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Gefahren des Lebens - Alles macht krank

Der Nichtraucherschutz wird in hohen Tönen gepriesen, an anderen Gesundheits-Präventiv-Maßnahmen gleichzeitig gespart

von Angelika Petrich-Hornetz

Alkohol macht krank Dieser Artikel soll die Gefährlichkeit von Tabak nicht in Abrede stellen, im Gegenteil: Rauchen ist nachweislich lebensgefährlich, führt zu Lungenkrebs, zu zerstörten Adern, Herz- Kreislauferkrankungen, Raucherbeinen und vielem anderen mehr, häufig auch zu einem vorzeitigen Tod.

Trotzdem fragen sich nicht nur notorische Raucher, angesichts des kürzlich stattgefundenen Nichtraucher-Kanzlerin-Länder-Gipfels und spätestens seit den 2003 eingeführten Warnschildern auf Zigarettenschachteln, gerade beim Thema Alkohol, ob nicht wenigstens vor dem Trinken genauso gewarnt werden sollte? Nicht nur die allgegenwärtige Lobpreisung des Nichtraucherschutzes, sondern auch das Design der Warnschilder im Stil einer Todesanzeige auf Tabakwaren ist mehr als nur eine Frage des persönlichen Geschmacks, sondern auch eine, ob wir alle, als Verbraucher, wirklich so unwissend sind, dass wir solche drastischen Warnungen tatsächlich benötigen - oder vielleicht etwas ganz anderes (gern auch auf EU-Ebene)?

Alkohol. Chronischer Alkhoholmissbrauch fügt nicht nur dem konsumierenden Alkoholiker, sondern auch seiner Umgebung unter Umständen großen Schaden zu. Abnehmende Zurechnungsfähigkeit bei ansteigender Aggressivität sind keine seltene Paarung bei Alkoholabhängigen. Die Abhängigkeit ist wissenschaftlich mindestens genauso gut belegt, wie die der Raucher vom Nikotin, und die Folgen im Allgemeinen bekannt: Schwere Verkehrsunfälle, wenn jemand betrunken Auto fährt oder Familien von Alkoholikern, die unter Schulden und aggressiven Attacken bis hin zu regelmässiger Körperverletzung zu Grunde gehen. Darum experimentieren wir einmal mit den Raucherwarnungen und ersetzen das Wort Rauchen schlicht durch die Begrifflichkeiten, die allesamt Gefahren des Lebens sein können, und von denen es selbstverständlich noch viel mehr gibt.Wie Sie sehen, in den meisten Fällen passen die modifizierten Warnungn, oder? Schreiben Sie uns dazu gern Ihre Meinung.

Fettsucht macht krank Fettsucht Die Weltgesundheitsorganisation, bezeichnete den Diabetes mellitus als die Pest des 21. Jahrhunderts. Diabetes mellitus Typ 2, früher einmal tatsächlich noch als Altersdiabetes bezeichnet, breitet sich gegenwärtig pandemie-artig unter Kindern und Jugendlichen in den Industrienationen aus und hat vor allem eine Ursache: Es wird zuviel und falsch gegessen - bei gleichzeitig abnehmender Bewegung. Das hält keine Bauchspeichdrüse auf die Dauer aus. Die dicken Kinder von heute sind die Diabetiker von morgen. Sollte also eine Warnung auf allen fetten und süßen Speisen angebracht sein?

Alkohol in der Schwangerschaft ist ein sehr, sehr trauriges Thema. In Deutschland werden jährlich etwa 2.000 körperlich geschädigte Kinder geboren, kaputtgetrunken von ihren Müttern während der Schwangerschaft. Die Schätzungen für Alkoholkinder, die keine sichtbaren körperlichen Zeichen tragen, dennoch psychisch und geistig betroffen sind, gehen in die Zehntausende. Immer noch kein Bedarf an einer Warnung vor Alkohol ? Wenn Kinder nun nicht mehr Schäden als Passivraucher davontragen müssen, bleibt also gleichzeitig Hochprozentiges über die Nabelschnur gänzlich unbehelligt? Ist das gerecht?

