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Alkopops - die süße Verführung

von Dr. Adelheid Salitz-Schatten

Alkopops sind seit Monaten in aller Munde: Die einen trinken sie, und die anderen reden sich den Mund fusselig, dass sie es lassen sollen.

Flaschen Alkopops sind ein fertiger Mix aus Rum, Wodka oder anderem hochprozentigem Alkohol mit Limonade oder Fruchtsaft. Weil das Auge nicht nur mitisst, sondern auch mittrinkt, wird das Gebräu mit bonbonfarbenen Zusatzstoffen versetzt. Den spritzigen Geschmack von Sonne und Freiheit liefert Kohlensäure, die zusammen mit den Aromazusätzen für ein wohliges Trinkgefühl sorgt.
Alkopops sind bunt, süß und gefährlich: Bunt durch den Zusatz verschiedenster Farbstoffe und die im Discolicht leuchtende Flaschenfärbung, süß durch den zugefügten Zucker und diverse Aromastoffe, gefährlich durch den enthaltenen Alkohol. Viele Alkopops sind ein wahrer Chemiecocktail. Nicht nur der Alkohol, sondern auch die zugesetzten Stoffe sind nicht ganz unbedenklich. In einigen Fällen gab es schon Ärger, weil auf dem Etikett nicht alles so deklariert war, wie es sollte, kritisierten die Verbraucherschutzorganisationen.

Alkohol für Zuckerschnuten

Eine besondere Gefahr stellen die Alkopops für Heranwachsende, Kinder und Jugendliche und die jungen Erwachsenen dar. Viele von uns erinnern sich vielleicht an ihre eigene Jugend: Alkohol schmeckte scheußlich, viel zu bitter, einfach fies. Damit solche negativen Gefühle gar nicht erst aufkommen, haben sich die Produzenten etwas einfallen lassen, nämlich das Getränk mit so viel Zucker und Aromen zu versetzen, dass der bittere Geschmack des Alkohols komplett überdeckt wird. 1995 in Australien zum ersten Mal auf den Markt gebracht, trat das süße Gebräu einen wahren Siegeszug um die Welt an. Vor allem junge Frauen sind von dem neuartigen Getränk begeistert.

Damit sich auch Jugendliche mit einem schmalem Geldbeutel diese Köstlichkeit leisten können, werden sie in kleinen Fläschchen mit 275 ml Inhalt verkauft. So weit könnten alle zufrieden sein, die Jugendlichen, weil sie ein neues schickes Getränk haben; die Getränke-Hersteller und Einzelhändler, weil sie durch die Alkopops ein gewaltiges Umsatz-Plus verzeichnen können.

Ganz so einfach ist es leider jedoch nicht. Selbstverständlich möchte niemand den Unternehmern ihr Geschäft streitig machen, und niemand missgönnt unseren Heranwachsenden einen coolen Drink, mit dem sie den Hauch der großen weiten Welt erahnen können. Doch ein Blick in die Suchtstatistik Deutschlands ernüchtert ungemein. Zwar ist die Zahl der Drogentoten seit 1989 stetig zurückgegangen. Was aber viele über diese begrüßenswerten Zahlen übersehen: Die gesellschaftlich akzeptierten Drogen Nikotin und Alkohol sind in dieser Statistik nicht aufgeführt. Tatsächlich stirbt in Deutschland jeder Vierte an den Folgen seiner Sucht. Dabei tritt der Tod in den meisten Fällen nicht unmittelbar nach dem Drogenkonsum ein – wie beispielsweise bei einer injizierten Überdosis Heroin-, sondern die Drogen schwächen und zerstören den Körper schleichend.

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Im letzten Jahr fielen knapp 2000 Menschen ihrer Sucht nach illegalen Drogen zum Opfer, während mehr als 40.000 Patienten durch jahrelangen übermäßigen Alkoholgenuss und sogar weit über 100.000 Menschen an den Folgen ihres Nikotinkonsums starben – Dunkelziffer nicht inbegriffen.

