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EU-Copyright - Gefahr für das Internet

Alle Warnungen in den Wind geschlagen

von Angelika Petrich-Hornetz

Warnungen blieben ungehört - EP-Komitee schließt das freie Internet

Allen Warnungen zum Trotz hat das Commitee for Legal Affairs, der Rechtsausschuss des EU-Parlaments, unter der Federführung des deutschen Christdemokraten Axel Voss dem umstrittenen "Copyright-Paket" und damit auch einer Änderung des Urheberrechts zugestimmt. Sollte das EU-Parlament zusimmen, könnte als Folge künftig nichts mehr ins Netz hochgeladen werden und damit in die Internet-Öffentlichkeit gelangen, das nicht vorher lizenziert worden ist. Es droht ein Bürokratiemonstrum inklusive Internetzensur und die Abschaffung der Meinungsfreiheit

In einer namentlichen Abstimmung am 20. Juni 2018 hat das Commitee for Legal Affairs der Europäischen Union mit 14 zu 9 Stimmen und 2 Enthaltungen das Paket schließlich verabschiedet, darunter auch den höchst umstrittenen Artikel 13, der technisch auf nichts Geringeres, als einen Internet-Upload-Filter und damit womögich eine standardisierte Form der Zensur des Internets in ganz Europa hinausläuft. Für das EU-Paket ("Copyright in the Digital Single Market (2016/0280")) stimmten Jean-Marie Cavada und Antonio Marinho e Pinto (ALDE), Joelle Bergeron (EFDD), Geoffroy Dider, Rosa Estaras Ferragut, Pavel Svoboda, Jozef Szajer, Axel Voss, Francis Zammit Dimech, Tadeuz Zwiefka (PPE) sowie Enrico Gabarra und Mary Honeyball (S+D). Gegen das Paket stimmten Isabella Adinolfi (EFDD), Luke Ming Flanagan (GUE/NGL), Mady Delvaux, Lidia Joanna Geringer de Oedenberg, Sylvia-Yvonne Kaufmann, Evelyn Regner (S+D) sowie Max Andersson, Heidi Hautala, Julia Reda (VERTS/AlE). Enthalten haben sich Angel Dzhambazki und Sajjad Karim (ECR). (Quelle: europarl.europa.eu)

Die erstaunliche Karriere eines deutschen Papiertigers

Basis eines Teils der EU-Urheberrechts-Vorlage war das nicht weniger strittige, im August 2013 in Kraft getretene deutsche Leistungsschutzrecht, das hierzulande bislang ein Dasein als Papiertiger fristete, aber nun, mit seiner wundersame Ausweitung auf ganz Europa, eine erstaunliche Karriere macht, was von seinen wahrscheinlichen Hauptnutznießern, den (wenigen) Großverlagen ausdrücklich begrüßt wird. Begründet wurde die Einführung dieses nationalen Leistungsschutzrechts seinerzeit u.a. damit , dass Suchmaschinen in ihrer Suchanzeige Teaser und ähnliche Text-Schnipsel veröffentlichen, ohne dafür Lizenzrechte käuflich erworben zu haben, obwohl sie damit als Content-Lieferant seien.
Der Umstand, dass die dahinterstehenden, lediglich über einen Link aufrufbaren Inhalte, i.d.R. Texte oder Bilder, ohne diese von Suchmaschinen und Plattformen genutzten Schnipsel, deren einziger Sinn darin besteht, zum Lesen und damit Aurfufen des Links einzuladen (!) wird dabei großzügig ignoriert. Da die Plattformen auch Werbeanzeigen schalten und im Gegensetz zu den Verlagen gut davon leben können, geht es wie immer: ums Geld.

