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Notizen aus den USA

34. Folge

Deutsch oder nicht deutsch, was für eine Frage

von Ines Kistenbrügger

Illustration, Chor Neulich sagte mein Herzallerliebster: Deutsche lieben mich. Du bist das beste Beispiel. Er ist der Meinung, dass er eine deutsche Persönlichkeit habe und somit sehr gut mit der deutschen Mentalität und Kultur zurecht käme. Aber, kann es sein, dass jemand deutsch ist ohne deutsch zu sein?

Ich bin eindeutig als Deutsche zu erkennen. Pünktlich, ein wenig arrogant wirkend, und sehr schnell von der amerikanischen Langsamkeit genervt. Zum Beispiel kann ich mich bei jedem Gang zur Post jedes Mal innerlich aufregen, denn ich habe noch NIE Menschen gesehen, die sich so langsam bewegen, wie die Frauen hinter dem Schalter. Zu einem einfachen Briefmarkenkauf muss ich mindestens fünfzehn Minuten mitbringen. Selbst wenn es keine anderen Kunden gibt. Amüsant und irreleitend ist hingegen das Schild an den Postparkplätzen, dass die Postkunden warnt, diese seien nur für fünfzehn Minuten lange Postgänge gedacht und nicht noch für andere Einkäufe zu benutzen. Wirklich witzig. Das einzige Mal, dass ich weniger als fünfzehn Minuten dort geparkt habe, war, als ich leider aus Versehen nach Dienstschluss versucht hatte ein Paket aufzugeben.

Seit ungefähr einem Monat ist nun auch der Briefmarkenautomat kaputt. Irgendwie scheint sich aber keiner dafür zu interessieren diesen zu reparieren. Wie auch, denn im Schalterraum warnt auch schon ein neues Schild: Wir entschuldigen die Verzögerungen und Wartezeiten. Es wird gerade ein neues Softwareprogramm eingeführt. Dieses Schild hängt dort nun schon seit zwei Monaten. Und tatsächlich. Seitdem sind die Wartezeiten noch absurder.

Ich bin also deutsch. Sehr direkt - und geradezu unhöflich in dieser Direktheit. So zuckt meine Schwiegermama immer noch heftig zusammen, wenn ich ehrlich sage, dass ich zum Beispiel Ananaskuchen nicht mag und daher kein Stück möchte. Also muss ich eine Diät, generelles Sattsein, oder Magenverstimmung vorschieben, wenn ich einmal auf etwas am Tisch verzichten möchte. Amerikanisch sein bedeutet alles durch die Blume zu sagen oder man fällt negativ auf.

Wer wäre dann italienisch? Jemand, der gerne Pizza isst, oder muss es schon jemand sein, der viel redet und auch noch den Pizzakäse unter dem Belag mag? Hier in Ferndale sind die echten Italiener daran zu erkennen, dass sie seit dem Fußballweltmeisterschaftsendspiel eine italienische Flagge vor der Tür hängen haben.
Deutsche Schreiber erkennt man wiederum daran, dass diese Endlosworte erfinden, für die es in anderen Sprachen mindestens einen Satz braucht wie zum Beispiel Fußballweltmeisterschaftsendspiel. Ist Deutsch nicht eine schöne Sprache?

Vielleicht bin ich aber auch einfach nur deutsch, weil ich an der Tür ein Schild mit den deutschen Worten Herzlich Willkommen angebracht habe. Wer weiß das schon. Mein Mann ist einfach nur deutsch, weil er die deutsche Sprache beherrscht, und bei den Deutschen so beliebt, weil er einfach einen witzigen Akzent hat, wenn er redet.

Vielleicht hängt aber auch alles nur von der Position des Betrachters ab. So wie alles im Universum. Wahrscheinlich werde ich von Asiaten nur als eine westliche Frau erkannt. Denn letztendlich sind alle weißen Frauen nahezu nicht unterscheidbar, weil sie alle gleich aussehen. Bis auf die Haarfarbe. Und Haare kann man ja auch färben.


Detroit, 2006-09-06 by Ines Kistenbrügger, Wirtschaftswetter
Text: ©Ines Kistenbrügger
Illustration: © Angelika Petrich-Hornetz
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