Die Auswirkungen solch über- und regelmäßigen Alkoholgenusses, wenn sie auch oft erst nach Jahren auftreten, sind erschreckend: Leberschäden und zerstörende Wirkung auf das Gehirn sind landläufig bekannt. Erhöhtes Krebsrisiko, chronische Entzündungen im gesamten Körper, Beeinträchtigung der Haut und Schwächung der Muskulatur, dazu weitreichende Nervenschäden kommen häufig dazu. „Na und?“, sagen nicht wenige Alkoholiker, es ist doch schließlich mein Körper. Die chronisch missachteten Sekundärfolgen übermäßigen Trinkens, durch erhöhte Unfallgefahr und verstärkte Aggressionsneigung beispielsweise, verursachen jedoch Jahr für Jahr immense Schäden und gefährden auch andere Menschen, oft mit verheerenden Folgen und bisher vernachlässigten Kosten, denn sie tauchen in Statistiken selten auf. .

Couch-Potatoes mit Hang zur Flasche

Ungeborene Kinder erleiden durch leichtsinnigen Alkoholkonsum ihrer Mutter gar nicht selten schwere unheilbare Behinderungen, z. B. werden Wachstumsstörungen, Fehlentwicklungen im Gehirn und körperliche Missbildungen besonders häufig diagnostiziert. Die betroffenen Kinder haben in der Schule Lese-, Rechtschreib- und Rechenprobleme. Sie können sich nicht konzentrieren und sind häufig von Hyperaktivität betroffen. Bei vielen Kindern alkoholabhängiger Mütter wird eine unterdurchschnittliche Intelligenz festgestellt. Ein guter Schulabschluss und ein Ausbildungsplatz sind mit solchen Voraussetzungen nicht leicht zu bekommen, was für diese Kinder die angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt extrem verschlechtert und das soziale Netz unserer Gesellschaft zusätzlich belastet. Deutschland hält beim Pro-Kopf-Konsum von Alkohol weltweit einen der Spitzenplätze. Viele Menschen trinken regelmäßig Alkohol in bedenklichen Mengen. Jeder zweite männliche Krankenhauspatient muss wegen alkoholbedingter Verhaltensstörungen behandelt werden.

„Schütt´ die Sorgen in ein Gläschen Wein“, singt schon der Volksmund. Probleme im Beruf oder mit dem Partner? Alkohol betäubt die Ängste und vernebelt den Blick auf ungute Gefühle oder Erlebnisse. Im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes mit seinen steigenden Arbeitslosenzahlen verfallen immer mehr „Frusttrinker“ dem Alkohol. Aus diesem Grund soll ab 2005 die Bundesagentur für Arbeit nicht nur Stellen vermitteln, sondern suchtkranke Arbeitslose bei ihrer Suchtbewältigung beraten und unterstützen.

Geschätzte zwei Millionen Kinder und Jugendliche wachsen in einem Elternhaus auf, in dem mindestens ein Elternteil alkoholabhängig ist. Jeder dritte von diesen Heranwachsenden ist extrem suchtgefährdet: Fast 70 Prozent der jugendlichen Drogenabhängigen wuchsen in einer Familie mit mindestens einem süchtigen Angehörigen auf.
Aber auch in „normalen“ Familien erleben schon kleine Kinder, wie ihre Eltern jeden Abend mit ein, zwei Flaschen Bier oder Wein vor dem Fernseher sitzen und dass zum geselligem Beisammensein, ob private Feier, Kindergarten- oder Schulfest, der Alkohol immer dazugehört. Sylvester dürfen viele Sprösslinge sogar ein Schlückchen Alkohol mittrinken. Kindergeburtstagsfeiern blieben bislang davon noch einigermaßen verschont, sofern man vernachlässigt, was viele der vermeintlich für Kinder geeigneten Süßigkeiten und Fertigtorten enthalten, für einen angeblich besseren Geschmack: Alkohol!.

Der Konsum von Alkohol wie auch von Nikotin wird nicht nur gesellschaftlich geduldet, sondern manchmal sogar richtiggehend gefordert. Man gehört nur dazu, wenn man in der rauchenden und trinkenden Welle mitschwimmt. Ein Nichtraucher, der sich über den blauen Dunst in seinem Büro oder in öffentlichen Gebäuden beschwert, wird ausgelacht und als empfindlich kategorisiert. Ein Abstinenzler, der keinen Alkohol trinken möchte, wird als Weichei verspottet. Nicht selten setzen die „lieben Kollegen“ alles daran, solche "sonderlichen Eigenbrötler" mit sanfter Gewalt zum Trinken zu verführen.

