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Führung, Verantwortung, Vertrauen

Interview mit Dr. Reinhard K. Sprenger
Die Fragen stellte Angelika Petrich-Hornetz

Der profilierte Management-Berater und -Autor Dr. Reinhard K. Sprenger setzt konsequent auf selbstverantwortliches Handeln und überlegtes Vertrauen. Wir befragten ihn u.a. zu Bedeutung von Erwartungen sowie zur Gegenwart von Kontrollen und steigender Überwachung.

Wirtschaftswetter: Herr Dr. Sprenger, vor ein paar Jahren wiesen Armin Falk und Michael Kosfeld* in einem Experiment nach, dass Kontrolle und Misstrauen die Arbeitsleistung von Mitarbeitern senkten. Fühlen Sie sich durch das Ergebnis bestätigt?

Dr. Reinhard Sprenger: Manchmal ist es mir angenehmer, enttäuscht zu werden. Um zu sehen, dass Misstrauen die Arbeitsleistung senkt, reicht aber schon der gesunde Menschenverstand aus. Wichtig dagegen scheint mir, das Thema nicht moralisch-wertend zu behandeln, sondern sich nüchtern auf die Konsequenzen zu konzentrieren. Und da ist in den meisten Fällen eine hohe Kontroll- und Verregelungsdichte kontraproduktiv

Wirtschaftswetter: In dem Experiment sorgte allerdings auch ein hoch angesetztes Arbeitspensum plus Kontrolle für gleich gute Ergebnisse wie bei den Mitarbeitern, denen völlig freie Hand gelassen wurde, wie viel sie leisten wollten. Warum wirken hohe Erwartungen positiver und niedrige eher abstoßend??

Dr. Reinhard Sprenger: Hohe Erwartungen wirken wie eine Einzahlung auf ein imaginäres Beziehungskonto. Die Einzahlung wirkt verpflichtend und motivierend, weil es dem Kontoinhaber etwas zutraut. Er fühlt sich geehrt und will in der Regel das Konto ausgleichen, d.h. das Vertrauen bestätigen. Zu hohe Erwartungen aber wirken wieder demotivierend und führen dazu, dass auf dem Konto überhaupt kein Zahlungsverkehr mehr stattfindet. Das gilt auch für niedrige Erwartungen - sie erzeugen keinen Verpflichtungssog, im Gegenteil: Sie sorgen für die freizeitorientierte Schonhaltung.

Wirtschaftswetter: Für Probleme in den Unternehmen sorgen jedoch nicht diejenigen, denen man vertrauen kann, und nirgendwo wird so viel gelogen wie in Heiratsanzeigen und Bewerbungen - sagt der Volksmund. Wie kann ein Unternehmen möglichst frühzeitig erkennen, welcher neue Mitarbeiter vertrauenswürdig ist?

Dr. Reinhard Sprenger: Das ist in Bewerbungsverfahren kaum festzustellen. Außerdem ist es in Ordnung, sich bei Bewerbungen zu hübschen. Das machen die Unternehmen ja auch. Will man aber die Passung eines Bewerbers prüfen, dann eignet sich die Probezeit besser. Es gibt kein diagnostisches Verfahren, das einer seriös vorbereiteten, begleiteten und ausgewerteten Probezeit an Prognosegenauigkeit nahe käme.

Wirtschaftswetter: Was zieht hochmotivierte Bewerber an - und was schreckt sie ab?

Dr. Reinhard Sprenger: Generell ist das kaum zu sagen. Hochmotivierten Menschen muss man ein Spielfeld für ihre Motivation bieten. Die darf man nicht zu sehr einschränken. Nichts ist so demotivierend wie Unterforderung, und wir haben in den Unternehmen ein massives Unterforderungsproblem. Wer auf einem Job sitzt und nur noch seine Routine abfackelt, ist nicht mehr mit ganzem Herzen dabei.

Wirtschaftswetter: In Mythos Motivation beschreiben Sie die üblichen Motivationssysteme der Unternehmen als vergebene Liebesmüh. Was funktioniert besser als die Verführung zur Leistung?

