und Elektronikgeräten“, so der WWF in einer Hintergrundinformation zu „Computer und Umwelt“ von Anfang März dieses Jahres. Noch schlimmer sei die Praxis des Elektroschrott-Exportes in Länder wie Indien und China: „Um Rohstoffe aus alten Computern und Elektrogeräten zu gewinnen, werden die alten Geräte unter haarsträubenden Bedingungen aufgearbeitet. Ungeschützt tauchen Arbeiter Platinen in mit Säure gefüllte Fässer. Leiterplatten oder PVC-Kabel werden unter freiem Himmel verbrannt, um das Kupfer aus den Leitungen zu gewinnen.“

Im Juli dann resümierte Bernhard Bauske vom WWF unter der Fragestellung „Elektroschrott und die Folgen für Mensch und Umwelt – Was bringt die Umsetzung der WEEE-Richtlinie in Deutschland?“: „Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz ist ein großer Fortschritt für eine umweltgerechte Verwertung von Computern und anderem IT-Equipment“.

KühlschrankSeit dem 13. August 2005 sind praktisch alle Hersteller in Europa, die Apparaturen produzieren, aus denen später Elektroschrott wird, verpflichtet, Altgeräte zurückzunehmen. Das geht aus der von der Europäischen Union (EU) im Februar 2003 veröffentlichten Richtlinie für die Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten, der Waste Electrical and Electronic Equipment (WEEE), hervor. Europäische Richtlinien müssen in nationale Gesetzgebung umgesetzt werden. Dies geschah mit dem so genannten „Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten“ (ElektroG), das am 23. März dieses Jahres in Kraft trat und Übergangsfristen beinhaltet.

Restmülltonne ist künftig tabu

Für Verbraucher besagt dieses Gesetz, dass sie ab 24. März 2006 ihre Computer, MP3-Player, Fernseher, Bügeleisen, Kaffeemaschinen, elektrischen Messer und Dosenöffner, elektrischen Zahnbürsten, Rasierapparate, Wecker, Armbanduhren, Waagen und alles, was sonst noch Elektrisches oder Elektronisches in sich hat, ausnahmslos nicht mehr in den Restmüll werfen dürfen. Sie sind verpflichtet, je nach Gemeinde, die kostenlosen Abgabestellen zu nutzen oder die alten Geräte – gegen eine Gebühr - abholen zu lassen. Von Haushalt-Großgeräten und großer Hauswärmetechnik, über Monitore, Spielzeuge, Freizeit-, Sport- und Haushaltskleingeräten, Unterhaltungselektronik, bis hin zu Medizintechnik und Überwachungsgeräten, muss alles, was mit Strom zu tun hatte, der WEEE folgend, in Container einsortiert werden. Auch in ländlichen Regionen soll es flächendeckend Sammelstellen geben. Otmar Frey ist Vorsitzender einer gemeinsamen Task-Force des Zentralverbandes Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI) und des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM). Ihm zufolge, sind 2.000 bis 2.500 Sammelpunkte bei den Kommunen geplant.

Handel bietet Rücknahme als freiwilligen Service an

Als Neuerung sind die Produzenten, Eigenmarkenanbieter und Importeure für Logistik, Sortierung, Demontage und Verwertung, also das komplette Recycling und die Entsorgung des E-Schrotts aus privaten Haushalten, verantwortlich. Sie müssen ihn ab der Sammelstelle organisieren und finanzieren. Die Hersteller von Geräten, die seit 13. August in Umlauf kommen, müssen dafür eindeutig identifizierbar sein. Der Handel braucht die Altgeräte nicht zurückzunehmen. „In der Praxis spielt er aber eine wichtige Rolle bei der Entsorgung von Elektronikschrott als Serviceleistung gegenüber dem Endverbraucher“, so der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) und der Bundesverband Technik des Einzelhandels (BVT) in einer Informationsschrift für Fachhandel und –handwerk: „Damit fallen im Handel weiterhin erhebliche Flächen- und Personalkosten, sowie Rücknahme bedingte Logistikkosten an.“

Auch Uraltgeräte sind betroffen

Für die Finanzierungszuordnung relevante Unterscheidungen, wann das ausgediente E-Teil in den Verkauf gekommen ist, sind für den Konsumenten bedeutungslos. „Voraussetzung für die Rücknahme ist, dass sich der Hersteller registrieren lässt“, erläutert Frey. „Wenn der Händler beim Kauf eines neuen Gerätes anbietet, dass er das Altgerät kostenfrei zurücknimmt, kann es dem Kunden egal sein, ob es sich um ein Uraltgerät, um ein fünf Jahre altes, oder um ein kürzlich gekauftes handelt.“ Insgesamt würden die Verbraucher von der Neuregelung „relativ wenig mitbekommen“ und die Kommune für die Entsorgung wie bisher „weiterhin in Anspruch nehmen“.

