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Steuer-Identifikations-Nummer

Die lebenlängliche Nummer und ihre Folgen

von Angelika Petrich-Hornetz

Die ehemalige DDR hatte die Personenkennzahl (PKZ) ab 1970. Doch auch in West-Deutschland gab es mit dem Bundesmeldegesetz von 1973 Pläne, eine lebenlange Nummer für jeden potentiellen Steuerzahler einzuführen, das Personenkennzeichen, ebenfalls PKZ abgekürzt. Damit sollte die Steuerverwaltung vereinfacht und entlastet werden. Man scheiterte mit diesen Plänen allerdings immer wieder, so wie 1976 im Bundestag, der feststellte, dass eine "einheitliche Nummerierung der Bevölkerung" wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen unzulässig" sei. Erst rund 30 Jahre später, im Jahr 2007 war es dann soweit. Unter der Regie von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) stand dem Durchbruch der Durch-Nummerierung potentieller Steuerzahler nichts mehr im Wege. Der Bundestag stimmte dem Gesetz zu.

Ein ganzer Datensatz - lebenslänglich unter einer Nummer

Manche ehemalige DDR-Bürger glaubten ihren Augen und Ohren nicht zu trauen, als sie rund ein Dutzend Jahre nach der Wende, die herbeigesehnte DM-Mark schneller wieder loswurden als ihnen lieb war und nur wenig später auch noch mit einer neuen Variante der wenig beliebten Personenkennzahl bestückt wurden. Bei der eingeführten Steueridentifkationsnummer, kurz Steuer-ID - auch Tax Identification Number - genannt, um einen ganzen Datensatz, der sich dahinter verbirgt und aus mehreren persönlichen Daten besteht. U.a. enthält der Datensatz den Geburtsnamen, den Familiennamen und evtl. weitere Namen. Die Geburt ist mit Tag und Ort dokumentiert. Das Geschlecht ist dort registriert, Doktortitel, die aktuelle Anschrift und das zuständige Finanzamt. Sogar der Sterbetag wird erfasst und laut den Behörden wird das alles, nämlich sämtliche unter dieser Nummer aufgelaufenen Daten eines ganzen Lebens - 20 Jahre nach dem Tod des Nummernbesitzers - fein säuberlich wieder gelöscht.

Der Säugling als potentieller Steuerzahler

Was allerdings den Bürgern aus Ost und West gleichmaßen erstauntlich vorkam, war die Tatsache, dass mit der Umsetzung des Beschlusses vom 29. Dezember 2007 ab dem darauf folgenden Jahr 2008 sogar Neugeborene vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) ebenfalls mit einer Steuer-ID "versorgt" wurden.
Darüber hinaus lautete die damals vertrauensbildende, ambitionierte Ansage die neueSteuer-ID werde - gewiss nach einer gewissen Übergangszeit - die Steuernummer, u.a. die für die Einkommenssteuer ab 2011 ersetzen und möglicherweise weitere, um die Bürokratie zu erleichtern. Eine einzige Nummer = eine einfachere Verwaltung lautete der Schlachtruf der E-Government-Initiative der damaligen Bundesregierung, die fast wie die Weltformel klang, nach der Mathematiker und Physiker immer noch suchen. Es klingt einfach zu schön, um wahr zu sein. So dauert die "Übergangszeit" weiter an, inzwischen schon 11 lange Jahre, in der den Bürgern neben der neuen Steuer-ID nun auch sämtliche ihrer alten Steuernummern erhalten geblieben sind, nebst unzähligen weiteren Daten, Kennungen und noch mehr Nummern.