Dass im wetlweiten Netz mit seinen Milliarden Websseiten Inhalte gar nicht erst aufgefunden und damit auch nicht gelesen werden können, wenn es diese kleinen textlichen "Appetitthäppchen" in Form von Teasern gar nicht gäbe, hatte bereits die Erfinder des nationalen Leistungsschutzrechtes nicht interessiert, und es liegt nahe, dass mit dem Gesetz im Endeffekt lediglich wirtschaftlich starke Großverlage geschützt werden - und sonst niemanden.
Neben der Endledigung lästiger Konkurrenz, u.a. in Form von Klein- und Kleinstverlagen im Internet, dürften Großverlage aber auch - im Gegensatz zur von Voss formulierten Absicht - auch mit Autoren künftig entgegen anderen Behauptungen wohl kaum Verträge auf Augehöhe"geschlossen werden, sondern die Kreativen sich vielmehr mit umfangreichen Lizenztexten auseinandersetzen müssen, Vorsichtig sollten diese dabei besonders bei der Lektüre des Kleingedruckten sein, wenn für alles Lizenzen zu erteilen sind, die möglicherweise den Ausverkauf ihrer Urheberrechte beinhalten könnten, der trotz oder möglicherweise auch gerade wegen des deutschem Leistungsschutzrechts unvermindert an der Tagesordnung ist - und den Trend noch deutlich verstärken könnte.

Dem öffenlichen Interesse abträglich

Mit der Annahme durch den EP-Ausschuss könnte das auf einer Vorlage Günther Oettingers im Jahr 2016 basierende neue Urheberrechts-Prinzip, dessen Ziel einst von diesem als "wirtschaftliche Sicherung von Verlagen auch im digitalen Zeitalter" formuliert wurde, auf die ganze EU ausgeweitet werden. Zwar haben die Kritiker ihre Hoffnung noch nicht ganz verloren, doch bei allem, sogar großen Verständnis für die wirtschaftliche Sicherung von Presseverlagen und deren schwindende Marktmacht gegenüber den großen Internet-Plattformen, die auch Voss in seinem Statement nach der Abstimmung ausdrücklich betonte, dass sich noch die Vernunft durchsetzt, doch lässt die bereits mehrfach signalisierte Zustimmung durch den EU-Rat daran zweifeln, ob es noch gelingt, diese Richtlinie, die Europa richtig gefährlich werden kann, im letzten Moment zu verhindern. Darüber hinaus muss man sich fragen, wenn man liest, was der Ausschuss dort beschied, ob die Zustimmenden wirklich wissen, was sie dort beschließen werden..

Die Lizenzierung einer einzigen Zeile, eines einzigen Satzes, einer Phrase, eines Wortes oder eines Links - hatte der Gesetzgeber bisher wohlweislich und vorausschauend ausdrücklich nie zugelassen, weil ein auf dem Prinzip des Informationsausstauschs bestehendes Internet damit in Kürze nicht mehr funktionstüchtig gewesen wäre.
Übrigbleiben würde vom heutigen WWW lediglich noch ein kommerzialisierter Content-Supermarkt, in dem es Medien-Großkonzerne noch mehr als bereits heute üblich leicht haben werden, die Aufmerksamkeits-Ökonomie des Internets allein in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse zu steuern. Im Netz würde dementsprechend gegen Bezahlung alles zu haben zu - aber nichts mehr ohne.
Das wirft viele neue Probleme auf, u.a. weil die Vorlage, über die der EP-Rechtsausschuss abgestimmt hatte, an mehreren Stellen zu schwammig formuliert ausfällt, um Folgen für die Praxis daraus abzuleiten, die somit womöglich erst durch Jahre andauernde Rechtenscheidungen konkretisiert werden müssen. Allen anderslautenden Meinungen zum Trotz, dürfte es u.a. durchaus auch Probleme für private Webseiten und nicht-kommerzielle Seiten geben und im Nachhinein womöglich noch ein neues, ebenfalls europaweites neues Schutzrecht auf Information eingerichtet werden müssen, womit das Bild bekräftigt wird, hier wird ein Bürokratie-Riesenfass aufgemacht, dessen Umfang den Wenigstens vor der Abstimmung bekannt war.