Kühlschrank recyceln kostet 15 Euro

SteckdoseVoraussichtlich wird die neue Recycling-Ordnung jedoch nur formal für den Kunden kostenfrei ablaufen: ZVEI und BITKOM rechnen vor, dass die Kosten der künftigen Rücknahmesysteme allein für die Industrie voraussichtlich zwischen 350 und 500 Millionen Euro jährlich betragen werden. Besonders die Gutteils ins Gewicht fallenden, größeren Geräte schlagen zu Buche: Einmal Waschmaschine entsorgen kostet acht Euro, ein Kühlschrank macht 15 Euro. Zehn Euro Recycling-Gebühren verursacht ein Fernseher.

„Die deutschen Gesetzgeber haben unter Mitwirkung der Betroffenen das Beste daraus gemacht“, kommentiert ZVEI-Vertreter Frey die WEEE. „Das Ergebnis stellt eine zumutbare Belastung für die Industrie dar.“ Doch er schränkt ein, dass diese von der neuen Aufgabe „nicht direkt begeistert sein“ könne, „wenn es ans Portemonnaie geht und Arbeit bringt“.

Entsorgungskosten gehen voraussichtlich in den Preis ein

Die teils sowieso mit Gewinneinbußen kämpfende E-Industrie muss sich also etwas einfallen lassen, wenn etwa der Bezahlfaktor für die Verwertung und Beseitigung von Entladungsleuchten noch mal halb so viel wie der eigentliche Leuchtenwert betragen würde. Frey: „Bei der Preisgestaltung könnte sich deutlich etwas verändern, weil die Kosten für die Entsorgung bei einzelnen Geräten ganz immens hoch sind. Möglicherweise gibt es ein neues Preisniveau. Aber das wird man im Detail erst noch sehen.“

Der HDE sieht die veränderte Situation ganz pragmatisch: „Letztlich müssen alle mit der Sammlung und Entsorgung von Altgeräten verbundenen Kosten von den Kunden bezahlt werden – Sammlung über Abfallgebühren, Entsorgung über den Preis. … Die Entsorgungskosten für Geräte, die nach dem 13.08.2005 auf den Markt gebracht werden, sind auf jeden Fall im Preis zu integrieren.“

Handel, Kommunen und Hersteller müssen aufklären

Der Einzelhandel wird, der Verbands-Info zufolge, ab März 2006 mehr als die Funktionsweise der gekauften Elektrogeräte zu erklären haben. Denn er muss, neben Öffentlich-Rechtlichen Entsorgungsträgern und Herstellern, darüber informieren,
- welche Rückgabemöglichkeiten im Gebiet der Kunden zur Verfügung stehen,
- was die Kunden zur Wiederverwendung und zur Verwertung von Altgeräten beitragen,
- welche negativen Auswirkungen die im Altgerät enthaltenen gefährlichen Stoffe bei der Entsorgung haben könnten,
- was das Symbol „durchgestrichene Mülltonne“ bedeutet, mit dem nach dem 23. März 2006 auf die Sammel- und Rücknahmepflicht hingewiesen wird.

Nur registrierte Hersteller dürfen weiter verkaufen

BügeleisenHersteller, Importeure und Eigenmarkenanbieter von Elektro- und Elektronikgeräten mussten sich bis zum 23. November dieses Jahres beim Elektro-Altgeräte-Register (EAR) registrieren lassen, wenn sie weiter Produkte in die Geschäfte bringen wollen. Sonst bleiben sie beim Weihnachtsgeschäft und darüber hinaus außen vor.

Das ElektroG sieht eine Gemeinsame Stelle für die Registrierung der Hersteller und die gerechte Zuordnung der Entsorgungsverpflichtungen vor. Initiiert von ZVEI und BITKOM, haben die Produzenten zu diesem Zweck die Stiftung EAR gegründet, die mit Hoheitsbefugnissen beliehen, also zur Behörde, wurde und Verwaltungsakte erlässt. Das EAR kümmert sich auch um Mengenerfassung und Abholkoordination. Das heißt, die Gemeinsame Stelle informiert den Hersteller, seinem Marktanteil entsprechend, über Ort und Menge der zugeteilten Entsorgungsbehältnisse. Zudem befasst sie sich mit Nachweisführung und Teilnahmebeobachtung. Beispielsweise wird jährlich das Zeugnis einer insolvenzsicheren Garantie zu den Akten genommen, damit eine Begleichung der Recyclingkosten für alle nach dem 13. August dieses Jahres verkauften Geräte auch im Falle einer Firmenpleite sicher gestellt ist. Die Rechts- und Fachaufsicht des Umweltbundesamts über das EAR soll dessen Neutralität garantieren. Meldepflichtig sind, laut einer BVT- und HDE-Info für Hersteller, Importeure und Eigenmarken-Anbieter, unter anderem die Menge der im Kalenderjahr wieder verwendeten, verwerteten, stofflich verwerteten und exportierten Altgeräte.