Theorie und Praxis von "lebenslänglich"

Ab 2008 begann das Bundezentralamt für Steuern (BZSt) in einer bisher nie dagewesenen Postwurfsendung rund 80 Millionen Briefe mit den Steuer-ID-Nummern an die einzelnen Bürger zu verschicken. Dass dabei nicht alles glatt laufen konnte, bewahrheitete sich später.
So wurden Steuer-IDs doppelt vergeben. Einige - unterschiedliche Bürger - bekamen dieselbe Nummer, andere plötzlich einen anderen Namen mit der richtigen Nummer oder eine falsche Nummer unter richtigem Namen oder sie erhielten gleich mehrere Nummern, die sie doch immerhin ein ganzes Leben lang behalten sollten und die ihre ganz persönlichen Daten enthalten.
Diese "Anfangsprobleme" sollen inzwischen beseitigt worden sein, immerhin liegt das bisher einmalige Verfahren, mehrere Millionen bisher Unnumierierte zu nummerieren, mittlerweile auch über 10 jahre zurück in der Vergangenheit.

Immer wieder wurde während des Einführungsprozesses der Steuer-Identifikationsnummer dabei beflissentlich versichert, diese Nummer sei ausschließlich für die Zwecke der Steuererhebung zu verwenden und nutzbar und damit ausdrücklich "nur" für die Steuerverwaltung vorgesehen. Doch nicht allein der damals amtierende Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar,zweifelte daran, erkannte als Fachmann sofort, welche Begehrlichkeiten mit der Verteilung einer einzigen, lebenlänglichen Nummer für jeden Einzelnen geweckt werden könnten. Er konnte immerhin noch eine Geldbuße in Höhe von 10.000 Euro in die dazugehörige Gesetzgebung einfügen, wenn diese Nummer missbraucht werden sollte. An dem Betrag hat sich bis heute leider noch nichts geändert, der angesichts der seit 2008 steigenden Gefahren geradezu lächerlich gering erscheint.
Zum Missbrauch zählte damals übrigens sogar "noch" die unauthorisierte Weitergabe an "andere Behörden". Zudem sahen Kritiker die Gefahr, dass mit der Nummer quasi durch die Hintertür ein Bundeszentralregister installiert würde, das in der aus gruten Gründen föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland nie vorgesehen war.

Und wie sieht es heute aus?

Einst sollte die Steuer-ID lediglich den Zwecken einer bürokratiefreundlicheren Steuerverwaltung dienen. Inzwischen wissen wir es alle besser - oder wir sollten es zumindest. Im Alltag hat man einfach keine Zeit, sich damit auch noch groß auseinanderzusetzen, doch wenn man einmal nüchtern auf die Entwicklung zurückblickt, ist das Ergebnis nach 11 Jahren Praxis aus Verbrauchersicht auch kein besonders erfolgreiches:

Weder konnte die Steuer-ID wenig dazu beitragen, sämliche Steuernummern abzuschaffen, auch nach einer "Übergangszeit" von 11 Jahren immer noch nicht, noch wurden die damaligen Befürchtungen von Datenschützren ausgeräumt, bei anderen Behörden könnten dauerhaft steigende Begehrlichkeiten geweckt werden, ganz im Gegenteil. Die schlimmsten Befürchtungen der Datenschützer sind längst Realität geworden. Alle möglichen Stellen verlangen inzwischen von Bürgern die Herausgabe ihrer persönlichen Steuer-ID. Könnten Sie aus dem Stegreif aufzählen, wo Sie in den vergangen fünf Jahren schon überall Ihre Steuer-ID angeben mussten, oder wo überall Ihre Steuer-ID-Nr. erhoben, gespeichert und verarbeitet wurde und wird?
Es sind längst nicht mehr nur "andere Behörden", sondern auch lupenreine privatwirtschaftlich organisierte und damit gewinnorientierte Unternehmen, die Ihre ganz pesönliche, lebenslängliche Steuer-ID besitzen, ganz vorne weg: Arbeitgeber, Banken und Versicherungen.