Alkohol macht krank 2

Asbest, Diesel und Feinstaub. Rauchen gilt als die Hauptursache von Lungenkrebs. Doch es gibt auch ein paar andere Stoffe, die als Auslöser diverser Lungen-Erkrankungen in Frage kommen. Ob Asbest, Feinstaub oder Dieselruß: Während Asbestschäden erkannt und anerkannt sind, wird um die Gefährlichkeit der beiden letzteren noch gestritten. Dennoch sind auch hier vorwiegend kleine Menschen als passive Einatmer in potenzieller Gefahr. Darüber hinaus sind besonders diejenigen betroffen, die beruflich mit gefährlichen Stoffen zu tun haben. Abseits von Asbest-Schäden: Werden zum Beispiel Kraftfahrer oder Anwohner von viel befahren Straßen etwa stets durch auffällige Hinweisschilder davor gewarnt, welchen Gefahrenquellen sie sich im Beruf und in ihrer Wohnung alltäglich aussetzen?

Kaffee macht krank Kaffee. Und welcher Berufstätige freut sich nicht über eine Tasse Kaffee, um einen Durchhänger zu überbrücken? Vielleicht auch zwei, oder drei oder vier? Ab der fünften Tasse gibt es noch keine messbaren, meist aber spürbare Schäden. Der geübte Kaffeetrinker ist darüber hinaus gar nicht so leicht wegzubekommen - von seinem Lieblingsgetränk. Ob Coffein abhängig macht, ist umstritten, doch es gibt immerhin einen Gewöhnungseffekt, der im Coffeinismus, im übertriebenen Abusus gipfeln kann. Kindern flößt ein verantwortungsvoller Erwachsener darum besser keinen Kaffee ein. Sollte auf jedes Kilo duftenden Kaffees doch besser eine Warnung, um das für große Menschen so köstliche Getränk vor Kindern fernzuhalten?

Weitaus mehr als Kaffee konsumieren Kinder und Jugendliche in zunehmenden Masse Alkohol. Nicht nur die, die sich am wenigsten wehren können, die Ungeborenen, werden immer öfter unfreiwillig alkoholabhängig. Auch eine natürliche Unwissenheit in der Abschätzung der Folgen des Alkoholkonsums trägt eine Menge dazu bei, dass so mancher junge Mensch plötzlich an der Flasche hängt. Wer die Deklarationen mancher Mixgetränke durchließt, wird belehrt: Wer lesen will, ist klar im Vorteil. Doch viele Tests beweisen: Nicht jedes Personal wendet die neuesten Jugendschutzgesetz im betrieblichen Alltag auch an. Wäre hier etwa eine Warnung, alkoholische Getränke dürfen nur an Volljährige verkauft werden - auf jeder einzelnen Flasche im Todes-Anzeigen-Styling - angebracht, damit's mit dem Jugendschutz auch überall wirklich funktioniert?

Ernährung macht krank Anlässlich des Weltdiabetestages vor gut drei Jahren, am 14. November 2003, wurde, wie jedes Jahr, von vielen Stellen, Verbänden und der Politik darauf hingewiesen: Diabetes mellitus Typ 2 entwickelt sich vor allem aus der Kombination falsche Kost, damit Fettleibigkeit plus Bewegungsmangel. Wer so seine Bauchspeicheldrüse und Gefäße malträtiert, gehört bald zu den besten Kunden der Pharmaindustrie, die vor nicht allzu langer Zeit die sogenannte ED = erektile Dysfunktion der Diabetiker entdeckt hat. Diabetes ist die häufigste Ursache der ED.

Eine der neusten Kreationen der Lifestyle-Medikamentöre ist derweil auch die unter Händlern und Kunden sogenannte Weekend-Pille. Sie verspricht eine Wirkungsdauer von 24 Stunden. Die mit einer Wirkung von 36 Stunden kämpfte 2003 noch um ihre Zulassung, heute kein Thema mehr, bzw. eines hinter vorgehaltener Hand, denn es handelt sich vor allem um ein lukratives Geschäft mit sicherer Kundenbindung: Mehr als 50 Prozent Diabetiker sollen innerhalb von zehn Jahren nach Diagnosestellung eine ED entwickeln. Allein im ersten Halbjahr 2003 konnten ED-Medikamente um 28 Prozent zulegen, Umsatzsteigerungen, von denen andere Hersteller weiter träumen dürfen.

