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Fleisch-Mehrwertsteuer-Erhöhung

Teurer Essen
Das Sommerloch 2019 unterhält mit üblich deftigen Diskussionen
Kommentar von Angelika Petrich-Hornetz

Im Sommer 2019 wurde in Deutschland tatsächlich ernsthaft darüber diskutiert, ob ausgerechnet Kinder mit mangelnden Deutsch-Kenntnissen von der üblichen Einschulung ab sechs Jahren zurückgestellt werden sollten. Etwas später gesellte sich die nächste typische Sommerloch-Diskussion hinzu: eine Mehrwertsteuer-Erhöhung auf Fleisch von 7 auf satte 19 Prozent. Im Jahr 2024 wird der aufgewärmte Plan nun wieder aufgetischt.

Mehrwertsteuer-Einnahmen generieren

SchweinVielleicht sollten die Politiker, die sich innerhalb kürzester Zeit begeistert von dem Vorschlag zeigten, insbesonders diejenigen, die beflissen ausgerechnet das Tierwohl als Begründung heranführen, die Öffentlichkeit zunächst darüber aufklären, dass die Mehrwertsteuer als solche ausdrücklich nicht zweckgebunden erhoben wird. Das Tierwohl wird damit auch nicht mit einer Steuererhöhung ermöglicht und schon gar nicht garantiert, sondern ausschließlich durch - ebenso teure - Maßnahmen wie eine bessere Tier-Haltung, darunter mehr angebrachte Bewegungsfreiheit, die wiederrum mehr Platz erfordert, mehr Bewegung und frische Luft einräumt, die mehr Personaleinsatz erfordert und vieles andere mehr in einem komplexen Zusammenwirken ermöglicht. Der Vorschlag eine plumpen Steuererhöhung hat deshalb den Charme der Willkürlichkeit.

Teurer Essen

Im kurzfristigen Ergebnis würde eine drastisch erhöhte Mehrwertsteuer auf Fleisch von 19 Prozent, bereits vorhandene Fleischrodukte auf dem Markt für Verbraucher lediglich verteuern - bei zunächst gleichbleibender Qualität und gleichbleibenden Tierwohl. D.h. die Verbraucher zahlten für dasselbe Produkt nun lediglich mehr. Mittel- und langfristig würden erst nach einer Steuererhöhung einsetzende Verbesserungen beim Tierwohl den Fleischpreis höchstwahrscheinlich lediglich als solchen weiter erhöhen, und dann würde die inzwischen mehr als verdoppelte Mehrwertsteuer darauf sich noch zusätzlich teurer für die Verbraucher auswirken.

Bei allem Verständnis für den vorausschauend durchaus vernünftigen Trend, einen in Deutschland statistisch hohen Fleischkonsum einzuschränken, gibt es Menschen die einfach nicht komplett auf Fleisch verzichten können oder möchten. Darunter sind nicht wenige Familien mit Kindern, die sich noch im Wachstum befinden. Ein Kind fleischlos gesund zu ernähren und aufwachsen zu lassen ist natürlich möglich, aber es ist durchaus aufwendiger, als mit zwei bis drei Fleischmahlzeiten in der Woche, was oft unterschätzt wird. Die zumindest im Winter nicht selten hohen Preise für Obst und Gemüse fallen dabei alles andere als familienfördernd aus, so dass solche eine Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch von 7 auf gleich 19 Prozent, von Familien - aber auch öffentlichen Ganztags-Einrichtungen wie Kitas und Schulen - zudem mit höheren Ausgaben für Gemüse u.a. Lebensmitteln plus mehr Zeitaufwand, inklusive planmäßigerem Vorgehen, bei der Zubereitung zusätzlich verteuert wird. Und wer soll das bezahlen?

Die großzügigsten Mehrwertsteuerzahler sind Familien

Bisher trafen Mehrwersteuererhöhungen in Deutschland so gut wie nie die in den bestehenden Mehrwertsteuer-Regeln landauf, landab generös begünstigteten Luxus-Produkte, wie z.B. Anlage-Gold, teure Gemälde oder die Einfuhr von Sammler-Gold-Münzen aus dem EU-Ausland, sondern im Gegenteil: Immer traf es eine große Zahl alltägliche, somit notwendiger Produkte in Bausch und Bogen, die von Hinz und Kunz ver- oder gebraucht werden, so dass sich das Steueraufkommen um gleich mehrere Milliarden, auch auf Kosten armer Haushalte, erhöhte. So wäre es auch in diesem Fall.
Bei all diesen Mehrwertsteuererhöhungen gab es immer diesselben Verlierer, nämlich diejenigen Haushalte, die in Deutschland schon immer die höchsten Mehrwersteuer-Ausgaben haben, weil sie auch die höchsten Konsumausgaben - darunter auch die höchsten Ausgaben für Lebensmittel - zu stemmen haben und damit den höchsten Beitrag zum Mehrwersteuer-Aufkommen des Staates leisten: Familien mit Kindern.