Die große Verteilungaktion - mit unbekanntem Ausgang

Im Ergebnis schleppt der Verbraucher seine "alten" Steuernummern mit sich herum, die er gegenüber der Steuerverwaltung immer noch anzugeben hat. plus die Steuer-ID und verteilt Letztere zusätzlich an alle möglichen Unternehmen und andere Behörden. Die Liste ist nicht vollständig, aber unter anderem ist die lebenslängliche Steuer-ID dem jeweiligen Arbeitgeber anzugeben, der damit schließlich die Lohnsteuer abzführen hat. Die Zeiten lebenlänglicher Arbeitsverhältnisse, die es vor 2008 noch zahlreicher gegeben hat, sind allerdings inzwischen längst vorbei, so dass Mitarbeiter unter Umständen ihre Steuer-ID in den mehr oder weniger datensicheren Büros und Computernetzwerken diverser privatwirtschaftlicher Unternehmen wortwörtlich hinterlassen, wo sie -hoffentlich ausschließlich - nach den Regeln der Aufbewahrungsfristen bevorratet werden.
Dasselbe gilt für Versicherungen und Banken, ob der Verbraucher immer bei derselben Versicherung oder Bank bleibt oder diese ein paar Mal wechselt bzw. mehrere Konten hat: Seine einzige, die lebenslängliche Steuer-ID-Nummer wandert auch hier munter mit - an die jeweils unterschiedlichsten Stellen in genauso unterschiedlich gut organisierten, IT-gestützten Verwaltungsnetzwerken.

Davor, dass die Begehrlichkeiten chronologisch zunehmen werden, hatten die Kritiker bereits 2007/2008 gewarnt - und sollten Recht behalten. Seit 2011 wird die Steuer-ID von Sparern auch für die Freistellungaufträge von den Banken erhoben. Seit 2013 nutzen Arbeitgeber die Steuer-ID für die elektronische Lohnsteuer-Karte, außerdem nutzen auch die Krankenkassen diese Nummer und seit Einführung von Riester und Co auch Versicherungen für die private Altersvorsorge. Seit 2016 verlangt die Kindergeldkasse bei jedem Kindergeldantrag die Steuerindentifikations-Nummern der davon betroffenen Eltern plus Kinder an, ähnlich verpflichtend auch beim Antrag auf Elterngeld. Wer eine Wohnung kaufen will, muss seine Steuer-ID dem Grunderwerbssteueramt mitteilen.

Nicht, dass wir hier kritisieren wollen, diese Stellen würden Daten erheben, die ihnen nicht zustünden, im Gegenteil, sie müssen es tun und halten sich leidiglich an die jeweiligen, entsprechenden Regeln, von denen im Laufe der Zeit nach der Einführung der Steuer-ID auch immer mehr und immer neue eingeführt wurden und werden, wo und an wen diese sensible Nummer überall hin verteilt, gespeichert und weitergegeben werden muss und soll. Die Steuer-ID ist damit nicht als Ersatz, sondern als zusätzlicher, persönlicher Datensatz zur Steuernummer seit 11 Jahren unterwegs und unterliegt immer mehr dem Trend zur Standard-Fomel für den Abschluss von Verträgen mit Behörden, Organisationen und ganz privaten Firmen zu werden.

Massenhaft vertrauliche Daten im Umlauf

Solange alles gut geht, entsteht für den Verbraucher kein Schaden. Mit der anhaltenden Verteilungsaktion der persönlichen Steuer-ID, die bei ihrer Einführung vollmundig "nur für die Kommunikation mit der Finanzverwaltung" vorgesehen war - doch wer kommuniziert mit dieser etwa nicht? - wachsen allerdings auch die Gefahren.
Es gibt in der Praxis u.a. keine einheitlichen Standards für Computernetzwerke in sämtlichen Firmen in Deutschland, die eigene und die Steuer-ID-Nummern ihrer Mitarbeiter verwalten. Die technische Ausstattung und Sicherheit von Netzwerken, ob in Behörden oder privatwirtschaftlichen Unternehmen gestaltet sich äußerst unterschiedlich. Zu technischen und organisatorischen möglichen Einfallstoren gesellt sich außerdem der menschliche Faktor: Neben langjährigen Mitarbeitern geben sich in der Gegenwart in Behörden und Unternehmen gleichermaßen u.a. auch Auszubildende, Praktikanten, Probearbeiter, Lehrlinge, Werkstudenten, Austauschschüler, Leiharbeiter, Zeitarbeiter, Aushilfen, Minijobber, Call-Center-Agents und Angestellte mit befristeten Verträgen die Klinken in die Hände, hinter deren Türen in den Personalabteilungen die Datensätze vertraulicher Daten aus Steuer-IDs, Personalausweisen, Sozialversicherungsunterlagen u.a. nicht nur über die Bildschirme, sondern auch in Papierform über die Büro-Tische fliegen könnten. Umgekehrt wird die Steuer-ID bereits für jeden kleinen Aushilfsjob verlangt.

