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Winzige Strukturen im globalen Denken

Ideen made in Germany: Neue Kontrollverfahren und Kooperationen sollen Masken fehlerfrei und die Chipproduktion günstig machen

von Annegret Handel-Kempf

Nanotechnologie, als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts gefeiert, wird die Welt nach Meinung von Experten grundlegend verändern. Am 21. Juni kamen sie in Darmstadt zum ersten Kongress zusammen, der sich mit den revolutionären Möglichkeiten des „immer kleiner, immer schneller“-Denkens in den Dimensionen von einem Milliardstel Meter am Beispiel der Informationstechnik befasst.

Foto-Maske Fotomaske sind ein potenziell profitables, aber auch enorm empfindliches Geschäft. Sie lassen keine halben Sachen zu und veranlassen Hersteller im Jahr 2006, komplette Weltmärkte zu besetzen. Auch mit Blick auf den erhofften, boomenden Zukunftsmarkt Nanotechnologie.

Immer kleinere Chips steuern die Welt

Kein Wunder, denn Chips sind überall: In Computern, Handys, Waschmaschinen und vielen Geräten des Alltags. Auf ihnen befinden sich Prozessoren, die regeln, steuern und Befehle umsetzen. Diese zentralen Verarbeitungseinheiten werden immer kleiner und schneller. Nicht nur, um mit Spielen und multimedialen Anwendungen Schritt halten zu können, sondern auch, weil es für die Hersteller Vorteile bringt: Kleiner ist gleich leichter und billiger.

Folge: Die Chips werden immer winziger und leistungsfähiger, sind allerdings in der Produktion zunehmend kostenanfällig. Die Branche bemüht sich derzeit um eine neue Strategie, die überbordende Entwicklungs- und Maskenkosten begrenzen soll.

Sorgfalt tut Not: So genannte Fotomasken sind für die Herstellung elektronischer Bauteile elementar. Bei den Masken, die ähnlichen einem zu belichtenden Film funktionieren, handelt es sich um Nanotechnologieprodukte aus hochreinem Quarz oder Glas. Die Nanostrukturen auf ihnen geben vor, wie der zu bauende Chip später funktioniert.
Doch Fotomasken und ihre Bearbeitung schwingen sich zu Kostenhöhenflügen auf. Am stärksten schlägt aktuell die Prüfung von Fotomasken in Masken-Shops bei den Herstellungskosten zu Buche.

Verlagerung vom „Lab“ zum „Fab“

Umfassende Prüfsysteme für die Suche nach Fehlern finden darüber hinaus zunehmend ihren Weg vom Labor in die Fertigung der Wafer-Fabs, wodurch auch die Betriebskosten für Chiphersteller nach oben zu schnellen drohen. Mängel und neue Problemherde, beispielsweise allmählich entstehende, progressive Defekte, sollen direkt vor Ort entdeckt und bekämpft werden.
Ist eine Reparatur rentabel, werden weniger defekte Chips als Ausbeute beklagt. Doch auch Messtechnik und Anlagen für die Maskenreparatur sind teuer. Ionenstrahl- und Lasersysteme sind bisher die Hauptreparateure für Maskenfehler.

Immer neue Hürden tauchen auf, die es zu überwinden gilt: Ursprünglich erwies sich die Analyse der Masken im Labor als teure Bremse, dann das Material, jetzt die Notwendigkeit einer Analyse im Herstellungsprozess. An der so genannten „Lab to Fab-Transmission“ arbeitet unter anderem ein Dreier-Team, das aus dem Dresdner Fraunhofer-Center Nanoelektronische Technologien (CNT), sowie AMD und Infineon besteht, und sich beispielsweise mit der erforderlichen Hardware und Installation beschäftigt.

Elektronen-Strahl „Transparente Analytikmodule aus dem Labor müssen in die Massenproduktion gebracht werden“, erläuterte Dirk Stenkamp, Vorsitzender der Geschäftsführung Carl Zeiss NTS GmbH, die zur Oberkochener Ideenschmiede Carl Zeiss SMT AG gehört, im Frühjahr 2006. „Dort arbeiten sie mit einem deutlich höheren Durchsatz und führen in der Summe zu exakteren Ergebnissen“.

Ausbauen, statt neu anschaffen

Damit nicht für jedes Analytikmodul eine neue kostspielige Plattform eingekauft werden muss, arbeitet Zeiss daran, die Komplexität zu reduzieren. Auf diese Weise wollen die Oberkochener den Kunden eine Plattform-Verwendung bieten, die sich auf wechselnde Anforderungen und wachsende Leistungsansprüche flexibel einstellt.