Rausch im Kinderzimmer

Für alkoholische Getränke und andere alkoholhaltige Produkte wird fleißig geworben. Der Markt ist riesig, und durch ansprechende Werbung wird für laufenden Nachschub an neuen Kunden gesorgt. In den Medien ist zu erfahren, wie gesellig ein Abend mit Freunden und Alkohol ist. Mit dem richtigen Bier oder Branntwein ist alles einfacher und schöner, zu einem gemütlichen Nachmittag am Strand mit Freunden gehört auch unbedingt das entsprechende Getränk – mit entsprechenden Prozenten versetzt, versteht sich!

Kinder wachsen mit dem auf, was Eltern und Werbung ihnen zeigen: Wer Alkohol trinkt, hat viele Freunde, gehört dazu, ist locker, cool, und beliebt. Die jungen, hübschen und erfolgreichen Menschen in den TV-Spots scheinen nur deshalb so erfolgreich zu sein, weil Alkohol zu ihrem beschwi(pst)ngten Leben gehört. Kindern und Jugendlichen fehlt die eigene Erfahrung, und damit das Unterscheidungsvermögen zwischen Wunsch und Wirklichkeit der Werbewelt. Die Werbung in Deutschland verherrlicht Alkoholgenuss in einer Weise, die Jugendlichen ein völlig unrealistisches Bild bietet. Die Suggestion, mit Alkohol ginge alles leichter, ist vor allem für diese Altersgruppe gefährlich, weil sie gewöhnlich schon genug Schwierigkeiten hat, denn die Pubertät ist nun einmal eine nicht unproblematische Phase. „Nüchtern bin ich schüchtern; nur voll bin ich toll“ scheint die Botschaft der Werbung zu lauten. Kein Wunder also, dass Jugendliche begeistert zu den neuen Getränken greifen, die wie für sie und ihre Probleme wie geschaffen scheinen.

Und genau das werfen Kritiker den Herstellern vor: dass sie ein Produkt hergestellt und auf den Markt gebracht haben, mit dem sie gezielt diese Heranwachsenden anlocken. Der süße, den Alkohol übertönende Geschmack, die poppigen Farben, die kleinen Fläschchen, die phantasievollen und originellen Namen der Gebräue sind vor allem für sehr junge Zielgruppen gemacht.
Durch zusätzliches Sponsoring von Musikevents und Sportveranstaltungen, gezielten Werbeaktionen, Gewinnspielen im Internet können sich die Jugendlichen dem Einfluss der Getränkeindustrie kaum entziehen und die Verfälschung der Realität wird perfekt - eine ganz eigene Welt wird geschaffen: Das Leben als rauschende Party. Verbraucherschützer versuchen bereits wegen verbotener jugendbezogener Werbung für alkoholische Mixgetränke etwas gegen die alkholschwangere, heile Teenie-Welt zu unternehmen. Und wie sehr diese im wahrsten Sinne "durchtränkt" ist, zeigen immer neue Untersuchungen, wie beliebt das sog. Koma-Saufen bei Jugendlichen gegenwärtig ist.

Es muss tatsächlich etwas geschehen. Dieser Meinung sind inzwischen nicht nur die üblich verdächtigen Spaßverderber, wie Eltern, Pädagogen oder Verbraucherschützer. Längst sind es nicht nur die unmittelbar betroffenen Kreise, die immer dringender vor den Konsequenzen des "Früh-an-der-Flasche-hängenbleibens" warnen, mit dem sich aktuell eine ganz fatale Entwicklung anbahnt, die gesamtgesellschaftliche Konsequenzen hat, z. B. u. a. für das Gesundheitssystem, und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern.
In den letzten Jahren ist die Zahl von Kindern und Jugendlichen, die regelmäßig Alkohol konsumieren, dramatisch gestiegen, bei sinkendem "Einstiegsalter": Einige sind erst 11 Jahre alt. Bereits die Hälfte der 11-Jährigen hat erste Erfahrungen mit Alkohol und lediglich 10 Prozent der 13jährigen haben noch nie Alkohol getrunken. Vor dem 14. Lebensjahr ist jedes zweite Kind mindestens einmal sturzbetrunken. Saufen bis zum Koma ist, wie gesagt, neuerdings „in“ beim Nachwuchs. Die Fälle von Alkoholvergiftungen bei Heranwachsenden haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Besonders bei den Mädchen erreicht der Alkoholmissbrauch z. Zt. traurige Rekorde.