Fettsucht macht Kinder krank Und soviel ist sicher, der Markt wird weiter wachsen: Die WHO prognostizierte eine weltweite Verdoppelung von heute 150 Millionen auf 300 Millionen Diabetiker im Jahr 2025. Die Branche schätzt, dass in Deutschland bis Ende des Jahres (2003) 90 Millionen Euro für Potenzpillen ausgegeben sein werden. Viagra setzte 2002 weltweit 1,5 Milliarden Dollar um, und rief damit die Konkurrenz auf den Plan, die sich angesichts solcher Zahlen nachvollziehbar nicht enthalten kann. Doch die Pharmabranche hat etwas, was andere nicht haben, den sogenannten Waschzettel, die Volldeklaration. Über Inhaltsstoffe, Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und deren Inhaltsstoffen müssen Verbraucher und Patienten informiert werden. Das ist Vorschrift. Ist die Volldeklaration vielleicht die Zukunft jedes industriell gefertigten Produkts? Jedes Produkt bekommt einen zwei Seiten langen Waschzettel, der auf Nebenwirkungen und Langzeitfolgen hinweist? Und was sind die Alternativen?

Alkohol macht krank 3 Was ein gutes Geschäft für die Pharmaindustrie zu sein scheint - immer mehr kranke Kunden, ist ein schlechtes für Steuerzahler und Sozialversicherungen: Die Kosten galoppieren der (in die Krankenkassen einzahlenden) Gesellschaft davon. Untersuchungen der Kosten für Diabetes ( Code-2 Studie 1998, Quelle: Diabetiker Journal) in Deutschland ergaben, dass etwa 8 Prozent aller Leistungen des Gesundheitswesen auf die Behandlung von Diabetes mellitus Typ 2 entfielen. Das waren etwas mehr als 9 Milliarden Euro im Jahr. Da die Zahlen aus dem Jahr 1998 stammen, dürften sich die Kosten mit dem Anstieg der Erkrankungen inzwischen erhöht haben. Fachleute, wie der Präsident der Deutschen Diabetesgesellschaft, Prof. Wieland Kies, warnten bereits 2003 immer eindringlicher:Bereits jetzt ist der Diabetes mellitus in allen Altersstufen die häufigste chronische Erkrankung. Eine Stichprobe in der Region Augsburg ergab, dass allein dort rund 40 Prozent der Bevölkerung hinsichtlich ihres Zuckerstoffwechsels auffällig waren. Wo bleiben aber die Warnungen auf Produkten und an jedem Auto, dass Sie sich gefälligst zu Fuß bewegen sollten? Aus der Schweiz stammt die jüngste Idee, Schulen mit einer autofreien Zone zu umgeben, damit Schüler nur noch zu Fuß zur Schule gingen, und sich damit mehr bewegten. Sind autofreie Zonen in Kombination mit Warnschildern etwa eine Lösung des Problems?

Interessant ist, dass die geringsten Kosten von den eigentlichen Diabetiker-Medikamenten, Insulin in Tabletten oder Spritzen-Form, verursacht werden. Die Kostentreiber sind nachweisbar die Folgeerkrankungen wie Gefäßschäden, Nieren- und Augenleiden, Herzinfarkt und Schlaganfall. Das bedeutet, ein gut eingestellter Diabetes ist besser, als ein schlecht behandelter, noch besser ist die Abwesenheit von Typ 2 und damit die Vorbeugung. Um diese kommt niemand vorbei, weder zum Thema Fettsucht als solche noch in Bezug auf ihre Folgekosten. Sind die Verbraucher tatsächlich so uninformiert, dass eine Warnung mit schwarzem Rand nun auf allen fett- und zuckerreichern Produkten gerechtfertigt wäre? Und würden diese dann weniger essen und sich mehr bewegen?

