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Editorial im Frühling 2024


Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser,

das annus horribilis 2023 ist vorbei, doch alle Beobachterinnen und Beobachter der politischen Weltlage sind sich weitestgehend einig: Das nur vordergründig weiße, weil noch unbeschriebene neue Jahr 2024 wird zumindest zum Start kaum besser als das alte ausfallen.
Beweise? Zusätzlich zu weiteren Konflikten reichen schon die durchgehende Bombardierung der Ukraine durch Russland von Silvester 2023 auf Neujahr 2024 und die neuen Raketenangriffe aus Gaza auf Israel vollkommen aus. Damit werden zwei Demokratien fortgesetzt angegriffen, die nicht so weit weg sind, wie manche in Europa immer noch annehmen.

Während die Autokraten seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs immer mehr zusammenrücken, wie man an durchaus immer gleicher ausfallenden Handlungen und Äußerungen ablesen kann, schließlich muss kein Volk dem noch zustimmen, bleibt den Demokratien dieser Welt, deren Anzahl schrumpft, nichts anderes übrig, als sich ebenfalls zusammenzutun, was in ihrer Unterschiedlichkeit nicht ganz so einfach ist, wie in diesen gleichgeschalteten "Ein-Mann-Staaten", um ihre ungeliebte und anstrengende Staatsform - die Demokratie - zu verteidigen, und zwar im Sinne von Churchill, der am 11. November 1947 im britischen Parlament sagte, Zitat:

"Diese ganze Idee einer Gruppe von Supermännern und Superplanern, wie wir sie vor uns sehen, die "den Engel spielen", wie die Franzosen es nennen, und die Masse des Volkes dazu bringen, das zu tun, was sie für gut hält, ohne jegliche Kontrolle oder Korrektur, ist eine Verletzung der Demokratie. Viele Regierungsformen sind ausprobiert worden und werden in dieser Welt der Sünde und des Unheils ausprobiert werden. Niemand behauptet, dass die Demokratie perfekt oder allwissend ist. In der Tat ist gesagt worden, dass die Demokratie die schlechteste Regierungsform ist, abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit erprobt worden sind; aber es gibt in unserem Land das weit verbreitete Gefühl, dass das Volk regieren sollte, kontinuierlich regieren sollte, und dass die öffentliche Meinung, ausgedrückt durch alle verfassungsmäßigen Mittel, die Handlungen der Minister formen, leiten und kontrollieren sollte, die ihre Diener und nicht ihre Herren sind", Zitat-Ende (Absatz 207, u.g. Quelle).
Quelle (lesenswert): hansard.parliament.uk: Churchill, Britisches Parlament, 11. November 1947 - Parliament Bill

In diesem Sinne müssen wir pragmatischer werden und uns auf die Grundpfeiler der Demokratie, u.a. die Errungenschaften von freien Wahlen, auf das Vertrauen in die Gewaltenteilung, in die Verfassungsorgane und außerdem auf die freie Meinungsäußerung als solche besinnen - und uns vielleicht auch endlich einmal angemessen darüber freuen, dass wir in Staaten leben, in denen wir alle Rechte haben - und diese wahrnehmen, nutzen und vor allem unseren Kindern beibringen, dass diese existieren, auf die sich stets berufen können. Die global, wichtigste Warnung lautet wohl: Freiheit darf nie zu einem Privileg für nur wenige verkommen, sie muss für alle gelten, nur dann funktioniert der demokratische Staat. Wer allerdings in Deutschland von Denkverboten spricht, redet dummes Zeug, aber auch das darf man natürlich. Jeder hat in einer Demokratie auch die Freiheit, ein glücklicher Holzkopf zu sein, solange er niemanden mit diesem erschlägt.

Niemand wird dazu gezwungen die Weisheit mit Löffeln gegessen zu haben oder die Meinung des Nachbarn oder gar der Regierung zu teilen. Warum auch? Es ist wohl längst hinreichend bewiesen, dass Menschen verschieden sind, ja jeder Mensch sogar einzigartig beschaffen ist und damit jede und jeder etwas andere Ziele als andere hat und grundsätzlich unterschiedliche Wünsche und Lebensplanungen anstrebt. Wie es dann trotzdem gelingen kann, sich auf gemeinsame Ziele zu einigen, was die großen Rahmenbedingungen betrifft, die jedem und jeder in Demokratien auch das nicht zu vernachlässigende Streben nach Glück zugesteht, denn ja, auch das persönliche Glück gehört zu jeder Demokratie, lehrt uns das Prinzip: Leben und Leben lassen und eben nicht das Gegenteil davon, wie die Lehre von Mord und Totschlag und damit das gewaltätige Recht des Stärkeren, das aus historischer Erfahrung regelmäßig in Unrechtsstaaten endet, die an ihrem genauso regelmäßigen Ende buchstäblich niemandem mehr gerecht werden.

Die Gerechtigkeit gehört damit unverzichtbar zur Freiheit dazu. Das alltägliche Ringen darum, u.a. für Chancengleichkeit für alle Kinder in Deutschland gehört damit genauso wie die, in jüngster Zeit auch in Demokratien, wieder zunehmend zu beobachtende Vernachlässigung der gleichen Rechte für Frauen und Mädchem inzwischen dringender Korrekturen bedarf, aber der aktuelle, institutionalisierte Feminismus offensichtlich auch kein aktuelles Allheilmittel für Frieden und Freiheit ist, wie uns der ebenfalls zunehmende, auch von Frauen praktizierte Antisemitismus, im Jahr 2023 auf sehr unangenehme Art und Weise vor Augen geführt hat, der allen Ernstes so etwas Grundsätzliches ignorierte, dass auf der ganzen Welt kein Recht darauf existiert, Frauen abzuschlachten und zu vergewaltigen, nur weil diese einer aus persönlicher Sicht missliebigen Volksgruppe angehören.

