Wirtschaftswetter

R(h)einer Zufall

Vor ca. drei Millionen Jahren befand sich nicht weit entfernt vom heutigen Köln die Mündung des Rheins in die Nordsee. Vor 15.000 Jahren schwammen den Rhein Glattwale herauf und der Boden war gefroren. Vor 6.500 Jahren siedelten sich die ersten Menschen um das heutige Köln herum an und vor über 2000 Jahren gründeten die Römer Köln. Heute ist es eine pulsierende Stadt mit cirka einer Million Einwohnern. Stadtmenschen, die sich der Technik unterwerfen in ihrer selbst verursachten Welt, scheinbar unabhängig von der Natur. Doch bei einem Spaziergang am Rheinufer verändert sich der Blickwinkel. Wind und Wolken, holpriges Gehen über Steine, Strukturen im Ufersand und auf den Wellen: das Alles verleitet dazu, genauer zu riechen, zu hören, zu sehen. Ans Ufer gespülte Gegenstände ziehen in ihren Bann. Der Zufall spült Spuren der Vergangenheit, diese kaum beachteten Zerfallspuren, ans Ufer des Flusses.

R(h)eine Inspiration / Malerei
Der Rhein ist das Transportband zur Fantasie. Undefinierbares lenkt die Aufmerksamkeit zu verborgenen Tiefen, oft übersehen, weil oberflächliches Betrachten dazu keinen Zugang hat. Ein alter Dosendeckel wird einzigartig durch die Spuren des Rheines, des Wetters und der Zeit. Im Atelier wird der Zerfall unterbrochen, um auf eine Individualität zu verweisen, für die ihre ursprüngliche Funktion nicht vorgesehen war. Oft befinden sich die Dinge schon im Übergang zum Nichts, zerriebene Materie wie der Sand. Die Farben der Leinwand, wie selbstverständlich immer schon dort gewesen, tragen die Objekte, betten sie schützend ein oder halten sie gefangen. Hier können sie neu empfunden werden. (Malerei: Öl, Mischtechnik, Fundstücke vom Rhein, Rheinsand auf Leinwand)

R(h)eine Sehnsucht / Objekte
Auf dem Fluss treiben heute die großen Lastschiffe den Rhein hinauf bis in die Berge und hinunter bis ans Meer. Die Schiffer haben Familie, Katz und Hund dabei. Den Kinderlaufstall und ein Auto haben sie auf Deck gestellt. Die Wäsche flattert auf der Leine. Sie schlafen zwar immer im gleichen Bett und doch fast jede Nacht woanders. Ist dies Freiheit? Wir stehen am Ufer und schicken unsere Fragen hinterher. Wie die „Cups der Lüfte“. Sie stehen am Ufer auf Betonfüßen und ihre Segel sind im Flattern erstarrt. Oder die „Blätter“ aus Acryl, die im Herbst nicht von einer Windböe erfasst, über den Rhein geweht werden können, wie ihr natürliches Vorbild. Und: wäre es möglich, dass aus den ans Ufer geschwemmten Flusskieseln >Steinblüten< wachsen? Die in den Rhein geleiteten Abwässer könnten so eine Mutation bewirken. Fast möchte man glauben, die Objekte seien dem biologischen Rhythmus des Entstehens und Vergehens entkommen. Doch dies ist letztlich ein Trugschluss und gilt nur für kurze Zeit. Die Objekte greifen ein bekanntes Thema der Kunst auf, Vorhandenes durch den Blick des Künstlers zu verfremden in der Hoffnung dadurch die Blickweise des Betrachters zu sensibilisieren. ( Objekte: Betonfuß, Keramikfuß, Draht, Seide, Acryl, Fundstücke vom Rhein)

Text: ©Barbara Kümpel
im Web :
Atelier Stilbrüche

 

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