Auf der Semicon Europe 2006 in München stellte Carl Zeiss NTS die Nano-Workstation NEON vor, die auf der Plattform eines hochauflösenden Elektronenmikroskops mit einer Gemini Elektronenstrahlsäule basiert. Später können eine Ionenstrahlsäule und ein Gasinjektionssystem, das die chemischen Prozesse kontrolliert, integriert werden. Heraus kommen soll nach mehreren Investitionsphasen des Nutzers ein komplettes CrossBeam System als flexibles, anwendungsspezifisches Tool. Zusätzliche Detektions- und Analyseprogramme, beispielsweise ein Massenspektrometer, das etwa zur Messung der Häufigkeit von Ionen und deren Massenfragmenten dient, sind konfigurierbar. Die Nano-Arbeitsstation soll so auch für sehr anspruchsvolle Anwendungen in der Nanotechnologie, Materialanalyse und biomedizinischen Forschung einsetzbar sein.

Hohe Auflösungen mit großen Ansprüchen

Die Chiphersteller sind mit ihren aus Leiterbahnen und Transistoren bestehenden Strukturen auf dem Weg zur 45 Nanometer-Dimension. Dies war auch der Anspruch von Nikon jüngst auf der Fachmesse Semicon. Ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter. IBM meistert Insidern zufolge bereits die 29 Nanometer-Marke, was bedeutet, dass knapp zwanzigtausend Leiterbahnen nebeneinander gelegt, gerade einmal die Dicke eines menschlichen Haares erreichen.

In diesen Winzigst-Strukturen würden die mit Atomkraft agierenden Ionen mit ihrer geballten Power bei der Reparatur von Masken mehr zerstören als nützen. Deshalb wird zunehmend auf die sanfteren Elektronenstrahlen gesetzt. Licht, als Alternative, stößt an seine physikalischen Auflösungs-Grenzen.

Nano-Wafer Obwohl er eine Wellenlänge besitzt, ist der Elektronenstrahl keine elektromagnetische Welle, wechselwirkt jedoch stark mit Materie. Zudem können Elektronenstrahlen, anders als Ionenstrahlen, auch große Flächen atomisch genau vermessen. Für die vier bis fünf Unternehmen, die weltweit Elektronenstrahlmess- und Reparatur-Systeme produzieren, stehen die Zeichen im Zeitalter der Nanotechnologie somit auf Ausbau dieses Feldes.

Engagement der Elektronenstrahlen

Die Carl Zeiss SMT hat in enger Zusammenarbeit mit NaWoTec das Elektronenstrahl basierte Maskenreparatursystem MeRiT MG entwickelt. Es kombiniert die Gemini Rasterelektronen-Mikroskop-Plattform mit dem Gasinjektionssystem von NaWoTec, das die chemischen Prozesse bei der Maskenreparatur kontrolliert. Das MeRiT MG System ist auch für die Behebung von Schäden an zukünftigen Masken für die Mikrolithografie ausgelegt. Dies gilt für Chip-Strukturen von 65 Nanometer und darunter, sowie für Masken der zukünftigen EUV-Lithografie. Mit dem kombinierten Produktportfolio der von SMS entwickelten AIMS-Technologie und MeRiT hat der Geschäftsbereich Semiconductor Metrology Systems der Carl Zeiss SMT eine Komplettlösung für die Evaluierung von Maskenfehlern, deren Reparatur und der anschließenden Prozesskontrolle in einer Hand.

„Noch ist der Marktanteil unserer Maskenreparatur in Jena gering, da das bislang fokussierte Ionensteuerung und Laser machen“, berichtet SMS-Geschäftsführer Oliver Kienzle, ein Dreiviertel Jahr nach der Eingliederung von NaWoTec in SMS. „Doch diese beiden Technologien reichen nicht für künftige Auflösungen“.

Auf der Suche nach dem perfekten Print

Die Zeiss-Manager sind viel in Fernost unterwegs. „Im Maskenbereich geht der Trend enorm zu Asien. Alle neuen Shops werden dort aufgebaut, die Anwender sind dort“, berichtet Frank Averdung, Vorsitzender der Geschäftsführung von Carl Zeiss SMS. „Mittelfristig werden fast alle in Asien sein“. Für eine präzise Fertigung gehe es darum, wo das Know How ist. Allen sei eine Frage gemein: „Was muss ich machen, damit die Maske richtig printet?“

Mit 125 Millionen Euro Umsatz verzeichneten Process Controll Solutions (PCS), denen Stenkamp vorsteht, bei Carl Zeiss SMT im vergangenen Geschäftsjahr eine zwanzigprozentige Steigerung. 540 Millionen Euro Umsatz fuhren Lithography Imaging Solutions ein. „Erste Systeme der Elektronenstrahlbasierten Maskenreparaturlösung MeRiT MG gehen Ende des Jahres mit 50 Nanometern Auflösung in Produktion“, kündigte Hermann Gerlinger, Vorstandsvorsitzender der Carl Zeiss SMT AG, im April auf der Semicon Europe 2006 an.