Straßenverkehr macht krank In Deutschland verklagte vor ein paar Jahren ein Raucher eine Tabakfirma und verlor, ähnlich ging es einem Schokoladen-Riegel-Konsumenten. Was in den USA längst gang und gäbe ist, die Verantwortung für die Abhängigkeit von einem Produkt allein Herstellern anzulasten, findet auch in Europa immer mehr Anhänger - bisher mit noch mäßigen Erfolgen vor Gericht. Im September 2003 hatte in Frankreich ein Gericht die Klage einer Sozialversicherung abgewiesen, die 18, 6 Millionen Euro Schadensersatz für Behandlungskosten eines Rauchers forderte. Auch sie verlor. Ist es dabei lediglich eine Frage der Zeit, wann Raucher, Fettleibige, Medikamentenabhängige, Alkoholiker und Verkehrsteilnehmer nicht mehr versichert sein werden? Was haben Vekehrsteilnehmer damit zu tun? Bitte lesen Sie weiter.

Das Argument des Gerichts in Frankreich: Was bei Unfällen möglich ist, den Verursacher zweifelsfrei zu ermitteln, funktioniert bei Krankheiten - und erst recht bei chronischen Erkrankungen nicht ganz so einfach. Bis sich eine Störung als Krankheit manifestiert, müssen in der Regel verschiedene Faktoren zusammentreffen. Bei chronischen Erkrankungen kommt eine jahrelange Vorgeschichte hinzu, die hochkompliziert sein kann und zum Beispiel aus genetischer Vorbelastung, jahrelangem Abusus, dem Ausgesetztsein ungünstiger Umweltbedingungen und so weiter bestehen kann. Kann man das alles und vor allem immer zweifelfrei messen? Messen kann man die Folgen hier und dort schon recht ordentlich. Und jeder Konsument kann, wenn zwar nicht die Erbmasse, zumindest sein Verhalten ändern. Eine Erkrankung auschließen, kann allerdings immer noch niemand, Genetik und Lebenstil hin- oder her. Die Schuldfrage bei chronischen Erkrankungen im Hinblick auf ihre immensen Kosten, ist nicht nur aus Solidarität eine sehr zweifelhafte, sondern auch, weil sie einfach nicht hunderprozentig zu klären ist. Das ist nicht immer nur zum Vorteil des Kranken, sondern zum Beispiel ebenso für Dritte, deren (Umwelt) der Kranke ausgesetzt war. Warum also wird sich der Tabak herausgpickt, wenn die Gefahren des Lebens doch eigentlich so zahlreich sind?

Arbeiten macht krank Immer wieder wird moniert, dass sogar Ärzte in Krankenhäusern zur Zigarette greifen. Diese, so argumentieren beflissen auf den Nichtraucherschutz hinwirkende Nichtraucher, müssten es doch eigentlich besser wissen. Müssten sie. Nur, hat von den Kritikern schon einmal jemand zwei Schichten hintereinander Diabetiker im Akkord operiert oder Alkoholiker am Steuer aus Unfallwagen in Einzelteilen heraustransportiert - ohne eine Tasse Kaffee oder eine Zigarette danach? Ein Vollkornbrot, eine gesunde Mahlzeit mit Gemüse ist selbstverständlich grundsätzlich immer vorzuziehen - und gesünder. Es macht nur bedauerlicherweise eher satt und zufrieden - und müde, ein Zustand, den sich so mancher in einer Hochverfügbarkeits-Arbeitswelt immer weniger leisten kann. Manche haben temporär Wichtigeres im Kopf, als ausgerechnet den Nichtraucherschutz eines am Straßenrand liegenden Polytraumas zu wahren - und damit in dem ein oder anderen Einzelfall gar nicht schlecht entschieden. Unsere Arbeitswelt trägt damit durchaus nicht wenig zu ungesunder Lebensweise bei - allen Arbeitsschutzgesetzen zum Trotz.

Arbeiten macht alt Trockene Büroluft, ein Straßenverkehr, den man genauso gut als täglichen Stressverkehr bezeichnen kann, Kinderbetreuung, die berufstätige Eltern zur Verzweiflung treibt, Überstunden, Mehrarbeit, real sinkende Gehälter: All das kann in immer mehr Druck ausarten und hat in der Summe negative Auswirkungen auf die Gesundheit. Mangelnde Bewegung einerseits und Überforderung andererseits plus ungesunde Ernährung: Die Geheimnisse der modernen Gesellschaft, die langsam, aber sehr sicher zur Diabetes-Gesellschaft mutiert, sind zwar einfach zu erkennen, doch umso schwieriger scheint es, hier etwas zu ändern.

