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Hausfrauenrevolution - If pigs could fly

Interview mit Marie Theres Kroetz-Relin

von Angelika Petrich-Hornetz

RoseMarie Theres Kroetz-Relin, schöne und talentierte Schauspielerin, Tochter von Maria Schell und Veit Relin, heiratet Franz Xaver Kroetz, bekommt drei Kinder und ward nie wieder gesehen. So hätte es sein können. Ist es aber nicht. Marie Theres Kroetz-Relin ist wieder da und mischt sich selbst und die Öffentlichkeit mit der Hausfrauenrevolution auf - ein Projekt, welches als kleine Webseite startete und inzwischen zu einer großen, lebendigen und wachsenden Community geworden ist. Nun kam auch noch das erste Buch heraus, für das Kroetz-Relin auch als Herausgeberin fungiert.

Wirtschaftswetter : Wo gegen revoltiert die "Hausfrauenrevolution"?
Marie Theres Kroetz-Relin: Das Wort Revolution bedeutet „Umwälzen“. Die Hausfrauenrevolution will also eine Veränderung des gesellschaftlichen Wertes der Hausfrau. Annerkennung soll erreicht werden, Vorurteile sollen gekippt werden. Doch jede Veränderung beginnt bei uns selbst. Erst wenn wir eine Veränderung in uns zulassen, ein „Umwälzen“ unseres Ichs, können wir durch unser gestärktes Selbstbewusstsein auch nach Außen etwas bewirken.

Wirtschaftswetter : Wie sind Sie auf die Idee zu diesem Projekt gekommen?
Marie Theres Kroetz-Relin: Ich war 35, als mir klar wurde, dass meine Zukunftsaussichten als „Managerin zum Nulltarif“ sehr mager sein würden: kein eigener Verdienst, keine Rente, wenig Annerkennung, 24-Stunden-Job und berufliche Wiedereinstiegs-Chancen fast unmöglich. Und dann fragte ich mich: “Was mache ich, wenn die Kinder groß sind? Mein Mann wird schreiben, inszenieren, die Kinder werden studieren und ihrem Leben nachgehen ... Und ich? Fünfmal den gleichen Tisch putzen vor lauter Frust oder warten, bis eins der Kids die Schmutzwäsche vorbei bringt? Nein, danke!" Dazu kam, dass die Kreativität in mir schon lange gärte. Stellen Sie sich vor, Ihr Kreativpotenzial steckt in einem Schnellkochtopf, aber leider haben Sie kein Ventil dafür gefunden. Die Folge des innerlichen Drucks: Vereinsamung am Herd und schlussendlich auch Krankheit. Ich wollte mein Leben verändern und begann mit meiner Hausfrauenrevolution, die jetzt ein Portal für Kreativität und Kritik an der Gesellschaft ist, verpackt in ein Augenzwinkern.

Wirtschaftswetter : Hat sich Ihre Hausfrauen-Situation für Sie persönlich durch die größer werdenden Kinder verändert?
Marie Theres Kroetz-Relin: Aber sicher doch! Mit „zunehmendem“ Alter der Kinder verändern sich auch die Schwerpunkte in der Erziehung bzw. im Hausfrauen- Alltag. Solange die Kinder klein sind, trägt Frau ununterbrochen die Verantwortung für die noch hilflosen Wesen. Je größer die Kinder werden und langsam in die Selbstständigkeit wachsen, desto mehr muss Frau sich im Loslassen üben... auch nicht so einfach!

Wirtschaftswetter : Der Verband der Familienfrauen und -männer rechnet für eine Hausfrau mit zwei oder drei kleinen Kindern eine 72-Stunden-Arbeitswoche vor. Werden die Kinder älter, nehmen viele Frauen eine Teilzeittätigkeit auf - nicht selten zusätzlich zur Arbeit zu Hause, die sie dann weiter fast allein bewältigen: Kommt eine Mutter nie aus der 72-Stunden Woche heraus?
Marie Theres Kroetz-Relin: Wer sich fürs Muttersein entscheidet, hat diese intensiven Arbeitszeiten eben an der Backe, und das für einen langen Zeitraum bzw. Lebensabschnitt, mindestens 20 bis 30 Jahre. Und wenn man Pech hat, bei vielen Müttern nach dem „Ausgedient haben“, landet man in der Sackgasse Altersheim.