Ein kleines Beispiel, wie kompliziert das "Geschäft" mit Informationen und Nachrichten ist: Eine Nachrichtenagentur gibt eine Nachricht über einen schweren Unfall auf der A7 heraus, die nun ein Schutzrecht auf ihre Nachrichten erhalten könnte. Die Nachricht basiert allerdings im Orginal auf einer Polizeimeldung. Hat nun die Polizei das Urheberrecht auf seine Verkehrsmeldung? Ja, müsste eigentlich so sein. Aber wer hat jetzt das Leistungsschutzrecht - die Polizei hat eigene Text- und Presseabteilungen - und wer soll jetzt eine Lizenz für wen erteilen? Die Meldung aus Unkenntnis in diesem Wirrwarr gar nicht zu veröffentlichen, wäre jedenfalls keine gute Idee, denn die Empfänger der Meldungen der Nachrichtenagentur oder der Polizeimeldungen, wie Radiosender haben neben diversen Rechten und Pflichten auch noch einen Versorgungsauftrag zur Information der Öffentlichkeit: Autofahrer und anderen Verkehrsteilnehmer müssen schließlich rechtzeitig vor dem Unfall gewarnt werden.

Und was ist mit den Rettungskräften, die allein die Zahlen der Unfallopfer benannten - oder sind es gar die Unfallopfer selbst, die - neben ihren Persönlichkeitsrechten - womöglich die Lizenzierung auf die Herausgabe der Nachricht ihrer Beteiligung am Unfallgeschehen und alle Informationen daraus verhindern - oder eine Beteiligung an den Lizenzeinnahmen rechtllich verlangen können? Wer hat bei einer Unfall- und Verkehrsmeldung noch ein Recht auf Urheberschaft und wer auf Leistungschutz - und wer soll das wie an wen lizenzieren? Ob das mit dem öffentlichen Interesse vereinbar ist, dürfte fraglich sein.

Der Ausverkauf zum Schweigen gebrachter Urheber

Die von Voss viel beschworene Augenhöhe, mit der Künstler, also Urheber, angeblich künftig mit Verlagen oder Plattformen verhandelten, dürfte sich mit diesem Monstrum kaum einstellen. Im Gegenteil, sie, die Urheber und eigentlichen Content-Lieferanten, könnten in den kommenden Rechtstreitigkeiten - mit denen dann alle jahrelange mehr beschäftigt sein werden - zwischen großen Verlagen, Verwertungsgesellschaften und Riesen-Plattformen nun noch nachhaltiger zerrieben werden, als bisher, ähnlich kleine Medien-Unternehmen jeder Couleur: Inhalte, die nicht lizenziert werden und juristisch einwandfrei, haarklein als Eigentum nachgewiesen werden können (z.B. aus purem Geldmangel) , werden nun auch schon im Vorwege erst gar nicht mehr veröffentlicht. Dazu kommen Inhalte, die von den automatisierten Uploaden gar nicht erst als linzenz- und damit verwertbar anerkannt werden.
Nach vielen Jahren mit einer Vielfalt von Publikations-Möglichkeiten, u.a. in Form von Eigenverlagen, Videokanälen und Blogs, die sich selbstständig öffentlich präsentieren, damit der Meinung der Internet- Öffentlichkeit und immerhin noch einem relativ offenem Wettbewerb stellen, wird es künftig noch schwiergier, wenn nicht sogar unmöglich werden, sich überhaupt noch ein Online-Publikum zu erarbeiten. Spätestens damit hat die Richtlinie ihr Thema verfehlt

Sind Suchmachinen Verlage?

Es gibt unzählige Blogs und publizierende Webseiten, die ausschließlich im Netz veröffentlichen und niemandem gehören, außer den sie betreibenden Kreativen. Was aber wäre, wenn die Suchmaschinen bzw. Plattformen auf die Idee kämen, das Leistungsschutzrecht - insbesonderr als "Betreuer" von diesen - für sich selbst zu beanspruchen und sich selbst als Verleger für digitale Inhalte zu definieren?
Damit könnten sie ihrerseits auf ein Leistungsschutzrecht zu eigenen Gunsten pochen. Immerhin geben sie - ähnlich Zeitungs- und Buchverlagen - die Online-Publikationen von Autoren, Journalisten und Künstlern mit einem enormen Aufwand an die Öffentlichkeit heraus. Wenn dann Dritte, z.B. Verlage, Inhalte nutzen wollen, die sie nur in Suchmachinen finden können - und das dürften sehr viele Werke von Journalisten, Autoren sowie eine Unmenge von Informationen als solche betreffen - , müssten Verlage "als Kunden der Suchmaschinen" dann zunächst Lizenzen bei den Urhebern erwerben, aber selbst, wenn nur der Autor kontaktiert werden sollen, würden in jedem Fall Gebühren für die Nutzung Suchmachinen fällig, weil die Verlage Informationen nutzen wollen, die ausschließlich in Suchmaschinen erhältlich sind. Und diese nur dort auffindbaren, damit gewonnenen Informationen sind eine Leistung. Damit wäre der Spieß umgedreht und genau das veranschaulicht, wie sehr Autoren zwischen allen Stühlen sitzen. Technisch dürfte es kein Problem zu sein, Suchverläufe von Verlagen nachzuvollziehen, die damit nachweisen müssten, ihnen wäre ein bestimmter Autor, Ideen oder Inhalte einfach ganz allein im Traum oder beim Blick aus dem Fenster eingefallen. Dies wäre nur eine Stufe mehr, auf der Eskalationsleiter der Überwachung, deren Existenz eine Auswirkung dieser unseligen Urheberrechts-Reform ist. Warum sollten Suchmaschinen ihre Leistung, die sinnvolle Auflistung von je nach Suchwörtern relevanten Inhalten, nun für Verleger noch kostenlos anbieten, wenn diese für ihre Teaser in den Suchmaschinen bezahlt werden möchten?