Noch nie trugen selbst einfache Mitarbeiter, u.a. die Telefonisten der Familienkassen, deshalb so viel Verantwortung für andere wie heute. Dank in der Praxis nicht mehr stattfindender Datensparsamkeit und damit immer mehr Erhebungen unzähliger Daten und lebenslänglicher Kennungen sind Mitarbeiter eine genauso potentielle Gefahr für die Sicherheit von Menschen und Organisationen wie mögliche Sicherheitslücken im technischen Equipment oder in der Software. Und das gilt genauso für Eltern und Ehepartner, die stets erstaunlich unbürokratisch - per Geburt, per Heirat (und wie viele Ehen enden mit einer Scheidung?) - in Kenntnis über die lebenslängliche Steuer-ID ihrer Kinder und Ehegatten gesetzt werden.
Schließlich kann man seit der Einführung von immer mehr Nummern und Daten in der exakt umgekehrten Reihenfolge ihrer Erhebung bei den entsprechenden Stellen dann auch genau dort. genau das tun:
Bankkonten eröffnen, Krankenversicherungen, Altersvorsorgeverträge, Grundstücksverträge abschließen, Kindergeld beantragen, Steuererklärungen abgeben, Arbeitsverträge eingehen und Wohnungen kaufen - solange man jeweils dafür wortwörtlich alle Daten zusammenhat. Im Zuge der "Digitalisierung" verzichten auch Behörden immer mehr auf die "Inaugenscheinnahme" eines Antragsstellers, um teure Personal-Kosten zu sparen. Gemeinsam mit der Abschaffung des Kopierverbots für Personalausweise in Deutschland, sollte man sich aber auch der Gefahr bewusst sein, dass "alle Nummern und Daten zusammenzuhaben", nicht automatisch bedeuten muss, dass es sich auch um denjenigen handeln muss, als der sich der aktuelle "Datenbesitzer" ausgibt. Auch kein Fingerabdruck wird dieses Problem jemals lösen, den die EU verpflichtend auf Ausweisdokumente einführen will, weil selbst die inzwischen erfolgreich gefälscht werden können.

Nicht jeder Verbraucher ist außerdem firm darin, ständig seinen Personausweis an genau den Stellen zu schwärzen, an denen es sinnvoll wäre. Jeder Online-Paket-Shop scannt inzwischen massenhaft Personalausweise ein, von anderen ganz zu schweigen. Die Chancen unbekannter Dritter, eine Steuer-ID plus Personalausweis-Nummer plus Sozialversicherungsnummer u.ä. zu ergattern, um irgendwann "alles zusammen zu haben", dürften mit solch einer Gesetzgebung gepaart mit solchen Geschäftspratiken und der weiter zunehmenden Digitalisierung ebenfalls enorm steigen. Der schwunghafte Handel mit gestohlenen Daten sorgt dann für die noch fehlenden Nummern und schließt noch offene Datenlücken. Er dürfte, trotz einiger in jüngster Zeit öffentlich gewordener spektuklärer Fälle, aktuell noch in den Kinderschuhen stecken, im Vergleich zu dem, was noch auf uns zurollt. Dazu trägt u.a. auch bereits eine IT-Wirtschaft im Helfeld bei, die ebenfalls immer mehr Daten von den Verbrauchern verlangt. Der Erfinder der Datensparsamkeit dürfte sich derweil im Grab nicht nur umdrehen, sondern routieren.
Die zu erwartenden Margen dieser Branche dürften so exorbitant - im Vergleich zur seriösen Wirtschaft - ausfallen, dass sich so mancher bisher unbescholtene Unternehmer und Mitarbeiter gut überlegen wird, ob er dieses oder jenes düstere Angebot wirklich nicht doch annehmen will. Es wird sehr schnell, sehr viel Geld verdient werden - und am Ende ist wie üblich in solchen Gesellschaften, sich jeder selbst der Nächste.