Wirtschaftswetter: Viele Frauen sagen, es seien gar nicht so sehr die Kinder, sondern neben der Suche nach vernünftiger Betreuung fehle es auffallend häufig an der Unterstützung durch den Partner: Wie sieht es bei Ihnen aus - kann Herr Kroetz Wäsche waschen?
Marie Theres Kroetz-Relin: Daran sind wir Frauen auch oft selbst schuld. Wenn wir unseren Partner nicht in die Mitverantwortung ziehen, brauchen wir uns auch nicht beschweren, wenn der „Herr“ nicht die Wäsche wäscht. In einer Beziehung sollte man nicht jede Arbeit als Selbstverständlichkeit nehmen. Kritik geht uns allen allzu leicht über die Lippen. Ein wohl verpacktes Lob im richtigen Moment, kann aber viel eher „Wunder“ bewirken. Mein Mann übrigens hilft sehr im Haushalt mit, ohne ihn und seine Unterstützung wäre ich mit meinen hausfrauenrevolutionären Tätigkeiten einfach aufgeschmissen. Und ich bedanke mich auch für´s Wäsche aufhängen.

Wirtschaftswetter: Etwa 15 Millionen "Nur-Hausfrauen" oder - wie Sie sie auf der Webseite nennen - "Managerinnen zum Nulltarif" leben in Deutschland. Manche sind der Meinung, Frauen hätten selbst Schuld, wenn sie ihre frühere Berufstätigkeit hinschmeißen und in die finanzielle Abhängigkeit geraten. Was entgegnen Sie?
Marie Theres Kroetz-Relin: Im ersten „Wahn“ des Verliebt seins und der rosa Zukunftsaussichten der „kleinen Familie“ vergessen viele Frauen, auch an ihre Zukunft zu denken. Was ist, wenn die Ehe scheitert? Daran wird im ersten Glück kein Gedanke verschwendet. Deshalb versuchen wir auch hier aufzuklären und die Frauen dazu anzuregen, sich für die Zukunft abzusichern. Etwas Unabhängigkeit tut jeder Ehe gut, denn dass uns der Staat in Notsituationen auffängt, darauf sollten wir uns nicht verlassen.

Wirtschaftswetter: Aus welchen Gründen sind Sie in die Rolle der Hausfrau "abgetaucht"?
Marie Theres Kroetz-Relin: Mit 21 war ich „zu blöd zum Verhüten“ und wurde von meinem Dichter schwanger. Und mit 28 war ich dreifache Mutter und schon 4 1/2 Jahre Milchlieferantin. Ich schulte um auf „Nur-Hausfrau“ - von da ab begann meine steile, dreifache „Karriere“ als Mutter und ich lernte schnell, was es bedeutet „wirklich“ zu arbeiten! Wer drei kleine Kinder zu Hause hat und diese „Wunderwerke“ heranwachsen sehen will, ist mit dieser Aufgabe auch rund um die Uhr beschäftigt. Dabei stellt sich die Frage nach einem „Abtauchen“ überhaupt nicht mehr.

Wirtschaftswetter: Wenn Sie das Zeitrad zurückdrehen könnten, würden Sie es noch einmal tun oder würden Sie alles ganz anders, etwas anders oder ein bisschen anders machen?
Marie Theres Kroetz-Relin: Ich würde das Zeitrad nicht zurückdrehen wollen. Alles hatte seinen Sinn in meinem Leben, das Positive wie das Negative. Die Erfahrungen, die ich gemacht habe, sind nun die Quelle meiner Kreativität. Was will ich mehr?

Wirtschaftswetter: Was möchten Sie in den nächsten Jahren persönlich für sich mit der "Hausfrauenrevolution" erreichen und was für andere Mithausfrauen und -männer?
Marie Theres Kroetz-Relin: Der Weg ist für mich das Ziel. Ich kann nicht voraussagen, was wir alles umsetzen können. Ich kann immer nur träumen und mir verrückte Projekte ausdenken. Wenn von 10 Projekten eins klappt, dann bin ich zufrieden. Dabei möchte ich nichts Großes verändern, aber viel Kleines. Und wenn ich „meine“ Frauen dazu bringe, mit mir viel Kleines zu verändern, erreichen wir damit auch irgendwann etwas Großes.