Solch einen fulminanten Fehler hat sich die EU bisher noch nicht geleistet (Ausnahmen bestätigen die Regel. Anm. d.R.) und dieser könnte existenzbedrohend für sein. Eine digitale EU-Wirtschaft unter fairen Wettbewerbsbedingungen mit vielen Marktteilnehmern wird es mit ausufernden, nämlich nicht mehr kontrollierbaren Uploadfiltern, Lizenzpflichten für alles und jeden, inklusive der für Links und damit insbesondere mit den zu Recht umstrittenen Artikeln 13, 11 und 3 nicht mehr geben. Um den Schaden zu begrenzen, sollte diese Vorlage unverzüglich in die Rundablage gegeben und ein neues Verfahren gestartet werden, das zunächst auf breiter Basis hinreichend diskutiert werden muss - mit dem Ziel, Künstler, Autoren u.a. Urhebern, kleine Unternehmen, Start-Ups und Nutzer weltweit in ihrer innovativen Kraft und ihrem Wunsch nach freien Informationsaustausch zu unterstützen - und sie nicht endgültig zum ohnmächtigen, massivst kontrollierten Spielball zwischen den wenigen, noch vorhandenen marktbestimmenden Medien- und Internet-Unternehmen zu degradieren.
Mit dem ursprünglichen, gut gemeinten Ansinnen der EU-Kommssion, anno 2016 - u.a, Zitat aus einer EU-Pressemitteilug, "mehr Auswahl und einen leichteren Zugang zu Inhalten, im Internet und über Grenzen hinweg", wie es vor rund drei Jahren so schön hieß, hat das heute, vom EP-Rechtauschuss abgenickte Papier rein gar nichts mehr zu tun.

Die EU hat in der Vergangenheit schon ein paar Mal, unter der Zielsetzung des fairen Wettbewerbs zum Schutz von kleinen Anbietern, in Richtung EU-Ausland großzügigst ausgeteilt - wie zum Beispiel bei der Erstellung von Steueroasen-Listen - während die eigenen Steueroasen beflissentlich ausgelassen wurden. Man sollte auch nicht vergessen, dass nicht wenige Verlage in Europa ihre Online-Leser inzwischen ähnlich durchleuchten und tracken wie große US-Online-Plattformen - und das entspricht nicht immer, aber immer öfter sogar dem Wunsch ihrer Anzeigen-Kunden, die über trackende Werbeanzeigen, ihrerseits Daten über vorhandene oder potentielle Kunden sammeln wollen. Dies gehört zwar zu einem anderen Rechtsbereich, aber gehört genauso auch zur Entmystifizierung der Medien, sie seien allesamt unschuldige Opfer der Plattformwirtschaft.
In Deutschland musste kürzlich sogar auf dem Gerichtsweg durch sämtliche Instanzen durchgesetzt werden, dass Online-Leser massenhaft Daten-sammelnde Werbung mit Werbeblockern ablehnen, d.h. überhaupt noch ablehnen "dürfen". Um es mit Herrn Voss vielbemühtem Hygienbeispiel zu sagen: Es wäre so, als würden man Ihnen vorschrieben eine bestimmte Sorte Handseife - nämlich die Eigenmarke - zu kaufen, nur diese eine. Die anderen Optionen dürfen sie nicht auswählen, weil Sie amit die wirtschaftliche Grundlage des Geschäfts zerstören, wenn Sie das Konkurrenzprodukt bevorzugen. Wenn diese Richtlinie durchgeht, haben nicht nur wirtschaftlich schwächere Urheber, Künstler, Autoren, sondern auch genauso Verbraucher, Leser und User bald gar keine Rechte mehr im Internet, sondern werden im Web zu einer reinen, von diesen und jenen Interessen hin und her geschobenen, manovrierbaren Masse - ohne eigene, noch durchsetzbare Rechte. Und damit steht nicht mehr nur die Meinungsfreiheit auf dem Spiel.

