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Cumarin im Tiegel

Mehr Einsatz oder nur mehr Deklaration von synthetischem Cumarin in Kosmetik?

von Angelika Petrich-Hornetz

Riecht irgendwie unangenehm

Haben Sie zu Weihnachten Pflegeprodukte erhalten? Ab einem gewissen Alter wird man zur ersten Adresse von gut gemeinten Tuben und Tiegeln mit vermeintlich wohltuenden Cremes, Mousses, Liquids und was nicht alles. Nicht immer ist der (auch an den unmöglichsten Stellen) mit Duftrezeptoren voll ausgestattete Mensch unbedingt begeistert, wenn er seine bzw. sie ihre wohlmeinenden, aber weniger wohlduftenden Präsente aufmacht. Es riecht inzwischen nicht selten ziemlich streng nach Cumarin.

Was Maibowle, Zimt und Körperlotion gemeinsam haben - und was nicht

Zusammengefasst ist Kumarin, Coumarin oder Cumarin (im folgenden genannt) in seiner natürlichen Form ein sekundärer Pflanzenstoff, der in unzähligen Gewächsen der Erde vorkommt. Am bekanntesten dürfte sein natürliches Vorkommen hierzulande u.a. in Waldmeister, Zimt und Heublumen oder auch frischgemähtem Gras sein. Den typischen würzigen Cumarin-Duft empfinden viele Menschen als angenehm - und er hat seine eindeutigen Vorteile: Pflanzen wehren damit Fressfeinde ab und sogarStechmücken oder Wespen suchen das Weite.
In die Schlagzeilen geriet Cumarin, das in hohen Mengen aufgenommen, auch für Menschen giftig wirkt, in der jüngeren Vergangenheit durch hohe Konzentrationen in einigen Zimplätzchen, vor allem, wenn sie mit Cassia-Zimt gebacken sind, der einen deutlich höheren Cumarin-Gehalt als Ceylon-Zimt aufweist.

Wie Tests ergaben, waren einige Kekse so starkt belastet, dass bereits eine Handvoll Gebäck (6 Zimtsterne oder 100 g Lebkuchen, bei 15 kg Körpergewicht, Quelle BfR) für Kleinkinder gesundheitsschädlich wirken kann. Seit vielen Jahren gelten in der EU deshalb Grenzwerte. Mittlerweise wurden diese für unerschiedliche Speisen mit ihrem natürlichem Cumaringehalt (vorwiegend in Form von Zimt) pro Kilogramm konkretisiert und für die Aufnahme von Cumarion 0,1 mg pro Kilogramm Körpergewicht täglich (TDI = Tolerable Daily Intake) festgelegt. In den USA seit 1954 und in der EU seit 1988 ist syntethisiertes Cumarin im Einsatz als Aromastoff in Lebensmitteln verboten (ohne Gewähr auf Aktualität. Anm. d. Red.).

Neben dem natürlichen Vorkommen in Lebensmitteln wird Cumarin wegen des Dufts häufig in Kosmetika, Parfums und Pflegeprodukten, u.a. Deodorants und Körperlotionen eingesetzt. Hierfür existieren jedoch keine Grenzwerte - und das ist nicht unproblematisch. In welchem Maß die über Cremes oder Lotionen aufgenommene Cumarion-Mengen zur Gessamtbelastung des Körpers beitragen und wie über die Haut aufgenommenes Cumarin überhaupt wirkt, wird u.a. fortlaufend vom Bundesamt für Risikobewertung überprüft. Bereits im Jahr 2008 untersuchte die Stiftung Warentest diverse Produkte und kam vor zehn Jahren zu dem Ergebnis, dass bis auf einige wenige Ausschläge nach oben, der Beitrag zur Gesamtbelastung der meisten der untersuchten Cumarin-haltigen Parfums und Körperpflegeprodukte in einem einstelligen, niedrigen Prozentbereich (gemessen am TDI) verblieb.

Nimmt der Einsatz von Cumarin in Pflegerprodukten zu?