Dr. Reinhard Sprenger: Die Führung zur Leistung. Das meint klare Absprachen, Dialog und Leistungs-Partnerschaft. Eine Führungskraft muss die Leistungsmöglichkeiten ihrer Mitarbeiter schaffen, soweit es in ihrer Macht steht. Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit sind Verantwortung des Mitarbeiters. Also noch einmal: Hände weg von der Leistungsbereitschaft! Keine Macht den Drogen!

Wirtschaftswetter: In jüngster Zeit wurden wieder öfter die traditionellen Unternehmens-Hierarchien gepriesen, in denen nur die Vorgesetzten ein hohes Maß an Entscheidungsgewalt und damit Verantwortung tragen, die Mitarbeiter lediglich zu funktionieren und Anweisungen zu befolgen haben. Woher kommt diese plötzliche Sehnsucht nach starken Führungskräften und starren Hierarchien?

Dr. Reinhard Sprenger: Ich bin gar nicht sicher, ob diese Sehnsucht wirklich existiert. Je besser Menschen ausgebildet sind, um so mehr wollen sie in der Regel selbstbestimmt arbeiten. Klare Hierarchien haben jedoch auch einen hohen Vertrauenswert, den man nicht untergraben darf. Man muss sich darauf verlassen können, dass ein Chef bestimmte Rollenerwartungen erfüllt. Wenn Hierarchien also existieren, muss man sie ehren.

Wirtschaftswetter: Können Personalentscheider überhaupt noch etwas tun, wenn sie es mit Mitarbeitern zu tun haben, die bereits die innere Kündigung als Arbeitshaltung eingenommen haben?

Dr. Reinhard Sprenger: Eher wenig. Man kann natürlich versuchen, Mitarbeiter in andere Kontexte umzusetzen. Manchmal hilft das. Wenn der Zynismus sich aber erst fest gefressen hat, wird es schwierig. Man darf niemanden unterstützen, der unter seiner Verantwortung lebt. Sonst verlieren auch und gerade Personalleiter ihre Würde.

Wirtschaftswetter: Die Misstrauens-Kultur reicht vom Dienst nach Vorschrift bis hin zu Wirtschaftskriminalität, ein handfestes Problem für viele Unternehmen. Wie kann Vertrauen trotzdem helfen - oder nützt irgendwann dann doch nur noch die lückenlose Kontrolle?

Dr. Reinhard Sprenger: Das ist abhängig vom Risikograd. Kontrolle ist da notwendig, wo missbrauchtes Vertrauen katastrophale Konsequenzen hätte. Wir dürfen den Raum der Selbsterhaltungsvernunft nicht verlassen. Also müssen wir dafür sorgen, dass nicht ein Mitarbeiter mit einem Streichholz den ganzen Landen in die Luft jagen kann. Das ist das Leitbild fehlerfreundlicher Strukturen. Aber es ist Unfug, wenn sich jede Pommesbude an der Gefahrenklasse von Atomkraftwerken orientiert.

Wirtschaftswetter: Nur eine Minderheit wird kriminell. Dem wachsenden Ruf der Politik nach mehr Kontrolle zu urteilen, scheint der Einfluss dieser kriminellen Minderheit auf die Mehrheit der Bürger und Marktteilnehmer dennoch immer größer zu werden: Fingerabdrücke - heute in Reisepässen - waren früher ausschließlich Verdächtigen vorbehalten. Heimliche Onlinedurchsuchungen sind in Deutschland geplant, in den USA längst Realität. Dort wurde Anfang August ein Gesetz verabschiedet, das ab 2012 das Röntgen von sämtlichen Seefracht-Containern aus Europa vorschreibt, die Luftfracht soll bereits ab 2010 komplett durchleuchtet werden - alles wegen der Terrorgefahr. Welche Wirkung hat Ihrer Meinung nach eine zunehmende Überwachung auf eine Leistungsgesellschaft wie die unsere?

