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Notizen aus den USA

9.Teil

The significant other oder wie ich eine internationale Beziehung überlebe

von Ines Kistenbruegger

Es ist immer merkwürdig, als die neue Freundin von jemanden auf einer Party zu erscheinen. Noch merkwürdiger ist dies allerdings, wenn dies in einem anderen Land passiert. Auch wenn ich bereits seit vier Jahren liiert bin, so habe ich leider noch nicht alle Hürden einer internationalen Beziehung überwunden.
David nennt mich gerne sein Souvenir, hat er mich doch nach seinem dreijährigen Aufenthalt aus Deutschland mitgebracht. Werde ich auf Familienfeiern oder auch auf Parties vorgestellt, fühle ich mich auch so. Normalerweise sollte sich dieses Gefühl nach dem ersten oder auch zweiten Beziehungsjahr legen. Nicht so bei mir. Da David und ich die ersten drei Jahre unseres Zusammenlebens in Deutschland verbracht haben, bin ich für die meisten hier in den USA noch völlig unbekannt, denn sehr wenig von ihnen hatten mich bereits in Deutschland kennengelernt.

In den USA werde ich als das „David’s Date“ vorgestellt. Dieser Begriff erscheint mir absurd, wohnen David und ich doch nun schon seit zwei Jahren zusammen. Unser jetziger Status sollte doch etwas über den „Verabredungsstatus“ hinausgegangen sein. Noch merkwürdiger ist, wenn erwähnt wird: David is seeing someone. Her name is Ines. Ja natürlich sieht er mich. Wir wohnen sogar in einem Haus. Ich bin schon froh, wenn mich jemand „girlfriend“ nennt. Wie sehr vermisse ich den deutschen Ausdruck Lebensgefährtin! Obwohl mir dieser Begriff zuvor verhasst gewesen ist, nun scheint er mir treffend und präzise. Manchmal werde ich auch „the significant other“ genannt. Das geht, damit kann ich leben, auch wenn ich „Ines“ bevorzuge.

Verbringen David und ich Weihnachten bei meinen Eltern, so schlafen wir beide in meinem Jugendzimmer. Übernachten David und ich bei seinen Eltern in Akron Ohio, so schlafe ich im Gästezimmer und er in seinem Jugendzimmer. Es liegt ein Stockwerk dazwischen. Die Treppe knatscht furchtbar, so dass wir lange aufgegeben haben, uns nachts zum anderen zu schleichen. Erzähle ich meinen Freundinnen in Deutschland davon, lachen sie mich aus. Erzähle ich hier meinen amerikanischen Freundinnen davon, empfinden diese es als nicht ungewöhnlich. Ich werde wohl erst heiraten müssen, damit David und ich die offizielle Erlaubnis seiner Eltern bekommen, in einem Zimmer zu schlafen. Sagte ich, dass ich dieses Jahr 30 werde?

Um nicht die erste Nacht 2004 in getrennten Betten zu verbringen, haben David und ich am Sivestervortag beschlossen, nach New York zu fahren und seinen Freund zu besuchen. Dessen Wohnung in Queens, auch unter dem Namen „Club Sunnyside“ bekannt, sollte Herberge für eine kleine Silversterparty werden. Mit einem leicht ungemütlichem Gefühl im Bauch, denn eigentlich hatte ich keine Lust, wieder neue Leute kennenzulernen, kamen wir in Queens an. Ich wollte nicht die üblichen Fragen beantworten: Woher kommst Du? Wie findest Du Amerika? Wo hast Du Englisch gelernt? Worin unterscheiden sich Deutschland und die USA? Ich wollte einfach nicht auffallen oder eine neue Party-Attraktion sein. Nicht mehr das "Mädchen vom Mond" spielen. Zitat von eins Bekannten: "I know as much about Germany as about the moon. So you are the girl from the moon to me."
Aber welch Überraschung! Die Partybevölkerung bestand aus Menschen aus China, der Ukraine, Israel, Frankreich, der Elfenbeinküste, Polen und Argentinien. Amerikaner waren definitiv in der Minderheit. Die Mehrheit der Anwesenden waren entweder Tänzer, Fotografen, arbeiteten bei MTV oder fielen durch irgendwelche anderen herausragenden Begabungen auf. Meine Güte war ich langweilig. Nur Deutsche und dann auch noch Studentin.
Keiner hat mich gefragt, wie ich die USA finde!
Fazit: In New York gehört wirklich Talent dazu, aufzufallen. Einfach nur aus Europa zu kommen – forget about it. Das kann ja jeder.


2004-01-10 by Ines Kistenbruegger, Wirtschaftswetter
Text: ©Ines Kistenbruegger
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