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CSU bundesweit

Die Lösung für alle unsere Probleme - und die CDU in den bayerischen Landtag?

von Angelika Petrich-Hornetz

Was die aktuelle CSU-Spitze derzeit nicht nur auf Bundesebene anrichtet, wird den Bundesbürgern nun mehrmals täglich in jeder Nachrichtensendung serviert. Jeden Abend Markus Söder auf den heimischen Bildschirmen, mitten im Wohnzimmer. Es gab wahrlich schon bessere Zeiten.
Spiegel-Online (Spon) war es am 20. Juni, ausgerechnet am Flüchtlings-Welttag, die Mittwochs-Schlagzeile wert. In knallroten Großbuchstaben war zu lesen: "Mehrheit wünscht sich bundesweite CSU". Darunter dann klein und in schwarz: "Spon-Umfrage". Vielleicht sagt das mehr über die Spon-Leser aus, als es die Signal-Schlagzeile darüber zu suggerieren versuchte, die mit dem zeitlichen Abrutschen in die Nachrichten-Archiv-Peripherie dann sogar allein übrig blieb. Nichtsdestotrotz bliesen Seehofer, Söder, Dobrindt und Scheuer nicht nur zum Halali auf die Kanzlerin, sondern wurden in gewohnter, selbstzufriedener Manier derart medienpräsent, dass man in Deutschland nur noch abschalten konnte, während sie nun selbst im letzten Wipfel in Montana bekannt geworden sind.

Sind die starken Männer von der CSU die Lösung?

Die CSU feiert aktuell offenbar die alten Zeiten, als wären diese irgendeine Lösung irgendeines Problems. Man erinnert sich gut, als in der Bonner Republik die Poltereien aus dem Süden mehrmals die Woche den Westteil der noch halbierten Republik regelmäßig in Atem hielten, während diese in den Bonner Bundesbungalow wie Raketen einschlugen. Irgendwann ging das den Leuten dann doch zu weit. Und so gab immer öfter auch wieder entspannte Phasen, in denen einfach niemand mehr reagierte.
Früher war alles besser?. Da konnte die "Volkspartei" CSU zumindest noch im heimischen Bayern Traumquoten über 60 Prozent erreichen - und gegenüber anderen Parteien reichlich damit angeben. Die CSU konnte mit solchen Wahlergebnissen damit tun und lassen und sagen, was sie wollte, sie wurde trotzdem oder deshalb gewählt, bei sich vor Ort, "Bayern first" sozusagen, lange bevor der den CSU-Granden auffällig ähnliche, deutschstämmige Trump es in den USA auf dem internationalen Parkett salonfähig zu machen versuchte. Und genau das ist auch das Problem der CSU. Was in den USA der staunenden Öffentlichkeit noch ganz neu vorkommt, ist zumindest in West-Deutschland als alte Kammelle hinreichend bekannt.
"Früher," das war auch der immer wieder aufflackernde Plan der "vierten Partei" einer bundesweiten CSU. Genau der wurde jetzt wieder aus der Mottenkiste geholt, als angeblich beste Lösung für die Flüchtlingskrise, weil einem und auch in Europa ja sonst nichts mehr dazu einfällt. Kürzlich sagte der Bundesinnenminister dementsprechend, sein Plan, den die Öffentlichkeit nicht kennt, werde etwa "von großen Teilen der Bevölkerung geteilt". Vielleicht war das auch nur so umfangreich wie bei der SPON-Umfrage. Überhaupt, haben Umfragen dieser Tage so ihre Tücken. Man hofft wohl eher darauf, einige Wähler vom rechten Rand wieder einsammeln zu können, die mit der guten, alten CSU, nämlich der von ganz früher aus den 1970er Jahren auch ganz zufrieden leben könnten. Und die war vor allem: männlich geprägt, im höchsten Maße selbstzufrieden und angeblich so stark und mächtig. Reicht das als Rezeptur für die gegenwärtigen, globalen Krisen wirklich aus?

Alles bestens in Bonn und Bayern

Eine große Mehrheit stünde laut CSU also hinter einem "Migrations-Plan", den kaum jemand kennt - und würde angeblich auch eine Ausweitung der Partei auf alle Bundesländer begrüßen. Eine bundesweite CSU in Schleswig-Holstein? Um Gottes Willen. Alles, nur das nicht! Es gibt bisher wohl kaum eine Landesregierung, die sich regelmäßig derart für den Mittelpunkt der Erde hielt und vor Selbstzufriedenheit nur so strotzte, wie stets die bayerische und das nicht trotz, sondern wegen der CSU. Von einigen angenehmen Ausnahmen innerhalb und außerhalb dieser Partei einmal abgesehen, wird damit lediglich die Regel an der Parteispitze bestätigt.
Das gab es alles schon einmal. Kohl hatte damals die Chuzpe, schon allein wegen der logischen Konsequenz die CDU in Bayern zur Landtagswahl in Stellung zu bringen. Es war schon fast alles fertig, ein bayerischer Landesverband, ein Parteitag, Wahlplakate - dann machte die CSU im letzten Moment einen Rückzieher. Seitdem scheiterten trotz aller bayerischen Selbstbeweihräucherung sämtliche CSU-Bundeskanzler-Kanditaten in Reihe. Woran mag es gelegen haben?