Eine zentrale Rolle spielen dabei die Alkopops: ein Fläschchen enthält so viel Alkohol wie ein bis zwei Schnäpse. Durch die zugemischten Aromastoffe wird eine harmlose Limonade vorgegaukelt; der zugesetzte Zucker bewirkt, dass der Alkohol sehr schnell ins Blut gelangt. Die kleinen Fläschchen sind schnell leergetrunken; nach zwei Flaschen Alkopops hat eine normalgewichtige 15jährige einen Alkoholspiegel von 0.8 Promille – richtig zurechnungsfähig ist sie dann nicht mehr.
Etwa 250.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland sind alkoholabhängig oder zumindest extrem gefährdet. Je früher der Alkoholkonsum beginnt, desto größer ist die Gefahr, innerhalb kurzer Zeit süchtig zu werden und es zu bleiben.

Im Nachbarland Frankreich kündigte sich dieser Trend bereits einige Jahre früher an. Die französische Regierung belegte daraufhin 1996 alle Alkopops mit einer saftigen Extrasteuer, und zwar mit Erfolg. Seither werden sie in viel geringeren Mengen verkauft als zuvor. Nach den Niederlanden, Großbritannien und Irland zog nun auch die Schweiz nach. Bei den Eidgenossen sind seit Februar dieses Jahres Alkopops rund einen Euro teurer.

Schnaps im Saftregal

In Deutschland fruchteten bisher alle Appelle an die Spirituosenhersteller und Abmahnungen seitens der Verbraucherzentralen nichts.
Deshalb soll sie ab 1. Juli auch in Deutschland eingeführt werden, die Sondersteuer auf Alkopops. Nach monatelangen Diskussionen will man nun den Jugendlichen die alkoholischen Exzesse durch Preiserhöhungen unschmackhaft machen. Durch die „Strafsteuer“, wie sie manche nennen, verteuert sich – abhängig vom Alkoholgehalt - ein 275ml-Fläschchen um ca. 84 Cent.
Doch kann das Heranwachsende, in ihrem jugendlichen Leichtsinn, tatsächlich davon abhalten, weiter Alkohol zu konsumieren? Einige vielleicht, aber viele „Kids“ wissen schon, wie trotzdem an den begehrten „Alk“ zu kommen ist. Immerhin haben viele Eltern ihre Hausbar wohlgefüllt, jederzeit erreichbar für den Nachwuchs. Auch volljährige Geschwister und Freunde lassen sich gedankenlos dazu verleiten, Minderjährige mit Alkohol zu versorgen.

Einige Organisationen rechnen deshalb mit keiner tiefgreifende Änderung der Situation durch die Sondersteuer, zumal andere, zum Teil höherprozentige alkoholische Mixgetränke weiterhin normal besteuert werden. Ein Wechsel zu günstigeren Produkten würde den ganzen Sondersteuer-Aufwand wie eine Seifenblase zerplatzen lassen.
Juristen wiederrum wittern mit der Einführung einer Sondersteuer allein auf Alkopops sogar einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Das ist Wasser auf die Mühlen der Spirituosenindustrie. Eine gemeinschaftliche Verfassungsklage gegen die geplante Extrasteuer halten sie für durchaus erfolgversprechend.

