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Notizen aus den USA

35. Folge

Für mich nur das Beste

von Ines Kistenbrügger

Bild Buäääh, Link Wirtschaftswetter Wie schön ist es, dass die Welt sich nur um mich dreht. Und das auch jeder genau weiß, was für mich das Beste ist. Ich wäre jämmerlich auf mich selbst angewiesen, wenn sich nicht so häufig Menschen und Firmen erbarmen würden, für mich zu denken und mir bei meiner Lebensbewältigung zu helfen.

So komme ich gerade von der Bank, bei der ich ein Konto für meinen Sohn eröffnen wollte. Naiv wie ich bin, dachte ich nicht an die Sicherheit des Kontos vor Identitätsdiebstahl und vergaß doch tatsächlich die Sozialversicherungsnummer meines Sohnes mitzunehmen. Nur mein Ausweis und seine Geburtsurkunde waren als Identitätsnachweis einfach nicht ausreichend. Man hätte annehmen können, ich wollte Geld abheben und nicht einzahlen. Somit konnte ich dann nach dreißig Minuten Wartezeit unverrichteter Dinge wieder nach Hause zurückkehren. Aber immerhin hat die Bank für mich nachgedacht und dafür gesorgt, dass meine, bzw. die Identität meines Sohnes gesichert ist. Ich brauche nur die persönlichste aller Nummern in ein Kästchen in dem Antrag für das neue Konto einzutragen und darauf hoffen, dass die Nummer dann auch tatsächlich sicher verwahrt bliebe. Nun gut. Dann werde ich eben morgen wieder zur Bank fahren, um das Konto dann tatsächlich mit all den wesentlich wichtigen Nummern zu eröffnen. Aber wie mir die Bankangestellte versicherte, dieses Verfahren sei nur zu meinem Besten.

Zu meinem Besten ist auch die neue Möglichkeit hier in den USA steuersparend Krankenrechnungen zu bezahlen, sei es in der Apotheke als auch beim Arzt. Eine Gesetzesregelung sieht nämlich vor, dass auf Geldausgaben für das Gesundwerden keine Einkommenssteuern zu bezahlen seien. Juchhuu, da freut sich der Gesundheits-Konsument. Es gibt da nur einen kleinen Haken. Die jährlichen Ausgaben müssen voraussichtig geschätzt werden und die Steuerersparnis gilt nur für einen Maximalbetrag bis rund $2000. Es wird einem dann so eine Art Kreditkarte zugeschickt, mit der dann alle Kosten und Rechnungen zu begleichen sind. Die geschätzte Geldsumme wird vom Arbeitgeber direkt am Anfang des Jahres vom Gehalt abgezogen. Wehe, die Karte wird missbraucht und für anderes als medizinisch Notwendiges verwendet, dann werden saftige Strafgebühren fällig.
Der Sinn der Karte ist der, dass nun der Konsument die Möglichkeit hat, bei den Ärzten Bargain-Shopping zu betreiben, sprich nach dem günstigsten Angeboten zu suchen. Da nehmen wir dann nicht die Blinddarmoperation für $600 im normalen Krankenhaus, sondern lieber die für $495 in dem Ärzte-Ausbildungscenter. Wie gut, dass wir verglichen haben.

Was passiert, wenn man sich im Dezember 2005 verschätzt hat und mehr Geld braucht als die gedachten $1000? Dann bezahlt man den überschüssigen Betrag inklusive aller Steuern aus der eigenen Tasche. Aber das schönste ist, wenn man zu viel geschätzt hat, dann verfällt zum Jahresende das Geld. Futsch, einfach weg, dem Staate als Gewinn zugeführt. Das erfreut mein Herz besonders, denn wie hätte ich sonst dem Staat für dieses tolle und sinnreiche System meinen Dank aussprechen sollen. Doch am besten in Form einer geldreichen Spende? Da kann ich nur hoffen, dass ich meinen Optimismus in Zukunft behalte, und ja meine Ausgaben immer schön unterschätze und auch nie ernsthaft unerwartet krank werde.
Wäre dieses System nicht eine ebenso tolle Sache für das marode Gesundheitssystem in Deutschland?

Noch viel besser finde ich allerdings, die vielen, vielen Anrufe, Besuche und Briefe von Charity-Organisationen, die sich nun zum vierten Quartal des Jahres wieder zu häufen beginnen. Somit weiß ich genau, was ich mit dem Geld mache, dass ich dieses Jahr nicht für Krankenrechnungen ausgebe. Brustkrebserkrankten, Leukämiepatienten, Tieren, Authismus-Betroffenen, Katrina-Opfern (ja, immer noch), Tänzern, Kindern, Obdachlosen, der Symphonie, dem Zoo, dem lokalen Radiosender, oder dem Theater: Allen kann man helfen. Nicht nur durch Geldspenden, sondern auch durch den Kauf von bestimmten Produkten und Büchern, oder Zeitschriftenabonnements - sogar insbesondere durch den Kauf dieser Produkte. Abonnements kriegt man sogar billiger. Deshalb bekommen mein Mann und ich jede Woche fünf Zeitschriften zugeschickt.
Nein, einen Scheck nehmen wir erst ab $25, sagte uns neulich ein fünfzehnjähriger Junge, der versuchte, durch den Verkauf von Abonnements, seiner eigenen Collegeausbildung mehr Geld zuzufügen und gleichzeitig für obdachlose Kinder zu sorgen. Leider hatten wir kein Bargeld und mussten somit den $15-Scheck, der für ihn gedacht war, dem Vertreter der Organisation zum Schutz der Reinheit des Wassers, der bereits auf unser Grundstück abgebogen war, zukommen lassen.

Formulare, Link Wirtschaftswetter Manchmal finde ich diese Briefe allerdings nicht zwischen all den Katalogen und Wurfsendungen, die täglich meinen Briefkasten zum Überquellen bringen. Gestern waren es, ohne dass ich übertreibe, 7 Kataloge und 8 Wurfsendungen. Somit lerne ich dann von den wichtigsten Angeboten und kann die vielen kleinen Gutscheine ausschneiden und beim nächsten Shopping mitnehmen. Denn warum sollten die Preise direkt reduziert werden, es ist doch viel einfacher und besser für den Konsumenten, wenn dieser Coupons sammeln kann. Dann weiß dieser nämlich doch auch gleich, wonach er beim Einkauf suchen muss.

Ich für meinen Teil bin jedenfalls froh, dass so viele Menschen darüber nachdenken, wie sie mein Leben einfacher und besser gestalten können. Ja, ich wüsste sonst nichts mit meiner Zeit ohne Rechnerei, Vergleichen von Ärzten und deren Kosten, Couponausschneiden, Abwimmeln von Anrufen und Leuten an der Tür, und ständig zu irgendwelchen Banken und Behörden fahren, anzufangen. Jetzt habe ich zumindest einen kostenlosen Zeitvertreib, denn ein Hobby kann ich mir nun eh nicht mehr leisten.


Detroit, 2006-10-01 copyright by Ines Kistenbrügger, Wirtschaftswetter
Text: 2006 © Ines Kistenbrügger
Illustration: 2006 © Angelika Petrich-Hornetz
Foto Themenbanner: 2006 © Ines Kistenbrügger
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