Der 7. Oktober 2023 legte ein beschämendes, in die Geschichte eingehendes Zeugnis darüber ab, wie wenig Solidarität im 21. Jahrhundert betroffenen Frauen selbst von ihren Geschlechtsgenossinnen, die jedes Recht für sich selbst einfordern, entgegengebracht wurde, die zu den entsetzlichen Greueltaten in Israel schwiegen und in einigen Fällen diese gar öffentlich feierten, darunter von der Öffentlichkeit gut bezahlte Vertreterinnen von Staaten und Institutionen, wobei wir auch deren männliche Vertreter nicht unverwähnt lassen möchten, die sich diesbezüglich - meist noch viel besser bezahlt - ebenfalls nicht mit Ruhm bekleckerten. Es gibt also noch einiges zu tun, auch innerhalb jeder Demokratie, wie das o.g. Zitat Churchills bereits 1947 anmahnte.

Somit wird das Jahr 2024 von uns nichts weniger abverlangen, als Farbe zu bekennen. Es gibt nicht ein bisschen Demokratie oder ein bisschen totalitärer Unrechtsstaat, es geht um nichts weniger als die grundsätzliche Basis des Zusammenlebens. Die Welt wird sich damit weiter in Demokratien oder Unrechtsstaaten teilen und die Bürgerinnen und Bürger müssen sich persönlich entscheiden, ob sie demokratisch leben wollen, alle Dispute, kleine und größere Kämpfe darin aushalten und sich damit auch ganz persönlich auseinandersetzen wollen - oder ob sie grundsätzlich wie Unmündige behandelt werden, ihre persönliche Verantwortung und die Kontrolle über ihr eigenes Leben komplett abgeben, von oben mehr oder weniger rundum versorgt werden und dabei zusehen wollen, wie sie selbst - und ihre Familien - ohne eigene Rechte ausgestattet der Staatsgewalt hilflos ausgeliefert sein werden, wenn sie dem jeweiligen Autokraten nicht hunderprozentig huldigen. Das ist eine grundsätzliche, wichtige und dennoch sehr persönliche Entscheidung.

Das Jahr 2023 hatte die Basis für unausweichliche Entscheidungen gelegt, mit 2024 folgt das Jahr, in dem wir uns für oder gegen die Freiheit entscheiden müssen, die auch das Recht auf persönliches Glück beinhaltet. Genau das, das persönliche Glück, so unterschiedlich es ausfällt und gestaltet wird, ist ein Recht in jeder Demokratie, in der Sie sich stets auf "Law and Order", und damit auch auf die Verfassung berufen können, wenn Ihnen genau das verwehrt werden sollte, die in Deutschland dieses Jahr ihren 75 Geburtstag feiert.

Sie haben das Recht, glücklich zu werden, kämpfen Sie dafür mit demokratischen Mitteln, setzen Sie sich für Ihre Rechte ein und, oder die von Ihren Mitbürgern, aber bekämpfen Sie nicht die Demokratie als solche, die Ihnen alle diese Rechte und Möglichkeiten anbietet. Alle anderen Staatsformen, in denen Majestätsbeleidigung mittlerweile schlimmer als Mord wiegt, werden Ihnen auch diese oder jene Annehmlichkeit zubilligen, aber wenn es darauf ankommt, werden Sie niemals das Recht bekommen, geschweige denn, es einklagen können, anderer Meinung als Ihre in dem Fall dann totalitäre Regierung zu sein, die am Ende ihrer Entwicklung i.d.R. nur noch aus einem einzigen Mann besteht. In einer Demokratie können Sie dieses Recht einklagen. Eine demokratische Regierung besteht aus Vielen, ein Parlament ist ein Gremium mit vielen unterschiedlichen Meinungen, es gibt immer eine Opposition und nichts weniger als das - und noch viel mehr unterschiedlichste Menschen und Meinungen sind in einer Demokratie unverzichtbar, damit Ihre Freiheit und Ihre Sicherheit gewährleistet werden, wie diese nur eine Demokratie anbieten kann.

Wer das nicht glaubt, reise schlicht in einen von vielen existierenden Unrechtsstaaten, die immer gleicher werden, und stelle sich dort auf irgendeinen öffentlichen Platz und halte ein leeres Blatt Papier hoch, das so unbeschrieben und unschuldig ist, wie es Neujahr 2024 war, das noch vor uns liegt - und doch schon so gewaltvoll begonnen hatte. Allein das reicht heutzutage in Unrechtsstaaten bereits aus, um lebenslänglich verdächtigt, festgenommen und jahrelang weggesperrt zu werden - ein Irrsinn, den man vor wenigen Jahren noch weltweit für unmöglich gehalten hätte.

Wir wünschen Ihnen allen trotz allem einen schönen Frühling und Frühsommer 2024.

PS: Wir verlängern die Frühjahrsausgabe um den Frühling mit dem fortgesetzten Schwerpunkt bis zum 30. Juni 2024, der da lautet: "Freiheit". Was sonst?
Das einzige, was noch hinzuzufügen ist, ist die bittere Erkenntnis, dass nicht mehr nur vor einer Welt in "reinen Männerstaaten" gewarnt werden muss, sondern wir in diesem Jahr bereits in der Gegenwart unter solchen angekommen sind, ein globaler Rückschritt ohnegleichen. Öffnen Sie ihre Augen und sehen Sie, wovor Helene Weber nach dem Ende des Naziregimes zu Recht eindringlich gewarnt hatte, Ziat: "Der reine Männerstaat ist das Verderben der Völker."

Ihre
Angelika Petrich-Hornetz

Lübeck, im April 2024

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