Wie auch immer die Sache "Sondersteuer" ausgehen wird, ändern muss sich auf jeden Fall etwas, sagen immer mehr direkt und indirekt durch alkoholisierte Jugendliche Betroffene. Denn bisher war es viel zu einfach für die Jugendlichen, an Alkohol heranzukommen. Kioskbetreiber, Tankstellenpächter und Supermarktbesitzer haben sich dazu verpflichtet, das Jugendschutzgesetz einzuhalten, das laut § 9 Wein, Bier, Sekt und Obstwein erst für über 16-Jährige erlaubt. Sogenannter Branntwein sowie branntweinhaltige Spirituosen, zu denen auch die umstrittenen Alkopops gehören, dürfen sogar erst ab 18 Jahren verkauft werden.
Obwohl die meisten Heranwachsenden das sehr wohl wissen, versuchen sie ihr "Glück" immer wieder. In den letzten Jahren wurde es ihnen auch zunehmend leicht gemacht. Ob es der verantwortungslose Onkel oder Bruder, die leichtsinnigen Eltern oder ein gedankenloser Verkäufer ist – die blutjungen Kunden kommen zum Ziel. Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz sind keine Einzelfälle, das haben Stichproben mit jugendlichen Testkäufern ergeben.

Noch dramatischer ist die Lage seit Einführung der Alkopops. Viele Verkäufer waren sich auch gar nicht dessen bewusst, was sie da eigentlich in ihrem Laden anbieten. In ihrer Unkenntnis stellten manche die handlichen Fläschchen mit dem bunten Inhalt ins Saftregal anstatt in die Spirituosen-Abteilung, im festen Glauben, dass es sich um Limonade handelt. Sie hielten die poppige Flüssigkeit für ein Kindergetränk. Auch einige Eltern fielen auf Grund von Farbe und falscher Platzierung auf die Alkopops herein und kauften ihren Kindern nichts ahnend die begehrten Getränke.

Wird der Einzelhandel nicht eindeutig genug informiert? Nehmen die Verkäufer ihre Verantwortung dem Kunden gegenüber nicht ernst genug? Sind sie so überlastet, dass sie keine Zeit finden, sich das Etikett genauer durchzulesen, einen gesonderten Platz im Regal frei zu räumen und das Alter der Käufer genauer unter die Lupe zu nehmen? Oder haben sie durch die ständig neuen Schöpfungen der Getränkeindustrie den Überblick verloren? Es scheint von allem etwas dabei zu sein, der Mix macht die Gefährlichkeit genau wie bei den Alkopops.
Zum Teil ist sicher die ungenügende Etikettierung schuld. Der Alkoholgehalt wird häufig nur an unauffälligerer Stelle eher beiläufig erwähnt. In Zukunft soll deshalb ein deutlicher Aufdruck auf dem Frontetikett unmissverständlich darüber aufklären, dass diese Getränke erst an erwachsene Personen ab 18 Jahre abgegeben werden dürfen.

Wege aus der Einbahnstraße

Wie kann denn nun am wirkungsvollsten dem übermäßigen und viel zu frühen Alkoholkonsum der Heranwachsenden begegnet werden?
Der schwarze Peter wird wie immer erst einmal hin- und hergeschoben. Die Getränkehersteller sollen an der Entwicklung allein schuld sein, behaupten die einen. Sie hätten bewusst ihre neue Schöpfung speziell für Jugendliche kreiert und durch ihre Werbung genau diese Käufergruppe angesprochen.
Die Industrie weist die Verantwortung von sich und hält z. B. einen freiwilligen Verzicht auf die Vermarktung für inakzeptabel. Sie wiederum schiebt den Peter weiter und fordert von den Händlern einen verantwortungsvolleren Umgang mit den jungen Kunden inklusive schärferer Alterskontrolle. Gut wäre es, wenn diese Peter-Geschiebe endlich aufhören würde und beide, sowohl Industrie als auch Händler etwas Vernünftiges tun: ehrlicher werben, deutlicher deklarieren, mehr aufklären, informieren und z. B. ein „Gegenprodukt“ auf den Markt bringen - das wäre doch einmal eine echte Innovation und könnte dem Image einen angenehmen Anstrich verpassen.