Wirtschaftswetter: Unterscheiden Sie zwischen kinderlosen Hausfrauen und solchen mit Kindern, oder werden Sie von beiden Sorten "Null-Tarif-Managerin" aufgesucht?
Marie Theres Kroetz-Relin: Bei uns gibt es einfach alles: Nur-Hausfrauen, Mütter, kinderlose Frauen, Hausmänner, Kinder, berufstätige Frauen .....die Jüngste bei uns ist 12 und die Älteste 75 Jahre alt. Gerade diese Vielfältigkeit macht den Austausch so spannend.

Wirtschaftswetter: Die Webseite "die Hausfrauenrevolution" ist gut gefüllt und gut besucht. Es gibt ein Forum, einen Chat, Treffen und jetzt auch ein Buch. Bleibt die Hausfrauenrevolution vor allem eine Community, oder in welche Richtung möchten Sie das Projekt weiter entwickeln?
Marie Theres Kroetz-Relin: Unsere Community verlässt immer mehr den virtuellen Raum und wird lebendig durch unsere Treffen. Freundschaften entstehen. Wo uns das Ganze hintreiben wird, kann ich auch nicht voraus sagen. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass wir Hausfrauen es eines Tages schaffen, uns so zu organisieren, dass wir verstärkt präsent sind, z.B. durch Revolutionshäuser.

Wirtschaftswetter: Auf der Webseite schreiben Sie selbst und andere Autoren über Ihre Erfahrungen, Gedanken, auch Gedichte u.v.m. - Genügend Kreative sind also vorhanden. Warum geben Sie kein Print heraus?
Marie Theres Kroetz-Relin: Tja, ein Print würde ich schon herausgeben, aber da fehlt es derzeit noch am nötigen Kleingeld. Das Buch ist aber schon der erste Schritt in diese Richtung, und wir arbeiten fleißig daran, das „zielgerichtete“ Schreiben umzusetzen, z.B. durch unseren regelmäßig erscheinenden Newsletter ...

Wirtschaftswetter: Zu Ihrem Buch, welches Anfang Oktober erschien: Was steht drin, wer sollte es lesen und warum?
Marie Theres Kroetz-Relin: Es ist ein Buch von Menschen für Menschen: Authentische Texte, mal heiter, mal nachdenklich, auch traurig, oft frech und sehr lebendig! Jede/r kann es lesen, vor allem, wenn er/sie etwas über Hausfrauen, Mütter, Beziehungen, Ehe, Erotik, den Alltag, die Einsamkeit wissen will. Jede/r wird sich irgendwo selber wieder finden in diesem Buch, denn jeder hat doch irgendwo auch eine Hausfrau daheim.

Wirtschaftswetter: Der Wiedereinstieg als Hausfrau auf einem Arbeitsmarkt ist nicht einfach, dennoch gibt es Hilfen. Sehen Sie in Wiedereinstiegs-Programmen und besserer Kinderbetreuung eine Lösung?
Marie Theres Kroetz-Relin: Wir müssen lernen, in unsere eigene Zukunft zu investieren. Durch wachsendes Selbstbewusstsein haben schon einige Frauen der Hausfrauenrevolution einen Wiedereinstieg in einen neuen Beruf gefunden. Die Kinderbetreuung in Deutschland ist ein großes Problem ... auch da würde ich gerne mit den „kleinen“ Dingen anfangen, wie z.B. einheitliche Schulzeiten. Damit wäre vielen Frauen schon geholfen!

Wirtschaftswetter: Die fehlende Bezahlung von Familien-Managerinnen ist auch eins der Themen in Ihrem Buch: Welche Wege aus dem Dilemma sehen Sie?
Marie Theres Kroetz-Relin: Wir können kein Gehalt vom Staat fordern, aber wir können für bessere Lebensbedingungen für Frauen und Kinder kämpfen. Das wäre schon ein wichtiger Schritt. Und den Politikern das Unwort „Humankapital“ als Bezeichnung für unsere Kinder wieder „entreißen“. Wie oben schon gesagt: Es wird höchste Zeit, dass wir uns selbst organisieren!