Die Vielfalt der individuellen Zensur-Praxis

Machen wir uns nichts vor, gefiltert wird schon seit langem - und inzwischen immer mehr. So wie jede Redaktion, selbst jeder private Webseite prüft, ob dieser oder jener Beitrag oder auch nur ein Kommentar von Mitarbeitern, Lesern oder Gästebuchbesuchern auf einer Webseite zugelassen und damit veröffentlicht werden kann, soll und darf, handelt es sich auch um nichts anderes, als um eine Vorab-Kontrolle der Inhalte. Somit existiert längst ein durch MI (menschliche Intelligenz) angetriebener Upload-Filter. Videoplattformen filtern zudem zunehmend Porno- und/oder Gewaltdarstellungen aus ihren Portalen heraus. Zeitungen löschen rechte Hetze aus den Kommentaren und Moderatoren von Chatrs und Foren jeden Tag unzählige Trolle.
Vor wenigen Jahren waren diese inzwischen alltäglichen umfangreichen Vorab-Kontrollen noch undenkbar. Seitdem fanden unzählige Gesetzesänderungen und Gerichtsprozesse zum Thema statt, die neben anderen Faktoren das Bild des gegenwärtigen WWW prägten. Ein Internet als rechtsfreien Raum will man, im Gegensatz zu dessen Anfängen, schlicht nicht mehr hinnehmen.
Dabei geht manchmal auch einiges ganz schief, so dass der internen Zensur filterfreudiger "sozialer Netzwerke" bereits häufiger prämierte Kunstwerke oder wertvolle Zeitdokumente zum Opfer fielen. Auch darum ist auch das deutsche Netzwerksdurchsetzunggesetz - bei allem Respekt vor dem ernstzunehmenden Anliegen - ebenfalls nicht unumstritten.

Der Unterschied der individuellen Vorabauswahl - oder individuellen Zensur, wenn man so will - zu einer gesamt-europäischen, bürokratisch-gesetzlich geregelten Zensur mit ihren verordneten Uploadfiltern lautet: Aktuell existiert im Internet immer noch eine angenehme unüberschaubare Vielfalt an unterschiedlichen Postionen, Meinungen und Vorlieben - die einer Demokratie würdig ist. Jeder Webseiten-Betreiber bestimmt und entscheidet selbst, im Rahmen der vorhandenen Gesetzgebung, nach eigenem Gusto, welche Inhalte auf seiner Webseite zu sehen und zu lesen sind - und welche nicht.
Genauso individuell wie das erstmalige Erstellen und Hochladen von Inhalten, ist auch das Löschen von Inhalten - sie ergeben zusammen die vorhandene Vielfältigkeit im Web im Sinne der Vertragsfreiheit.
Diese Vielfalt ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren des Internets überhaupt - weil damit die unterschiedlichsten Zielgruppen durch die unterschiedlichsten Web-Inhalte angesprochen werden. Auch diese Vielfalt ist in Gefahr, wenn sich alleeiner einzigen Linie unterordnen müssen. Damit könnte es als Folge umgekehrt auch irgendwann möglich sein, sich tatsächlich in Webseiten einzuklagen, weil man sämtliche Vorschriften erfüllt hat. Das widerspricht aber allen Gesetzen und Regeln der in Europa gültigen Vertragsfreiheit, die auch im Internet existiert und die umgekehrt auch dafür sorgt, dass niemand gezwungen werden kann, die Seiten zu besuchen, die man einfach nicht besuchen will.