Von Geburt an unmündig

Einst war die Datensparsamkeit noch ein Thema. Erst mit dem Eintritt ins Berufsleben erhielten junge Berufsanfänger eine Steuernummer und eine Sozialversicherungsnummer. Im Unterschied zu Neugeborenen und Kleinkindern waren diese jungen Berufstätigen bereits volljährig oder wurden es in nur wenigen Jahren und waren damit eingeschränkt oder bereits voll geschäftsfähig. Damit waren sie nichts weniger als handlungsfähig. Waren sie vorher aus ihrem Elternhaus ausgezogen, kannten Eltern, die Familienkasse oder andere Behörden - außer dem Finanzamt - ihre Steuernummern nicht einmal.

Mit der Einführung von diversen Daten für Neugeborene und Minderjährige, u.a. Fingerabdrücke ab 6 Jahren im Reisepass, aber inbesondere die lebenslängliche Steuer-ID hat sich der Gesetzgeber von der guten Praxis verabschiedet, von Neugeborenen, Kindern und minderjährigen Jugendlichen keine unnötigen Daten zu erheben, zu speichern oder zu verarbeiten, die diese Kinder, obwohl es ihre persönliche, lebenslängliche Nummer ist, selbst nicht verwenden können, weil sie weder berufstätig sind, noch in der Lage sind, eine Entscheidung zu treffen, wem sie wo ihre lebenslängliche Steuer-ID übermitteln wollen oder nicht. Im Gegensatz zu Volljährigen sind Säuglinge und Kleindkinder eben nicht geschäftsfähig und damit auch nicht handlungsfähig.

Damit wird ihnen die eigenverantwortliche Erhebung, Speicherung und Verwendung ihrer eigenen Steuer-ID-Nr. - oder ihre Zustimmung darüber - unter Umgehung ihrer Persönlichkeitsrechte und sämtlicher Datenschutzrechte von Geburt an verwehrt. Im Gegenteil, ihnen wird sogar ohne irgendeine gesetzlich festgelegte Nutzung oder gar deren Begrenzung einfach mal so per Geburt die Hoheit über ihre eigene Steuer-ID verweigert - und ganz unbürokratisch an ihre gesetztlichen Vertreter, in der Regel die Eltern, übergeben.
Diese gelangen in Kenntnis der lebenslänglichen Nummer ihrer Kinder und können den Datensatz der Steuer-ID, ohne ihre Kinder jemals befragem zu müssen oder überhaupt befragen zu können (schwierig bei Neugeborenen), erheben, speichern und weitergeben - in eigener Entscheidung als die gesetzlichen Vertreter von Minderjährigen - und ohne Begrenzung.

Die per Geburt erzwungene Übertragung der Steuer-ID an die gesetzlichen Vertreter sämtlicher Generationen seit 2008 ist der eigentliche Skandal an der Einführung der Steuerindentifikations-Nummer. Während vor deren Einführung Eltern oder andere gesetzliche Vertreter von Kindern, die Sozialversicherungsnummern und Steuernummern ihrer Schutzbefohlenen oftmals gar nicht kannten, weil diese, wie man jetzt sieht, aus guten Gründen, erst an Volljährige und junge Erwachsene vergeben wurden, wurde den Kindern ab 2008 mit der neuen Praxis, die Kenntnis und Nutzung einfach per Geburt auf die Eltern o.a. Vertreter zu übertragen, jedes eigene Recht auf ihre eigenen Steuer-ID und damit sämtliche dort aufgeführten Daten inklusive der Schutz dieser Daten einfach mal so: geraubt. Dagegen erhalten Eltern u.a. gesetzliches Vertreter von Kindern, per Geburt einseitig, ohne ein ausdrückliches Einverständnis, nicht mehr und nicht weniger als: Kenntnis, Zugriff und Verfügungsgewalt über die Steuer-ID ihrer Kinder.