Momentan sieht es aber noch nicht nach einer Zunahme von Realtätsgewinn aus. Die Union oder vielmehr die sich gegenüberstehenden "Schwestern" CDU und CSU sind heute Abend mit sich selbst beschäftigt, man trifft sich, um über den "Plan" zu beraten. Möglicherweise rechnet sich die CSU ernsthaft Chancen aus, dass es so wie damals dieses Mal nicht laufen würde. Vielleicht hat man auch in der Nähe zu Italien einfach keinen Respekt mehr vor Parteigenossen, die sich im Nachbarland schließlich auch sehr gern untereinander aus der politischen Chefetage kegeln. Da braucht man gar keine politischen Gegner mehr, man zerlegt sich einfach selbstständig.
Könnte sich die CDU tatsächlich in den bayerischen Landtagswahlkampf werfen - und dann noch in einen Bundestagswahlkampf? Ungewöhnliche Zeiten, erforderten ungewöhnliche Maßnahmen, heißt es oft, wenn das große Chaos erst einmal angerichtet ist.
Es ist aktuelle auch einfach zu verlockend: Starke Männer mit deutlich nationalistischen Tendenzen sind aktuell angeblich wieder gefragt bei den Wählern in West und Ost, sogar in Europa. Überall wimmelt es auf einmal wieder vor Vertretern, die sich in der Pose des allereinzigen Felsens in jeder Brandung und des väterlichen Landsvaters gefallen, der das Habitat seiner Landleute bis zum Letzten verteidigte - aktuell in der Regel: gegen Zugezogene. Nicht die vielen Zugezogenen, aber den Rest der Geschichte hatte man 1977 ja auch schon. Sogar die bayerische SPD gibt sich momentan ungewöhnlich kämpferisch, angesichts solch drohender Wiederholungs-Szenarien. Immerhin existiert damit wenigstens ein Konzept in der Schublade für Bayern, das man lediglich noch der Gegenwart anpassen müsste Vielleicht könnte die Kanzlerin deshalb bereits darüber nachdenken, Plakate drucken zu lassen? Wer dermaßen angeblich nicht erwünscht sein soll, könnte glatt auf die Idee kommen, das Publikum vor Ort selbst und direkt zu befragen - ohne Zwischenhändler - das hat schließlich auch eine eigene Meinung.

Global oder lokal?

Auf weltweit 68,5 Millionen Menschen auf der Flucht - das entspricht in etwa der Größe der deutschen Bevölkerung im Jahr 1950 - gibt es jedoch nur eine Antwort: 24 Stunden, 365 Tage im Jahr internationale Verhandlungen, inklusive Friedensverhandlungen, die diese Bezeichnung auch verdienen, und massive Wirtschaftsprogramme anstelle von irgendeinem "Land first", und das alles nicht nur aus Steuergeldern und auch über die EU und europäisches Denken hinaus. Die Bonner Republik gibt es schon lange nicht mehr. 1977 lebten 4,2 Milliarden Menschen auf der Welt, aktuell sind es 7,5 Milliarden. Da hilft auch kein einzelner Fels in der Brandung mehr, der angsichts dieser Riesenprobleme, die überall an den Küsten anlanden nur noch lächerlich wirkt. Schon 1977 war die Lage bereits viel zu kompliziert für so etwas, jetzt ist sie noch viel komplizierter.

Außerdem: Statt fähige Frauen ständig aus allem herauszuhalten und den menschenrechtsverletzenden Thesen von Frauenverachtern in vorauseilendem Gehorsam auch noch beizupflichten, was inzwischen wieder an der Tagesordnung ist, aber gleichzeitig (!) nicht nur als längst überholt hinreichend entlarvt wurde, sondern langsam existenzbedrohend für die Menschheit zu werden droht, sollten befähigte Frauen überfälligeweise in sämtlichen Gremien der wichtigsten Verhandlungen sitzen. Und darunter fallen insbesondere Friedensverhandlungen, in denen sie endlich die Stimme erhalten müssen, die ihnen zukommt, weltweit. Die CSU - sowie auch einige andere Parteien - steht aber nicht gerade für eine besondere Frauenförderung, um dieses Ziel zu erreichen. Man darf generell bezweifeln, dass die alten Rezepte dieser und ähnlich gestrickter Parteien der in den Startlöchern stehenden nächsten und übernächsten globalen Generationen irgendetwas Besseres zu liefern hätten, als ausgebombte Infrastrukturen, eine dysfunktionale Weltwirtschaft und eine nachhaltig verfrühstückte Umwelt.


2018-06-20,/26. Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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