Wo der Spaß aufhört

Ein per Gesetz aufgezwungener, bürokratischer Upload-Filter für das ganze europäische Internet würde diese Freiheit auf der Stelle beenden - und zwar auch indirekt, durch die wachsende Konzentration auf immer weniger Markteilnehmer in Form von großen Internetplattformen und Verlagshäusern, die sich den Aufwand für die in der Copyright-Reform vorgesehene Bürokratie im Gegensatz zu kleinen Anbietern noch leisten können. Damit wird der Gleichmacherei Vorschub geleistet, den die Betreiber des Vorhabens einfach nicht erkennen können oder wollen - oder aus unbekannten Gründen in Kauf nehmen. Individuelle Meinungen, die nicht dem Mainstream entsprechen, werden unwiderruflich eingeschränkt, an den Rand gedrängt oder ganz abgewürgt und in Folge dessen wird im Internet u.a. keine Debatte mehr stattfinden. Darüber hinaus könnten Satire-, Kabarett- und Comedy-Seiten in ganz besondere Schwierigkeiten geraten.

Wobei die Kommerzialisierung des Internets bereits jetzt schon sehr weit fortgeschriften ist, angefangen von der Gestaltung - ein zumindest ähnliches, austauschbares Design, damit es auch ja in sämtliche Plattformen eingebunden werden kann - bis hin zu immer mehr unverfänglicheren Inhalten, weil sich dieser oder jener sonst auf den Schlips getreten fühlt. Und die von Internetfirmen geförderte gegenseitige Beobachtung- und Bewertungs-Manie, die aus den 1990er Jahren stammt, der Selfie-Generationen X,Y und Z hat zudem einige krankhafte Züge entwickelt. Mit dem geplanten Copyright-Gesetz wird es unmöglich, sich davon noch positiv abzusetzen. Aus dem Internt wird dann endgültig eine reine Verkaufs-Plattform gemacht, in dem ein guter Text so viel wert sein wird wie ein Becher Joghurt, eine Pose im Swimmingpool oder irgendein fotografisch gut präsentiertes austauschbares anderes Produkt.

Man könnte auch gleich sämtliche Webseiten aus dem Internet werfen und den kompletten Internet-Content lediglich noch von den fünf größten US-Tech-Konzernen plus den fünf größten europäischen Verlagen unter sich aufteilen und verwalten lassen. Darauf wird es hinauslaufen, weil nur noch Konzerne die Logistik aufbringen werden können, die dazu nötig sein wird, überhaupt noch etwas zu veröffentlichen - bei wahrscheinlich sinkenden Preisen für Autoren, die nichts mehr selbst veröffentliche können, die keine Preise mehr selbst festlegen können, weil sie zunehmend auf die Verwertung durch Verlage oder Plattformen angewiesen sein werden. Selbständig im Internet zu veröffentilchen wird mit dieser Richtlinie möglicherweise zu einem unkalkulierbarem Risiko. Es folgt die Digitalisierung der Texte. KI- Bots schreiben sämtliche Texte, deren Inhalte von Algorhitmen sowieso besser erkannt und zusortiert werden können, als durch natürliche Intellgienz ersonnene und irgendwann ist das Web nur noch mit sich selbst beschäftigt und hat seine Innovationskraft eingebüßt.