Dr. Reinhard Sprenger: Es gibt ein Klasse von Menschen, der darf man niemals vertrauen – und das sind Politiker. Vertrauen wäre hier naiv. Es ist im Interesse der Politik, in der Bevölkerung einen hohen Angstpegel aufrecht zu halten. Und dafür sind regelmäßige Terrorakte ausgesprochen hilfreich. Man kann dann im Sinne einer völlig illusionären Sicherheit die Freiheit der Menschen sukzessive beschneiden, bis dass wir von einem totalitären Vorbeugesystem beherrscht werden. Doch die meisten Menschen verwechseln Politik mit einer Veranstaltung zum öffentlichen Wohl. Immerzu suchen sie treuherzig Beweise für die Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit der Politik. Sie werden sie niemals finden. Statt dessen werden Bürgerwürde und Freiheit von einem immer zudringlicheren Staat verdrängt werden.

Wirtschaftswetter: Und die globale Wirtschaft? Profitiert der Kunde der Gegenwart nicht sogar von mehr Transparenz durch immer mehr Kontrollen, die für ihn durchgeführt werden?

Dr. Reinhard Sprenger: Jede Kontrolle erzeugt Kontrollumgehung. Und immer mehr Kontrollen erzeugen das Problem, für deren Heilung sie sich halten. Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure? Wer schaut eigentlich denen auf die Finger, die uns Sicherheit, Gerechtigkeit oder gar Brüderlichkeit verkaufen? Und warum gibt es nur eine Monopolkommission und nicht vielmehr mehrere, die miteinander konkurrieren? Nein, es gibt Transparenz nur durch Märkte, niemals durch staatliche Regelung.

Wirtschaftswetter: Der Politiker Heiner Geißler spricht von einem großen Graben zwischen international agierenden Unternehmen und einzelnen Staaten, die vorwiegend nationale Politik betreiben. Wie können Staaten, die sich immer öfter als auswechselbare Wirtschaftsstandorte wiederfinden, und die globale Wirtschaft Vertrauen aufbauen?

Dr. Reinhard Sprenger: Wie gesagt, ich traue eher dem Wettbewerb als dem Staat. Was die Politiker fürchten, ist schlicht Machtverlust. Da hält sich mein Mitleid in Grenzen. Wir wissen doch aus der Wissenschaft, dass z.B. alle staatlichen Arbeitsmarktmaßnahmen die Arbeitslosigkeit verlängern, nicht verkürzen. Ich betone: alle! Die Menschen sollten Vertrauen in den Markt aufbauen, in den Wettbewerb und vor allem in sich selbst. Festhalten an alten nationalstaatlichen Scheinsicherheiten funktioniert nicht. Wie der Freiherr vom Stein sagte: Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hindert sein Reifen.

Wirtschaftswetter: Wird der ehrbare Kaufmann in der globalen Wirtschaft aussterben, oder geben Sie ihm eine neue Chance?

Dr. Reinhard Sprenger: Der ehrbare Kaufmann ist eine Denkfigur aus vormodernen Zeiten. Da schwingt noch viel Zunftdenken mit. Wenn Wettbewerb herrscht, dann sorgen die selbstdisziplinierenden Kräfte des Marktes schon für gute Produkte und faire Preise. Nicht sofort und auch nicht immer in wünschenswerter Weise. Aber Märkte sind Gespräche, und das Internet verbreitet Informationen über kriminelle Manager und unmoralische Unternehmenspraktiken in Windeseile über den Globus. Wenn wir als Bürger selbstverantwortlich handeln, können wir durch unser Konsumverhalten täglich Einfluss nehmen. Jeder kommt am weitesten, wenn er bei sich selber bleibt.

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Hörbuch
Business Classics,1. Auflage, 2007 im Campus-Verlag erschienen. Die Sprenger-Klassiker Mythos Motivation, Das Prinzip Selbstverantwortung und Vertrauen führt auf 6 CDs, gesprochen von Helge Heynold; Elke Schützhold; Helmut Winkelmann, 416 Minuten.

Weiterer Lesetipp: Prof. Armin Falk und Michael Kosfeld: "Distrust - The Hidden Cost of Control"


2007-10-01 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: © Angelika Petrich-Hornetz

und Gesprächspartner Dr. Reinhard K. Sprenger

Schlussredaktion: Ellen Heidböhmer
Foto Themenbanner: ©Cornelia Schaible
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