Wer Familien mit Kindern mit einer Steuererhöhung ausgerechnet auf Lebensmittel noch weiter belasten will, als sie es durch ihre unzähligen Konsumausgaben - für jedes einzelne Kind rund zwanzig Jahre lang oder länger - eh schon sind, und vor dem Hintergrund, dass in diesem Land jedes 5. Kind als arm gilt und darum viele Familien bereits gegenwärtig jeden Euro zweimal umdrehen müssen, um sich die notwendigen, regelmäßigen warmen Mahlzeiten für ihre Kinder leisten zu können, ist eine einseitige weitere Verteuerung des bereits jetzt sehr teuren alltäglichen Lebens, und zwar wohlgemerkt ohne Goldmünzen, Gemälde, Sportpferde, Urlaubsreisen, Eigenheime etc. - und das alles ohne irgendeinen Lastenausgleich für Familien schlicht inakzeptabel.

Die Gegenfinanzierung des teuren Familien-Alltags

Vor diesem Hintergrund gibt es nur eine Möglichkeit, eine erhöhte Mehrwertsteuer auf Fleisch oder andere Lebensmittel nicht zu einer zusätzlich schwer zu (er)tragenden Belastung von vowiegend Familien mit Kindern ausarten zu lassen - nämlich eine vernünftige Gegenfinanzierung bzw. Entlastung:
Entweder müsste der Mehrwertsteuersatz für Gemüse, Getreide, Milchprodukte und Obst genauso drastisch gesenkt werden, oder es müssten Produkte speziell für Kinder entweder von der Mehrwertsteuer befreit oder von 19 Prozent auf mindestens 7 Prozent herabgesetzt werden, somit von der Windel, über das Schulheft bis zu einem der teuersten Posten eines jeden Kinderlebens: Kinderschuhe.
Möhren Doch diese Rechnung, das wissen alle, die so klug sind, ihre immensen Ausgaben allein für die Mehrwertsteuern eines einzigen Kinderlebens zu dokumentieren, dürfte nicht aufgehen, weil das Riesen-Loch, das allein die ausfallenden Steuern auf Kinderprodukte reißen würde, auch von allen Fleischkonsumenten Deutschlands zusammengenommen nicht wieder aufgefüllt werden könnte.

So bleibt nur die Möglichkeit zur Gegenfinanzierung für eine steuerliche Fleischverteuerung, nämlich die Mehrwertsteuer auf Salatgurke, Möhre, Kartoffel, Linse, Quark, Käse, Ei und Vollkornmehl dementsprechend konsequent zu streichen. Wird das versäumt, wird sich nicht nur in Familien proportional zur Anzahl der vorhandenen Kinder, sonder auch in allen Einrichtungen mit Gemeinschaftsverpflegung, die mit einer Mehrwertsteuererhöhung auf Fleisch belastet wird, die Verpflegung insgesamt für alle verteuern, es sei denn die Verkaufspreise in der Mittagsverpflegung mit oder ohne Fleisch werden künftig in jeder einzelnen Gemeinschaftsküche konsequent getrennt, mit Folgen: steigende Bürokratie und evtl. auch auf die Kindergesundheit, wenn die Ausgewogenheit in der Ernährung mit allen Vitaminen und Proteinen nicht angeboten werden kann, weil auch das Gemüse aufgrund des Klimawandels bis auf Weiteres immer teurer wird.

Die Folge: Deutlich höhere Preise für die Verpflegung in Krippen, Kitas, Schulen und Universitäten, in Alten- und Pflegeheimen und in allen Kantinen des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft, damit einseitig zu Lasten der Leistungsträger, wie Beschäftigte, Lernende, Pflegende und Kinderaufziehende - und für alle anderen, die diese versorgen und finanzieren. Somit trifft es auch wieder Kommunen, Länder, Bund und die Unternehmen, die eine Verpflegung anbieten, bezuschussen oder komplett finanzieren. Eine Verteuerung trifft aber auch mit etwas Verzögerung indirekt alle Steuerzahler, womit die Idee viel zu kurzfristig gedacht ist.

Die fianzielle Verträglichkeit aus Verbrauchersicht mit einer Fleischmehrwertsteuererhöhung ohne eine parallele, ebenso drastische Steuersenkung auf Obst und Gemüse wird damit nur bei denjenigen Gutverdienern und auskömmlich versorgten Pensionisten und Rentnern ankommen, die sich ausschließlich selbst bekochen und finanzieren, weil sie ihre täglichen Ausgaben individuell mit Fleischverzicht steuern und sich fortgesetzt teures Obst und Gemüse leisten können. Man muss davon ausgehen, dass zumindest die Mehrheit der 30-köpfigen "Zukunftskommission" der Gruppe der Gutverdienenenden angehört. In Gremien zur Ernährung mit direktem Einfluss (durch Beratung) auf die Bundespolitik sollte grundsätzlich auch die Expertise von weiteren Gsellschaftsgruppen, ausdrücklich auch mit geringeren Einkommen beinhalten, die zum Beispiel Kinder und Jugendliche, Auszubildende, Studierende, Migranten, Beschäftige im Niedriglohnsektor und begrenzten Einkommen, Bürgergeldbeziehende, Mehrkindfamilien, Bezieher niedriger Renten, und Alleinerziehende vertreten, deren Einkommen prozentual durch eine, nun ohne ihre Beteiligung, vorgeschlagene Steuererhöhung durch direkten Konsum oder über Gemeinschaftsverpflegungen höher belastet wird, als das von Besser- und Gutverdienenden.

Zu weiteren Risiken und Nebenwirkungen befragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker sowie sämtliche greifbaren Ökologen und Ökonomen.


2019-08-07, aktualisiert 2024-04-17, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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