Wirtschaftswetter: Ist das Problem der kostenlosen Arbeitsleistung von Hausfrauen nicht schon hinlänglich bekannt und das Thema Hausfrauen-Gehalt endlos durchgekaut? Was fehlte Ihnen in der bisherigen Diskussion?
Marie Theres Kroetz-Relin: Die Anerkennung. Die fehlt. Oder müssen wir unsere Leistung immer nur über das Einkommen definieren?

Wirtschaftswetter: Die Bundesregierung plant, Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren auszubauen. Was denken Sie persönlich über Fremdbetreuung kleinerer Kinder?
Marie Theres Kroetz-Relin: Ich persönlich denke, dass kleine Kinder ihre Mama brauchen. Die ersten Entwicklungsjahre sind so entscheidend für ein Kind. Aber ich kann es mir leisten, so zu denken, ich bin privilegiert. Neue Projekte werden von Politikern immer wieder vorgeschlagen, aber sie reden viel und tun wenig. Einheitliche Schulzeiten wären ein erster Schritt.

Wirtschaftswetter: Immer weniger Akademikerinnen bekommen Kinder. Was meinen Sie, liegt es wirklich nur an den schlechten Betreuungsmöglichkeiten für berufstätige Mütter, oder können Sie noch andere Kriterien in Deutschland entdecken, die vielleicht bei der Entscheidung eine Rolle spielen?
Marie Theres Kroetz-Relin: Eine junge, studierende Frau hat fast keine andere Möglichkeit. Ihr Studium dauert bis ca. 28, dann 5-6 Jahre im Beruf ein Standbein suchen, und schon tickt die biologische Uhr. Die Realität ist doch, dass wir Frauen trotz Verhütungsmöglichkeiten gar nicht „frei“ entscheiden können, wann wir ein Kind bekommen wollen. Und Deutschland ist und bleibt Familien-unfreundlich. Leider.

Wirtschaftswetter: Einerseits erkannten auch Fachleute längst, wie wichtig der Vater in der Erziehung ist - auf der anderen Seite propagierten aktuell der Papst und einige EU-Politiker die sorgende Frau, die sich vornehmlich um Kindererziehung, Ehemann und andere kümmern solle. Was propagieren Sie?
Marie Theres Kroetz-Relin: Ich denke, beide Elternteile sind extrem wichtig für die Erziehung! Und was der Papst bzw. die Politiker sagen, interessiert mich reichlich wenig. Die meisten können bei der Erziehungsfrage ohnehin nicht mitreden: Sie haben nämlich keine Kinder!

Wirtschaftswetter: In das Bild der (deutschen) Mutter wird viel hinein gedeutelt und projiziert. Durch welches würden Sie die vorhandenen und hinlänglich bekannten Bilder gern ersetzen?
Marie Theres Kroetz-Relin: Ich möchte gern die Worte Hausfrau und Mutter neu definieren. Ich glaube, jede von uns ist einzigartig. Und wenn viele einzigartige „Tropfen“ auf den heißen Stein fallen, dann wird es auch kräftig zischen. Es liegt an uns, wie weit wir bereit sind, das verstaubte Bild neu aufzupolieren.

Wirtschaftswetter: Als Initiatorin der Hausfrauenrevolution sind Sie in der Öffentlichkeit wieder aufgetaucht. Können wir mit noch mehr öffentlicher Kroetz-Relin rechnen, vielleicht auch wieder mit der Schauspielerin?
Marie Theres Kroetz-Relin: Sicher können Sie mit mir in der Zukunft rechnen, auch in der Öffentlichkeit! Ich mache ab jetzt „Karriere als Hausfrau“ - als Schauspielerin bin ich als Mutter von drei Kindern jedem Arbeitgeber eher ein Dorn im Auge. Macht aber nichts, die Hausfrauen sind mir eh viel lieber: Denn wir leben das Leben und spielen es nicht.

Im Web: Marie Theres Kroetz-Relin

2004-11-18 von Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: © Angelika Petrich-Hornetz + Gesprächspartnerin Marie Theres Kroetz-Relin
Fotos Rosen "Edsel-Ford", ©Cornelia Schaible
Schlussredaktion: Ellen Heidböhmer
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