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Les Jeunes - Ach, diese Jugend von heute!

Auch zu Beginn des 21. Jahrhunderts löst der heutige Nachwuchs den altbekannten Stoßseufzer aus

von Birgid Hanke

Les Jeunes, Foto Cornelia Schaible

Die einen lesen Mangas, ja, zeichnen diese japanischen Comics selbst schon mit zwölf Jahren in professioneller Qualität, aber Bücher interessieren sie nicht. Die anderen besorgen sich den noch nicht übersetzten Harry Potter über das Internet und verschlingen die englische Originalversion in zwei Tagen und Nächten. Sie hören Aggroberlin, den deutschen Gangastrap, und haben horrende Handykosten, die wiederum verursacht vom Herunterladen polyphoner Klingeltöne oder Folge endloser Simserei
Girlies hyperventilieren reihenweise bei den Konzerten der Band Tokio Hotel , ehe sie das Bewusstsein verlieren. Der von der androgynen Boy-Group ausgelösten Hysterie fallen schon Achtjährige zum Opfer.

Zwischen Hardcore und HipHop, Gothic und Graffiti und noch so vielen anderen Richtungen mehr, haben die Kids von heute die Qual der Wahl. Greaser, Hooligans und Rapper , Streetballer und Trainssurfer tummeln sich in ihren jeweiligen Szenen. Nach wie vor beleben Punks mit ihren stacheligen Figuren das Stadtbild. Auch Skinheads sind noch lange nicht ausgestorben. Alle erkennbar an ihren jeweiligen Dresscodes. Die Jugend? Sie über einen Kamm zu scheren? Ausgeschlossen!

Selbstdarstellung ist cool. Gut aussehen, ganz bestimmten äußeren Normen zu entsprechen, bedeutet existentielle Notwendigkeit. Vierzehnjährige Lolitas plauschen in TV-Talkshows mit frühreifer Offenheit über die Notwendigkeit ihrer Brustvergrößerung. Hingegen tun sich Mama und Papa in ihren satten Vierzigern immer noch etwas schwer mit dem richtigen Erwachsenwerden. Diese Berufsjugendlichen sind ihren Kids wiederum nur noch ober-peinlich.

Längst sind sie ihren Eltern an Wissen und Können überlegen, was die modernen Medien und die sich daraus entwickelnden neuen Kommunikationsformen anbelangt. Nicht Kinder lernen mehr von Eltern, sondern Eltern und Großeltern lassen sich von ihrem Nachwuchs in die Raffinessen und Tücken des neuen Computers, eines Handys oder des gerade angeschafften DVD-Players einweisen. Denn die Kids sind immer auf dem neuesten Stand der Technik und haben daher bei wichtigen familiären Anschaffungen ein entscheidendes Wort mitzureden.

Scouts sind ständig weltweit unterwegs, um in den Metropolen die neuesten Trends aufzuspüren und sie kommerziell für genau diese Zielgruppe zu vermarkten. Der Hype von heute Morgen ist am Abend bereits mega-out, am nächsten Tag vielleicht schon Retro und damit wieder mega-in.

Längst out sind Dates. Feste Verabredungen gibt es nicht mehr, sondern man dirigiert sich per Handy quer durch die Stadt, immer auf der Suche nach dem nächsten, aufregenderen Event. Unverbindlichkeit lautet die neue Verbindlichkeit.

Gewiss ist nur eines

Eine einheitliche Jugendbewegung gibt es nicht, sondern es existiert eine Unzahl von Gruppen, denen sich die Jugendlichen beliebig anschließen und genauso schnell wieder davon lösen können. Sie durchlaufen mehrere Szenen nach- oder gar nebeneinander, ohne tief darin verwurzelt zu sein.

Mehr denn je und wichtigster emotionaler Bezugspunkt ist jedoch die Clique, mit der man sich mehrmals wöchentlich trifft. Kristallisationspunkt stellen hier Lifestyle und Ästhetik und keineswegs sachliche oder gar ethische Zielsetzungen dar.

Jugend bedeutete einstmals Rebellion, gegen die Eltern, gegen die Gesellschaft, gegen den Staat, gegen überkommene Werte, also das Bestehende an sich.

Auf den ersten Blick scheint bei der heutigen Jugend davon keine Rede mehr zu sein. Aber in den vergangenen Jahren hat eine bemerkenswerte Veränderung der Werteorientierung stattgefunden, stellt, darob selbst ein bisschen erstaunt, der bekannte Jugendforscher Klaus Hurrelmann fest. Selbstbestimmung, Lebensgenuss und Kreativität, die postmaterialistisch besetzten Werte der Eltern, sind bei den jungen Menschen in den Hintergrund getreten. Sie haben stattdessen Fleiß, dem Streben nach Sicherheit, Ordnung und Orientierung Platz gemacht. Haben genau das nicht die Großeltern, mittlerweile sogar Urgroßeltern getan? Ist dieser Wertewandel aber nicht eine ganz natürliche Reaktion auf die Kurzlebigkeit?

Eine interessante Prognose wagte im Sommer 2006 der Katalog der großen Jugendausstellung in der Frankfurter Schirn: Der Rebell von morgen ist der junge Mensch, der auf keinen Fall typisch jugendlich erscheinen will. Old is the new Young.

Damit widersetzt sich diese Generation jedoch dem gesellschaftlich herrschenden Jugendwahn und tut das, was sie seit Jahrtausenden macht: Sie rebelliert gegen die herrschenden Normen.

Also doch.

Wir können also tief durchatmen und uns ganz entspannt zurücklehnen.


2006-10-01, Birgid Hanke, Wirtschaftswetter
Text: © Birgid Hanke
Foto, Banner: © ap

Foto: © Cornelia Schaible

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