Japanisch-deutsche Kontrolle des Herstellprozesses in der Halbleiterfertigung als Ziel

Bereits besiegelt ist seit Anfang des Jahres die strategische Partnerschaft zwischen Carl Zeiss Nano Technology Systems (NTS), die zur 1900 Mitarbeiter zählenden Carl Zeiss SMT AG gehört, und der japanischen SII NanoTechnology (SIINT), einem Tochterunternehmen von Seiko Instruments Incorporation. Sie wollen in Vertrieb, Service und Applikationsunterstützung von Elektronen- und Ionenstrahl basierten Abbildungs- und Analysesystemen zusammen arbeiten. Gerlinger spricht von einer „Kombination der auf dem Weltmarkt führenden Technologien für LAB- und FAB-Anwendung durch gemeinsame Entwicklung“.

Reinst-Silizium Die Allianz zwischen den jeweils seit 125 Jahren bestehenden und auf der Grundlage einer ähnlichen Philosophie agierenden Traditionsunternehmen wurde von NTS-Chef Stenkamp mit mehreren Jahren Vorlauf behutsam angestoßen. „Die Partner sind in die Firmenkultur integrierbar“, sagt Stenkamp. „Sie können vom Brand des jeweils anderen profitieren. Zeiss wird in Japan sehr hoch geschätzt.“

Marktführerschaft in der Nanotechnologie angestrebt

Ziel sei es, gemeinsam zum globalen Marktführer für Systemlösungen rund um die Nanotechnologien zu werden. Zusammen sollen neue Errungenschaften für die Nanotechnologie entwickelt werden, speziell um den Herstellprozess in der Halbleiterfertigung zu kontrollieren. Dazu planen beide Unternehmen eine Zusammenführung ihrer jeweiligen Produkt- und Lösungsportfolios mit Raster- und Transmissionselektronenmikroskopen (SEM / TEM), fokussierten Ionenstrahlsystemen (FIB), sowie Röntgenfluoreszenzsystemen (XRF) für Abbildung, Analyse und Messung im Nanometerbereich.

250 Millionen Euro Umsatz will Zeiss SMT im Jahr 2010 mit Process Controll Solutions erwirtschaften, ein Viertel davon aus der Kooperation mit SIINT. Angepeilt werden doppelte Marktanteile bei SEM, Cross Beam und TEM.
Stenkamp freut sich darüber, einen Fuß in den japanischen Markt gesetzt zu haben: „Die Verbindung unserer leistungsstarken Gemini Rasterelektronenmikroskop-Technologie mit der weltweit führenden Ionenstrahl-Technologie von SIINT schafft für den Kunden einen signifikanten Mehrwert. In der Kombination dieser Systeme entsteht ein einzigartiges, global verfügbares Produkt- und Lösungsportfolio für zukunftsweisende Forschung und industrielle Anwendungen in der Nanotechnologie."

Dr. Hiroyuki Funamoto, Präsident und CEO von SIINT, das sich im Vertrieb auf den asiatischen Raum, besonders Japan, konzentriert, während sich NTS um Europa, Amerika und „den Rest der Welt“ kümmern will: „Beide Partner bringen einzigartige Kompetenzen in diese Zusammenarbeit ein, mit dem Ziel weltweiter Technologieführerschaft.“

Nano-Mitarbeiter

Hightech mit Bodenhaftung

Ein absehbares Ziel der Nanotechnologie ist die weitere Miniaturisierung der Halbleiter- und der Optoelektronik. Ihre Haupttreiber sind Elektronenstrahlen. In der Medizin offerieren Nanopartikel die Chance, neuartige Diagnostika und Therapeutika zu entwickeln, zum Beispiel die Magnetresonanztomographie.

Der Nutzen von Neuentwicklungen in der Nanotechnologie und bei Prüfsystemen liegt nicht nur in Preisbegrenzungen und Innovationssprüngen, sondern ist auch im Alltag, und vor allem in Sicherheitsfragen, zu spüren. Ein Beispiel:
Wie häufig müssen Flugzeuge gewartet werden - nach 10 000 Betriebsstunden oder früher, um kein Risiko einzugehen, oder später, um unnötige Kosten zu vermeiden? Wie Markus Wiederspahn von SMT am Rande der Semicon berichtete, hat die Royal Air Force nach Verwendung des Elektronenstrahl-Inspektions-Systems Supra 25 einen anstehenden Wartungszyklus vorgezogen. Grund: „Die Maschine wäre sonst runtergefallen“, so Wiederspahn.
Ausschließlich die Royal Air Force setze weltweit an ihren Stützpunkten eine Cat Scan-Blackbox ein, die das Prozess spezifische Tool integriere, sowie automatische Checks und Meldungen vornehme.


2006-07-01 by Annegret Handel-Kempf, Wirtschaftswetter
Text: ©Annegret Handel-Kempf
Illustrationen: ©Angelika Petrich-Hornetz
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