Spätestens, wenn der so hochverfügbare Arbeitnehmer oder Arbeitgeber die Warnung auf der Zigarettenschachtel liest, packt er dann die Rauchware weg, geht nach Hause und legt sich aufs Ohr, was eigentlich das Vernünftigste wäre? Nein, er raucht oder trinkt Kaffee oder beides - und eilt zum nächsten Notfall, wie immer der auch aussehen mag. Welcher Raucher würde behaupten, es hätte nicht diese Momente gegeben, in denen er hätte verzichten können, die Sucht war gar nicht so groß, doch er gab nach, aus diesen oder jenen Gründen. Andere haben den gleichen Stress und sie essen zuviel. Oder sind diese tatsächlich die gesunden, Superhelden, ohne jedes Laster, immer bereit und einsatzfähig? Kann man es allein der Industrie ankreiden, wenn die meisten Menschen keine Superhelden sind? Kann man nachweisen, dass die alleinige Verantwortung in der Bereitstellung eines Produkts besteht?

Fettsucht ist tödlich Kein Zweifel, wir brauchen gesündere Produkte. Längst stellen die Fastfoodketten und -Hersteller - anfangs nur in den USA, inzwischen auch in Europa - ganze Produktlinien um. Sie sind sich der dämmernden Gefahr bewusst. Findige Anwälte haben nach der Tabakindustrie die Ernährungsindustrie als mögliche Einnahmequelle entdeckt, und man rüstet sich zur (langen) Schlacht um des Verbrauchers Schutz. Was sich zunächst vernünftig anhört, den Dickmachern die Stirn zu bieten, mündet indes in das alte Spiel:
Statt gesündere Produkte herzustellen und Ernährung und Bewegung zu fördern, wird lediglich die Produktion von was auch immer rechtlich wasserdicht gestaltet. Der Verbraucher wird sich in dem Fall, daran gewöhnen müssen, mit solchen Warnungen auf sämtlichen Produkten beglückt zu werden. Damit hat man seine Schuldigkeit getan. Die hübschen, einladenden Werbeverpackungen werden passé sein - ein Relikt, vergangener, romantischer Wirtschaftstage. An Stelle deren: Todesanzeigen - für die Gefahren des Lebens, und was alles krank machen kann, wird man an der Steigerung der Warnschilder ablesen können.

Dank Produkthaftungsgesetz gibt es jetzt schon enorme Stilblüten: . Der über soviel Sorgfalt verblüffte Kunde wird zum Beispiel darauf hingewiesen, keine Fertiggerichte mit der Packung zu verzehren oder das Haustier nicht bei 40 Grad in der Waschmaschine zu schleudern.

Doch was bringt uns eine Industrie, die zuerst krank, dann abhängig macht und dann wird sie bewegungsunfähig verklagt? Was spricht dagegen, politische Signale zu setzen, und gleich an der Wurzel zu subventionieren, wo weniger fett, krank und giftig produziert wird? Was spricht dagegen innovativer zu produzieren? Der Verbraucher wird kritischer, die ersten Kinder der Generation Biobrot sind inzwischen groß und hatten die Chance Geschmacksnerven zu entwickeln. Doch auch in Europa wird der Tabakanbau bis 2010 subventioniert. Er verschlingt in etwa die gleichen Millionen Euro, wie die parallel laufenden Kampagnen gegen das Rauchen.

Schweinefleisch macht krankNeben der Verantwortung von Politik und Wirtschaft, gesündere Lebensweise zu (be-)fördern, gibt es auch noch zumindest einen Rest Eigenverantwortung, die jeder Erwachsene in westlichen Industrienationen zu pflegen hat. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Regionen sind die Bürger in Europa relativ gut informiert oder in der Lage sich entsprechende Informationen zu beschaffen. Wir haben schon genug Gesetze, die zu seltsamen Erscheinungsformen führen. Wer im Alkoholrausch seine Frau erschlägt, kann u.U. als vermindert schuldfähig auf ein mildes Urteil hoffen. Das Opfer kann leider nicht mehr klagen. Wäre es lediglich schwer verletzt worden, würde es dann den Schläger oder den Schnapsfabrikanten verklagen? Würde das Unfall-Opfer im Straßenverkehr den Autohersteller verklagen, der Wagen herstellt, die 250 km/h fahren oder gar den Staat als Straßenbauer oder doch eher den Unfallverursacher? Und spätestens hier stellt sich die Frage, wieviel gesunden Menschenverstand kann man bei allen am Marktgeschehen Beteiligten noch voraussetzen? Wer verklagt wen als nächstes? Oder sollte der Richter gleich alle Marktteilnehmer zum Arzt schicken - zum Gesundheitstest, ob diese überhaupt noch in der Lage sind, selbständig - ohne Vormund -, am Konsum teilzunehmen?

