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Beim Jupiter!

Imperator, Link Wirtschaftswetter

Meine Frau und die Kinder werden sich furchtbare Sorgen um mich machen, ich spüre das regelrecht körperlich. Meine Blinddarmnarbe zieht. Aber ich kann es ja nicht ändern. Wie verrückt das ist, ich sitze auf einem Thron, dem höchsten im Palast und kann es nicht ändern.

Aus dem Garten auf den Thron. Das glaubt mir Zuhause niemand - falls ich jemals dorthin zurückkehren sollte. Aber von vorne. Gestern war Sonntag. Wann immer meine Zeit es zulässt, arbeite ich sonntags im Garten, von Frühling bis Herbst. Jetzt ist es Oktober. Die Äpfel müssen endlich runter, es ist höchste Zeit, die meisten liegen sowieso schon auf der Erde.
Als ich die Leiter anlege, stoße ich auf etwas hartes, metallisches, das im Boden steckt. Mit bloßen Händen bringe ich es nicht zum Vorschein. Ich hole die Schaufel und grabe. Zehn Minuten später halte ich eine suppentellergroße Bronzescheibe in der Hand. Ich kann mir nicht erklären, was das ist, beim besten Willen nicht. Mit dem Gartenschlauch spritze ich Erde und Schmutz vom Metall. Mit dem Ärmel reibe ich das Ding trocken - da wird es plötzlich gleißend hell um mich. Ich presse die Hände vor die Augen...

Ave!
Ich bin sprachlos. Vor mir stehen zwei Männer in sackartigen Gewändern und Sandalen. Doch zum Glück verstehe ich Latein. "Ave!“, grüße ich höflich zurück und versuche, dabei so normal wie möglich zu klingen. Die Männer wollen wissen, wer ich bin. Sie selbst sehen aus wie Römer. Im Übrigen scheint plötzlich die Sonne, ein herrlicher Sommertag, wo gerade doch noch Herbst war.
"Thomas Krüger Senior aus Dortmund!“, antworte ich, und das ist nicht gelogen, "Miederwaren und Strümpfe seit 1903!“
Die Männer betrachten argwöhnisch meine Kleidung, die nicht gerade den gut situierten Miederwarenfabrikanten erkennen lässt, denn ich komme ja aus dem Garten, wie ich bereits berichtete, und da pflege ich Blaumann zu tragen. Die Männer sehen sich an, ich ahne Unheil, und richtig, schon packen sie mich rechts und links.
Sie reden schnell und aufgebracht aufeinander ein, ich komme nicht mehr mit, das Einzige, was ich verstehe, ist Tiberius Julius Caesar Augustus.
Himmel, sie bringen mich zum Kaiser! Und ich in dieser Aufmachung! Nicht mal sauber ist mein Blaumann, kein Wunder, dass die beiden so achtlos mit mir umgehen, mich regelrecht hinter sich her schleifen.

Kaiser Tiberius ist ebenfalls alles andere als entzückt, dass ich ihm in dieser Aufmachung gegenübertrete. Furchtbar unangenehm ist mir das. Zunächst! Denn irgendwann platzt mir der Kragen. Hier geht einer zu weit! In den Kerker will er mich werfen, der gute Kaiser, in die Arena soll ich, spätestens morgen Abend, dort mit den Löwen kämpfen. Falls ich davor den Zweikampf mit seinem stärksten Sklaven überlebe. Nein, bei allem Respekt, jetzt werde ich böse mit ihm. Unpassende Garderobe hin oder her, aber so lasse ich nicht mit mir reden!

"Memento te hominem esse!*“, brülle ich Tiberius an. Er schweigt abrupt. Ich sehe, wie ihm der Schweiß ausbricht. Er ahnt was! Ha! Jetzt kommt mein Auftritt. Jetzt, oder es ist vorbei mit mir! Zitternd fahre ich in die Gesäßtasche meines Blaumanns ... ja, es ist da, ich habe es mit! Ich hole es hervor, mein Handy, halte es dem Kaiser hin und spiele vor seinen entgeisterten Augen meinen neusten Klingelton ab. Sogleich sind alle auf den Knien, Kaiser, Diener, die beiden verfluchten Kerle, die mich her brachten. Um die Sache perfekt zu machen, füge ich noch gelassen hinzu, dass ich soeben vom Jupiter komme, lasse dazu noch einmal mein Handy ertönen; wie sehr mir der hiesige Empfang missfällt, brauche ich nicht mehr zu sagen, man küsst bereits meine schmutzigen Gartenschuhe...

Nun sitze ich auf dem höchsten Thron im Palast und werde bedient und angebetet wie ein Gott. Zwei meiner fünfundneunzig Sklavinnen fächern mir frische Luft mit Palmenwedeln zu. Zwei waschen meine Füße mit Rosenwasser. Eine bringt soeben meinen Nachmittagsimbiss ... verdammt ... die Äpfel müssen vom Baum, es ist höchste Zeit!

* Bedenke, dass du ein Mensch bist!

Stichwörter: ERDE * SCHEIBE * RÖMER * KAISER * JUPITER
von Lukas* aus Münster

Zu allen Mini-Stories der Reihe: Privat-O-Mat


2009-10-05 Juliane Beer
Text: ©Juliane Beer
Stichworte: siehe oben, *der Name ist der Redaktion bekannt
Illustration: ©ap
Fotos Themenbanner: ©Cornelia Schaible
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