Wer nun denkt, mit dem Einkauf von sogenannter Naturkosmetik (nach eigenen Angaben der Produzenten) auf der sicheren Seite zu sein, irrt leider. Zwar gibt es keine Mengenbeschränkung an und für sich, doch wegen möglicher allergischer Reaktionen muss Cumarin laut Kosmetikrichtlinie auch in Körperpflegeprodukten, und zwar ab 0,001% in Leave-on Produkten (auf der Haut verbleibende, wie Lotionen, Cremes) und 0,01% in Rinse-off Produkten (u.a. Shampoo, Duschgels) deklariert werden . Und so findet, wer zu einigen der bekanntesten Anbietern für "natürliche Körperpflege" greift, nicht selten auf der Rückseite u.a. auch die Angabe Coumarin - womit die 0,001 Prozent-Grenze bei einem Körperöl dann wohl überschritten sein dürfte. Bedauerlichweise findet man i.d.R. jedoch keine weiteren Hinweise auf die jeweils tatsächlich enthaltene Menge.

Das wirft einige Fragen auf. Einen anderen Aspekt betrifft den sich einigen Verbrauchern aufdrängenden Eindruck, der selbstverständlich keine wissenschaftliche Untersuchung ersetzt, , dass der Einsatz von Cumarin in der Fläche zunimmt. U.a. enthalten unzählige Vanille-Cremes, Lotionen bis hin zu Lippenpflege Cumarin, weil damit - unter Verwendung weiterer Zutaten - sowohl Vanille als auch einige andere Duftnoten mehr oder weniger erfolgreich nachgeahmt werden können.
Vanille-Geruch wirkt auf Menschen äußerst anziehend. Doch die Preise für Aromen natürlichen Usprungs, wie der von echter Vannille, sind auf dem Markt explodiert, Preissenkungen bis auf Weiteres nicht in Sicht. Vielleicht greift der ein oder andere Hersteller aufgrund des Marktdrucks inzwischen tatsächlich etwas häufiger zur günstigeren Cumarin-Variante.
Einige Anwender dieser preislich günstigen Produkte haben zwar noch keine Allergie gegen den Stoff selbst, jedoch mittlerweile eine deutliche Abneigung gegen den Geruch von synthetisch isoltiertem Cumarin entwickelt, den manche schlicht als penetrant bezeichnen. Vielleicht wirkt der Dufstoff auch nur so, weil das Aroma zumindest gefühlt, inzwischen überall dort hineingestopft wird, wo es nur irgendwie hinein passt, nicht zuletzt auch in der, besonders im Herbst und Winter, auftretenden Duftkerzen-Schwemme.

Strengere Kennzeichungen im gemischten Einerlei

Illustration Medikamente Dass die BuchverlageDie EU-Kommission und die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hatten 2017 die Liste der in Arzneimitteln, Kosmetika und Reinigungsmitteln zu deklarierenden Inhaltsstoffe aktualisiert - und um 26 potentiell allergene Duftstoffe, darunter auch Cumarin, erweitert.
Damit bleibt selbst nur geruchsempflindlicheren Naturen also wieder eines übrig, nämlich vor dem Kauf die mehr oder weniger gut auffindbaren Inhaltsstofflisten zeitraubend zu studieren und anschließend - dann für beide Seiten genauso zeitraubend - den Händler zu löchern.
Etwas einfacher funktioniert es, wenn Tester zur Verfügung gestellt werden: Wem allein schon beim Erschnuppern des mehr oder weniger gelungenen Cumarin-Einerleis bereits die Haare zu Berge stehen, sollte sich als guten Vorsatz für 2019 spätestens vor der nächsten weihnachtlichen Duft-Invasion rechtzetig in Rettung bringen. Naturreine Duftöle sind eine Alternative, nur leider sehr teuer. Frische Luft dagegen ist in der Regel noch überwiegend kostenlos - und ihr Wohlgeruch einfach unschlagbar.


2019-01-01, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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