Auch die OECD schlägt immer wieder Alarm, es werde zwar weniger geraucht und getrunken, aber die Menschen würden immer dicker. Nur, wir sind keine Analphabeten, abgeschnitten von sämtlichen geschriebenen Erkenntnissen über Inhaltstoffe und Untersuchungen in Studien und Zeitungsberichten. Wir können nichts dafür, wenn wir Sachen zu uns nehmen, von denen heutzutage fast jedes Kind weiß, dass sie ungesund sind, mag für andere Teile der Erde durchaus Gültigkeit besitzen. In Deutschland und den USA kann man sich mit soviel angeblichen Unwissen nicht mehr herausreden, weder Konsumenten noch Hersteller. Selbstverständlich muss die Industrie ihren Teil beitragen. Vor allem sollte sie innovativere Produkte und Dienstleistungen anbieten und begreifen, das Kunden binden nicht bedeutet, diese wie Abhängige zu halten - und nebenbei die Gesellschaft auszuschlachten. Allerdings ist der Wert von Sammelklagen einiger Fettleibigen-Clubs wohl auch eher auf den einer interessanten Einnahmequelle für ein paar Anwälte begrenzt. Für die ganze Gesellschaft bringen solche großzügigen finanziellen Absicherungen einzelner Erkrankter rein gar nichts. Auf den Kosten für den Rest bleiben die zukünftigen Generationen sitzen.

Fettsucht ist tödlich 2 Der Nichtraucherschutz, der weltweit herausgestellt wird - als sei Lungekrebs die einzig wahre Gesundheits-Gefahr für westliche Industrienationen - ist eine Sache, das Streichen der Mittel für Sportunterricht an Schulen, Einführung und stoische Anhebung von Sportplatz-Gebühren, Einsparen von kommunalen Begegnungsstätten für Jugendliche, das Betonieren von Kinderspielplätzen (inzwischen gilt tatsächlich die sinkende Zahl der Kinder Deutschlands Kommunen als Argument hierfür) - und damit die politisch aktiv betriebene Einschränkung der Bewegung von Kindern und Jugendlichen und deren damit einhergehende Verdrängung aus dem öffentlichen Raum - sind eine andere Sache. Nur, ist es genau die, die den Schlüssel zu einem ganz anderen Gesundheitsproblem reicht: der mangelnden Bewegung. Der sicher notwendige, in aller Munde diskutierte Nicht-Raucherschutz drängt andere Gesundheitsgefahren nahezu an den Rand und wirkt wie ein Ablenkungsmanöver von der Unfähigkeit der Politik mit anderen, genauso dringlichen Gesundheitsgefahren für breite Teile der Bevölkerung bewusst und langfristig planend umzugehen.

Es wird höchste Zeit für den Schutz der Bewegten und Sportiven vor der steigenden Bewegungslosigkeit. Die Zahl der Stubenhocker nimmt, anders als die der Raucher, ständig zu und ist zumindest ein ebenso schlechtes Vorbild für die nächste - eine zunehmend sitzende und krank werdende - Generation sowie ein Beispiel dafür, wie populäre Einzelmaßnahmen stets hochgepriesen und dabei sinnvolle und langfristige Gesundheits-Prävention, wie der Schulsport und öffentliche Spielräume, gleichzeitig eingespart werden. Das ist weder sinnvoll noch erspart es dem Gesundheitssystem Kosten, im Gegenteil. Dabei macht Prävention durch Bewegung sicher auch mehr Spaß, als in einer Welt voller Todesanzeigen-Warnschilder leben zu müssen.


2006-12-21 by Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: © Angelika Petrich-Hornetz
Illustration: © aph, Wirtschaftswetter
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