Theorie und Praxis

Theoretisch müssten auch wir für das Copyright-Paket plädieren. U.a. soll, mit Betonung auf "soll", das Leistungsschutzgesetz dafür sorgen, dass die Online-Zeitung "Wirtschaftswetter" wieder Verlags-Tantiemen von den Verwertungsgesellschaften erhielt. die sich nach wie vor gleichermaßen für Autoren und Verlage einsetzen möchte. Die Teilhabe der Verlage daran wurde seinerzeit durch die Klage eines Autors durch sämtliche Instanzen abgeschafft. Dabei öffnen Verlage durchaus Türen - allein in Deutschland sind darunter. tausende Kleinst-Verlage - für Autoren, und schaffen auch im Internet mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einen nicht zu verachtenden Raum für Veröffentlichungen und ein Publikum, die Kreative für ihre Arbeit unbedingt benötigen.
Und wie alle, werden auch wir ständig beklaut, so dass es selbstverständlich Regeln geben muss, aber sie müssen anwendbar sein und dürfen das Internet nicht kaputt machen, dazu ist es als solches einfach zu wichtig. Es existieren schon einige gute Regeln, z.B. die, dass Plattformen, sobald diese über einen unrechtmäßigen Gebrauch von Inhalten informiert werden, d.h. Kenntniss erlangen solche Inhalte zumindest löschen müssen. Es funktioniert nur eingermaßen, aber auch nicht immer rund. Einige Plattformen lassen grundsätzlich die Urheber die Beweisführung allein erledigen, die dann nachweisen müssen, dass sie überhaupt Urheber ihrer eigenen Werke sind - statt notorische Content-Diebe zur Beweispflicht antreten zu lassen. In der Gegenwart hat das durchaus schon kafkaeske Züge angenommen und vertrüge deshalb durchaus eine Verbesserung im Sinne der Urheber.

Die geplante "Reform" in Verbindung mit dem "Leistungsschutzrecht" aber wird die Beteiligung von veröffentlichenden Verlagen und anderen Organisationen dagegen nicht sichern, auch der jüngste Kompromiss nicht, sondern höchstens einer Klage-Industrie hilft, Einnahmen zu generieren. Die Reform sollte sofort eingestampft und das Verfahren, Regeln zu finden, ganz von vorn gestartet werden- Das vorliegende Papier dürfte das genaue Gegenteil bewirken, und es nicht nur Verlagen, sondern vor allem Urhebern noch unmöglicher machen, ihre eigene Urheberschaft nachzuweisen, sobald sich eine der immer weniger werdenden Großplattformen und Verlage ihrer bemächtigt, womit nichts weniger als Selbstständigkeit erschwert, statt erleichtert wird, wo es eine ordentliche EU-Wettbewerbspolitik erfordert hätte. Darüber hinaus wird viel im außereuropäischen Ausland geklaut und nur mit EU-Recht wird man dort keinen einzigen Server abstellen, d.h. es besteht auch noch die Gefahr der Isolation. Das vielfältige Internet findet dann vorwiegend außerhalb Europas statt. Müssen wir uns künftig so ähnlich wie gegenwärtig nur in autokratischen Systemen über anonyme Auslandserver ins freie Internet einwählen, um überhaupt noch Satire, sehen zu können?

Mit einem Upload-Filter auf alles schafft die EU keinen Mehrwert für Künstler und Autoren und auch kein ädequates Mittel gegen die Internet-Kleptokratie und keinen größeren Nutzen für die Verbraucher, sondern ein Bürokratie-Monster ohnegleichen, das diese bereits aktuell zunehmende, höchst suspekte Praxis der umgekehrten Beweisführung sogar noch extrem verschärfen und damit bis auf alle Zeiten zementieren könnte. Mit der Verabschiedung des Copyright-Pakets wird die EU den freien Wettbewerbs ums Pubilkum drastisch einschränken, dem weltweiten Internet die Luft zum Atmen nehmen und damit in letzter Konsequenz die Freiheit seiner Meinungs- und Gestaltungsmöglichkeiten berauben. Wir werden eine Welle der Gleichmacherei erleben, wie wir sie in Europa bisher noch nicht gekannt haben und wie sie gegenwärtig nur in Diktaturen gezielt angestrebt wurde, Beispiele in der Vergangenheit und Gegenwart sind reichlich vorhanden . Das wird europäischen Urhebern und Leistungsträgern keinen Gewinn einbringen, sondern es besteht die ernsthafte Gefahr, dass die EU-Internet-Gemeinde daran schlicht ersticken wird. Was dieses Paket dagegen befördern wird, ist eine ausufernde Klage-Wirtschaft. Und eine weitere Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für notorisch überlastete Gericht in der EU dürfte wohl kaum ein Ziel der oben zitierten, einst redlichen Absicht gewesen - und auch nicht im Sinne der europäischen Gesellschaft sein.

Weitere Informationen:
Der offene Brief von Tim Berners-Lee und Jimmy Wales im Original, PDF, Englisch ebenfalls eff.org: Article 13 of the EU Copyright Directive Threatens the Internet


2018-06-30 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Update: 2019-02-19

Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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