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Fernsehen am Weltfrauentag

Für die Zuhaus-Gebliebenen gibt's kein Angebot

von Angelika Petrich-Hornetz

Es gibt viel Gründe dafür, am Weltfrauentag (nicht) auf die Straße zu gehen, die mittlerweile am 8. März wieder regelmäßig von unzähligen Frauen bevölkert wird, die den Tag vor allem dazu nutzen, ihre politische Forderungen in die Öffentlichkeit zu stellen. Eine der größten Frauen-Demonstrationen findet in Europa traditionell in Madrid, Spanien statt- aber nicht im deutschen Fernsehen. Interessant, dass solch ein wichtiges politisches Großereignis in Europa ausgerechnet von den Öffentlich-Rechtlichen weitestgehend ignoriert wird. Somit können manche nirgendwo teilnehmen: Die einen müssen arbeiten, die anderen Kinder oder Familienangehörige versorgen. Oder die eigene Beteiligung wird von einer Erkältung oder aus anderen Gründen einer dauerhaften oder zeitweisen Immobilität durchkreuzt. Wer sich dann darauf verlässt, wenigstens im mit eigenen nicht zu knappen Gebühren finanzierten TV die wichigsten Ereignisse, Berichte und Bilder geliefert zu bekommen, guckt am Internationalen Frauentag indes seit Jahrzehnten und offensichtlich bis auf weiteres auch fortlaufend in die Röhre.

Die privaten Sender außen vor gelassen, gestaltete sich das Fernseh-Programm am 8. März 2019 in den öffentlich-rechtlichen Sendern dementsprechend wie folgt. In der Primetime - mit Ausnahme von Tagesschau24, MDR + RBB, die wenigstens einige thematisch passende Dokus, allerdings in Wiederholung, sendeten, als gäbe es angeblich nichts Neues zum Thema "Frauenrechte" zu berichten wurde am Weltfrauentagjeweils um 20:15 Uhr (wenn keine andere Uhrzeit angegeben ist) frauenpolitisch Interessierten allen Ernstes das hier geboten:

dasErste, Spielfilm: "Praxis mit Meerblick"
ZDF, TV-Serie: "Professor T. - Der perfekte Mord"
ZDF neo, TV-Serie: "Death in Paradise - Tod an Bord"
ZDF info, Doku: "Im Niemandsland - Was Korea teilt"
3Sat, Doku: "Gut, besser, vegan?"
Kika (19:30-21:00 Uhr), Kindersendung: "Trommelbauch"
Phoenix, Doku: "Australiens schönste Küstenstraße"
Arte, Spielfilm: "Die Anfängerin"
WDR, Doku: "Mein Revier - Frank Goosen sucht die Seele des Ruhrgebiets"
Ab 22:00 Uhr folgte eine Talk-Show in rein weiblicher Besetzung
One, Satire, Wiederholung: "extra 3"
Bayerischer Rundfunk, TV-Serie: "Schnell ermittelt - Schuld"
SWR, Doku: "Expedition in die Heimat - Winter im Bergsteigerdorf Ramsau"
HR, Doku: "Buntes Mauritius - Pulsierend, grün und paradiesisch"
Gratis gibt es von diesem Sender dafür diese Pressemeldung: "Frauen im hr - Mehr Kolleginnen, mehr Chefinnen!"
NDR, Doku: "die nordstory - Herrenhäuser in Frauenhand"
ARD-Alpha, nach eigenen Angaben der "Bildungs-Kanal", Doku: "Der rote Platz" aus der Reihe "Geheimnisvolle Orte"

Fazit: Im NDR wurden ein paar kämpfende Herrenhaus-Besitzerinnen und auf Arte eine um sich sich selbst kämpfende Protagonistin eines Spielfilms gezeigt. RBB + MDR setzen sich etwas positiver mit zwei Folgen einer dreiteiligen Doku über Ostfrauen ab, genauso Tagesschau 24 mit einer Wiederholung der Doku "Bauhausfrauen".
Das war schon so ziemlich alles, was den Fernseh-Zuschauerinnen-Haushalten für eine Jahresgebühr von 210 Euro am Weltfrauentag zur Hauptsendezeit in den unzähligen öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland angeboten wurde. Aktuelles existierte, über ein paar Sekunden-Beiträge in den Nachrichten hinaus, dagegen nicht.

So wenig Frauenpolitisches ausgerechnet an einem Tag, an dem in immer mehr Ländern auf der ganzen Welt massenhaft Frauen auf die Straße gehen und zunehmend wütender über die bestehenden Verhältnisse werden, in denen Frauenrechte und damit Menschenrechte unverhohlen mit Füßen getreten, in denen Gewalt gegen Frauen und Kinder ein unterschwellig allgegenwärtiges, riesengroßes Problem darstellen, grenzt an medialer Ignoranz. Die Entwicklung zu einem Besseren lässt dabei mindestens sehr, sehr viel zu wünschen übrig.

Allein, auch davon erfährt das bundesdeutsche Fernsehpublikum nichts. Diese den Sender-Entscheidern offenbar so unangenehme, gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich aber umso wichtigere Themen der Gegenwart bewertet das mit Gebühren gut ausgestattete öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland eigenmächtig als für die öffentliche Gesellschaft offensichtlich nicht wichtig genug, um dafür überhaupt etwas Sendezeit außerhalb seiner Nachrichten-Sendungen zur Verfügung zu stellen, schon gar nicht in den Hauptprogrammen zur Hauptsendezeit, aber genau das. wäre sein Auftrag (gewesen), u.a. nämlich die Realität abzubilden.
Ganz sicher aber lautet der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen nicht, die real existierende frauenverachtende Wirklichkeit dauerhaft, in ignoranter Wiederholung komplett und darüber hinaus jedes Jahr aufs Neue einfach auszublenden, als wäre sie gar nicht vorhanden. Als direkte Folge könnten sich Sender durch etwas mehr Weltzugewandtheit nicht zuletzt teure Überflüssigkeiten wie die kläglichen Image-Verbesserungs-Versuche nach Art von "Framing", wie jüngst in der ARD, außerdem grundsätzlich ersparen.

Foto Aquarium, Link Fotogalerie Der Anchorman des ZDF-Heute-Journals, Claus Kleber gab den in die Röhre guckenden Fernseh-Zuschauerinnen in seiner Sendung schließlich einen praktischen Hinweis mit: Man könnte schließlich sehr viele Berichte in der Mediathek sehen. Das stimmt und die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen werden zurecht auch immer beliebter. Nur: Wenn der Hinweis darauf reichen soll, dass wir Aktuelles und Relevantes grundsätzich nur noch in Mediatheken finden, wozu brauchen wir dann überhaupt noch unzählige TV-Sender und ihre Hauptpogramme?
Etwas weniger Schmonzette und Wiederholungen, dafür ein bisschen mehr aktuelle Welt und Politik würde am Weltfrauentag wirklich guttun. Vor allem aber die überfällige Information der Öffentlichkeit darüber, dass es sich beim Reflex automatisierter Gleichsetzung von Frauenfreundlichkeit mit Männerfeindlichkeit lediglich um eine äußerst hartnäckig haltende Fake-Botschaft handelt, darf man den finanziell gut aufgestellten öffentlich-rechtlichen Sendern ruhig zumuten. Nicht zuletzt enstpricht die Aufstellung als Bollwerk gegen Fakenews dem eigenen Anspruch der Sender, dessen Umsetzung die Zuschauer dementsprechend erwarten. Stattdessen müssen diese Jahr für Jahr immer darauf warten.


2019-03-10, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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