Rückgabe soll Neukauf mit gutem Gewissen stimulieren

Viel Aufwand – und der Nutzen? „Wenn der Hersteller die Entsorgung übernimmt, kauft der Kunde mit gutem Gewissen Neugeräte, weil alles in einer Hand ist“, sagt Frey. „Die Deponien werden sicherlich etwas mehr entlastet. Elektroaltgeräte machen überhaupt nur drei bis vier Prozent des Hausmülls aus.“

ZVEI zufolge werden private Haushalte in Deutschland pro Jahr durchschnittlich 1,1 Millionen Tonnen Altgeräte zurückgeben. Fast drei Viertel davon werden Kühlgeräte, Waschmaschinen, Geschirrspüler und andere Haushaltsgroßgeräte sein. 110 Tausend Tonnen Elektroschrott werden von privat genutzten IT- und Telekommunikationsgeräten stammen, knapp 80 Tausend Tonnen bringen Fernsehgeräte auf die Waage. Kleinere Anteile am Gesamtgewicht stammen von Audio- und Videogeräten, Handys oder auch Haushaltskleingeräten, wie Staubsaugern, Entladungslampen und Elektrowerkzeugen.

Frey gibt zu bedenken, wie viel Strom gespart werden kann, wenn zehn und 20 Jahre alte Energiefresser unter den Waschmaschinen und Kühlschränken gegen neue, energiesparende getauscht werden. Der Task-Force-Vorsitzende: „Umwelttechnisch ergibt sich etwas sehr Interessantes. Die Attraktivität, sich etwas Neues anzuschaffen, könnte für den Kunden sogar gesteigert werden.“

Damit nicht genug: Elektro- und Elektronikgeräte, die gewisse Schwermetalle und bromierte Flammschutzmittel enthalten, dürfen ab 1. Juli 2006 nicht mehr verkauft werden. Letzteres basiert auf der zeitgleich mit der WEEE durch die EU publizierten Richtlinie für die Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe in Elektro- und Elektronikgeräten (RoHS – Restriction of the use of certain Hazardous Substances in electrical and electronic equipment). Die RoHS ist ebenfalls mit dem ElektroG in nationales Recht umgesetzt worden. Sie will zur Vermeidung von Blei, Quecksilber, Cadmium, sechswertigem Chrom, polybromiertem Biphenyl (PBB) und polybromiertem Diphenylether (PBDE) beitragen. Ab dem Stichtag dürfen je homogenem Werkstoff nicht mehr als 0,1 Gewichtsprozente an den genannten Bestandteilen enthalten sein. Die Cadmium-Menge darf sogar nur maximal 0,01 Gewichtsprozente ausmachen.

Netze für die Entsorgung werden gesponnen

Elektroschrott nicht in die MülltonneSpannend wird, wie die Unternehmen mit den zurück genommenen Produkten verfahren werden. Der WWF-Forderung nach einer umweltgerechten Entsorgungkommt bereits jetzt Fujitsu Siemens entgegen, indem es seine Geräte im eigenen Recycling-Center aufarbeitet. Dort läuft ein Drei-Stufen-Konzept folgendermaßen ab: 1. Geeignete Gebrauchtgeräte werden wieder vermarktet. 2. Bauteile oder -gruppen werden repariert und wieder verwendet, jedoch nicht in eigenen Neuprodukten. 3. Geräte werden zerlegt und in bis zu 50 unterschiedliche Stoff-Fraktionen sortiert. Die Materialrecycling-Verfahren von qualifizierten Partnern werden bei der Produktneuentwicklung berücksichtigt.

Den Verbänden BITKOM und ZVEI zufolge, müssen die Firmen jetzt „mit Hochdruck“ die operativen Rücknahmesysteme und unterschriftsreifen Verträge mit Logistik- und Entsorgungsdienstleistern fertig stellen. Frey spricht davon, dass „die verpflichteten Unternehmen intelligent miteinander vernetzt“ sein müssten. Er führt aus, dass sich kleine und mittlere Produzenten und Importeure den teils bereits vorhandenen Lösungsnetzwerken der Großen anschließen, beziehungsweise Dienstleister rekrutieren würden. Das Ziel ist für ZVEI und BITKOM „ein effizienter Wettbewerb von Logistik- und Entsorgungsunternehmen, um Kosten für Hersteller und Verbraucher möglichst gering zu halten“.

Eine Billiglösung auf Kosten von Mensch und Umwelt dürfe es laut Frey keinesfalls geben: „Zur Versendung von Elektroschrott in die Dritte Welt gibt es klare Gesetzesvorgaben, und bei Missachtung handelt es sich um eindeutige Gesetzesunterlaufungen - jetzt schon.“


2005-12-09 by Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: © Annegret Handel-Kempf
Illustration: ©Angelika Petrich-Hornetz

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