Die Steuer-ID - und die liebe Verwandtschaft

Die meisten Eltern und gesetzlichen Vertretervon minderjährigen Kindern und Jugendlichen werden mit den Daten ihrer Schutzbefohlenen natürlich sorgfältig umgehen. Sie sind darüber hinaus verpflichtet (und können es sich nicht aussuchen), die Steuer-ID ihrer Kinder an die Familienkasse weiterzuleiten, wenn sie Kindergeld erhalten wollen. Doch gilt diese Sorgfalt wirklich für alle? Und was ist mit Geschiedenen, ehemals Verpartnerten und Betreuten? Gilt für diese auch kein Datenschutz mehr - ausgerechnet bei der Steuer-ID?

Würde der Gesetzgeber, der die Steuer-ID eingeführt hat, wirklich für alle Eltern, gesetzlichen Vertreter, ehemalige Lebensgefährten und Mitarbeiter in Behörden etwa seine Hand ins Feuer legen und dafür haften wollen, dass ausnahmslos kein Missbrauch betrieben wird, mit einer Nummer, mit der man in Kombination mit ein paar anderen Daten nicht nur Kindergeld beantragen, sondern auch Grundstücke eintragen lassen, Versicherungesverträge, Krankenkassenverträge abschließen und Bankkonten eröffnen kann - ohne dass die betroffenen Kinder und Jugendlichen u.a. irgendein eigenes Recht erhalten, ihre Datzenschutzrechte geltend zu machen, ihre Meinung zu äußern, gar sich dagegen zu wehren und Widerspruch einlegen zu können?
Gibt es Garantien in dem Gesetz, dass Eltern u.a. gesetzliche Vertreter von Minderjährigen, dass Verflossene, ehemalige Arbeitgeber, Ex-Ehepartner oder Mitarbeiter in der Personalabteilung, die Steuer-ID von Kindern, Pflegekindern, Adoptivkindern, Pflegebedürftigen, Ex-Partnern und Ex-Kollegen tatsächlich aus ihren Unterlagen löschen, vergessen und nicht mehr weiter verwenden, wenn ihre Kinder volljährig geworden, der Gatte sich getrennt oder die Mitarbeiterin gekündigt hat?

Vielleicht wissen sich Erwachsene gegen den erst noch auf uns zu rollende Welle Cyberkriminalitäts-Tsunami per Steuer-ID einigermaßen zu wehren, aber ausgerechnet minderjährige Kinder werden damit unfreiwillig ab Geburt zu unfreiwilligen Datenlieferanten ihrer eigenen persönlichen Daten an die unterschiedlichsten, ihnen selbst komplett unbekannten, verarbeitenden Stellen gemacht, wozu sie selbst nie um ihr Einverständnis gebeten worden sind - und darüber hinaus nie selbstständig zugestimmt haben. Ich halte diese Verdonnerung zur passiven Datenerhebung, -speicherung und -weiterleitung von ganzen Generationen ab dem Jahr 2008 ganz persönlich für verfassungswidrig. Die Einführung einer Steuer-ID ab Volljährigkeit oder mit Eintritt ins Berufsleben hätte vollkommen ausgereicht, wenn sie denn unbedingt sein muss. Die jetzt auftauchenden Probleme, insbesondere die immensen Gefahren steigender Datenkriminalität, wären gar nicht erst entstanden, hätte man auf eine lebenslange Nummer ganz verzichtet und sich etwas Besseres einfallen lassen - und diese Probleme betreffen in Deutschland, wohlgemerkt: jedes einzelne Kind ab Geburt.


2019-10-01, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz

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