Weitere Beteiligte im Alkopop-Teufelskreislauf: Die Bewirtungsbetriebe, sie sollten, wie schon vor Jahren gefordert, mindestens ein alkoholfreies Getränk anbieten, das deutlich preiswerter als Bier oder andere alkoholische Getränke ist.
Und schließlich, die Eltern, sie bleiben auch nicht verschont, weil im Zweifelsfall immer allein an allem Schuld, doch sie müssen sich der Kritik stellen: Sie sollen durch ihr Verhalten den Jugendlichen ein gutes Beispiel geben, indem sie eben nicht jeden Tag, bei jeder Feier, bei jeder sich bietenden Gelegenheit zur Flasche greifen.
Immerhin sind sich die Getränkehersteller durchaus des Ernstes der Lage bewusst. Die Alkopop-Steuer bedeutet Umsatzeinbruch, deshalb wird sie mit allen Mitteln zu verhindern versucht. Das Schachern und Feilschen ist im vollen Gange. Die Spirituosenindustrie hat sogar der Bundesregierung angeboten, eine Werbekampagne gegen zu frühen Alkoholkonsum zu finanzieren; im Gegenzug solle die Regierung von der Strafsteuer auf Alkopops absehen. Aber reicht eine Werbe-Kampagne wirklich?

Langes Herumlavieren bringt nichts mehr in der jetzigen Situation. Entschlossenes Handeln ist dringend geboten. Nationale Alleingänge einzelner Länder sind wenig erfolgreich, denn die Mobilität auch schon von Kindern und Jugendlichen ist so groß, dass sie sich den Alkohol im Nachbarland kaufen, wenn er ihnen zu Hause ausgeht, verwehrt wird oder zu teuer ist.
Nicht nur die strikte Einhaltung des etwas vernachlässigten Jugendschutzgesetzes muss aufgefrischt und angestrebt werden. Auch die Präventionsprogramme sollten erheblich ausgeweitet werden. Gesundheit und Prävention sollten im Allgemeinen viel mehr als bisher Gegenstand einer allgemeinen Schulbildung sein. Wie man weiß, sind nicht nur Alkopops gefährlich, z. B. ist das Handy als jugendliche Schuldenfalle bekannt und weder mit Alkohol noch mit Geld können sehr viele Kinder und Jugendliche in Deutschland besonders gut umgehen. Bis zu einem gewissen Grad kann man es ihnen aber beibringen!

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie wichtig es ist, dass die Entwicklung jetzt nicht verschlafen wird: Die gesetzlichen Krankenkassen geben zur Zeit nur rund 0.6 Promille ihrer gesamten Ausgaben für die Prävention sämtlicher Volkskrankheiten aus und erreichen damit nicht mehr als 0.5 Prozent aller Versicherten. Von dieser kleinen Gruppe belegen über 80% solche Kurse, die gesunde Ernährung und Bewegung zum Thema haben, lediglich in 0.5% aller Präventionskurse ging es tatsächlich um die Suchtvorbeugung. Die Präventionsmaßnahmen von Krankenkassen sowie Suchtberatungsstellen sind für Jugendliche zudem nicht besonders attraktiv, ganz abgesehen davon, dass es leider noch viel zu wenige vorbeugende Beratungen und Therapieplätze speziell für Jugendliche gibt. Die Rückfallquote nach einem Entzug ist deshalb zur Zeit enorm hoch, weil die anschließende Betreuung nicht geleistet werden kann.

Damit wirkungsvolle Strategien mit Abstimmung sämtlicher beteiligter Organisationen entwickelt werden können, ist eine nationale Stiftung für Prävention geplant. Nur so ist es dauerhaft möglich, die Volkskrankheiten, zu denen auch die Suchtproblematik gehört, in den Griff zu bekommen oder wenigstens einzudämmen.

Durch legale und illegale Drogen entstehen dem Gesundheitssystem und der gesamten Wirtschaft hohe Kosten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat errechnet, dass allein für die Behandlung alkoholbedingter Krankheiten 5 – 10% des Bruttosozialproduktes aufgewendet werden müssen. Deshalb will die WHO bis spätestens 2006 internationale Maßnahmen zur Suchtprävention, einschließlich einer deutlichen Reglementierung und Reduzierung der Werbung für alkoholische Getränke, umsetzen.

Quellen, Zahlen: ESPAD (Schülerstudie zu Alkhohol und anderen Drogen), Kraus et al; WHO, Drogenbericht der Bundesregierung, Ärztezeitung, Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung;


2004-06-01 Adelheid Salitz-Schatten, Wirtschaftswetter
Text ©Dr. Adelheid Salitz-Schatten
Grafik ©Angelika Petrich-Hornetz
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