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Wassertaxis

Über die Spree direkt in die Mühlen der Bürokratie

Interview mit Gerhard Heß

Die Fragen stellte Angelika Petrich-Hornetz

Allen Verkehrskonzepten zum Trotz ächzen die Innenstädte unter der Last des Straßenverkehrs. Manchmal geht auch gar nichts mehr. Als Bundesfinanzminister Steinbrück die Hansestadt Lübeck besuchte, kam er zu spät zu seiner Veranstaltung. Er habe, so sagte er, genauso lange vom Stadtrand bis zur City gebraucht wie von Berlin nach Lübeck. Das glaubten ihm die verkehrsgeplagten Lübecker, die sich täglich über das Nadelöhr Altstadtinsel quälen müssen, aufs Wort. Auch im Stau hängen bleibende Hamburger und Berliner schauen sehnsuchtsvoll aus dem Fenster - auf komfortable Wasserstraßen. Das folgende Interview mit Gerhard Heß, der seit fünf Jahren einen Wassertaxi-Betrieb in Berlin zu organisieren versucht, ist auch ein Lehrstück über die Mühlen deutscher Bürokratie.

Spree-Taxi-Gründer Gerhard Heß Wirtschaftswetter: Wann und wie kamen Sie das erste Mal auf die Idee eines Taxis, das seine Fahrgäste nicht über die Straße, sondern übers Wasser befördert?

Gerhard Heß: Im Jahr 2001. Wir haben unsere Büroräume (Handel mit Büroausstattung) in der Nähe vom S-Bahnhof Friedrichstraße, fast direkt an der Spree. Ich gehe jeden Tag morgens und abends von der S-Bahn über die Spree zum Büro. Da ich schon immer viel mit dem Wasser zu tun hatte (Rudern, Surfschule, Bootsbau, Segeln), habe ich überlegt, wie sich mit einer Tätigkeit auf dem Wasser in Berlin Geld verdienen ließe.
Die Entwicklung an der Spree, das damals langsam einsetzende Interesse an der Spree als Fluss - weg von der reinen Transportstraße und Grenzlinie -, die vielen kulturellen und gastronomischen Einrichtungen, immer mehr Menschen am Ufer, all das führte zu der Frage, warum es bisher fast nur die Möglichkeit einer Dampferfahrt gibt, um all das zu verbinden. Meine Vorstellung war: vom Reichstag zur Museumsinsel!

Wirtschaftswetter: In welchen Ländern und Städten gibt es schon Wassertaxis?

Gerhard Heß: In den Niederlanden (Rotterdam, Amsterdam), Italien (Venedig), der Schweiz (Basel), Großbritannien (London), Frankreich (Paris), den USA (New York, Baltimore), Kanada (Vancouver), Australien (Sydney) - und sicher in noch vielen weiteren Städten, weltweit.

Wirtschaftswetter: Und was kam nach dieser ersten Idee einer ganz neuen Transportart für Berlin?

Gerhard Heß: Die erste Anfrage beim Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin (WSA), was dazu nötig ist. Und damit eine bisher fünf Jahre dauernde Odyssee durch die bundesdeutsche Bürokratie. Den Begriff Wassertaxi gab es nämlich nicht, zumindest nicht gesetzlich definiert.

Wirtschaftswetter: Noch vor einem Jahr lehnte laut einem Bericht der Berliner Morgenpost, die für Sie als Bundesbehörde zuständige Wasserschifffahrtsdirektion Ostin Magdeburg (WDO) einen Ihrer Anträge auf eine Anlegestelle mit der Begründung ab, Zitat: "die infrastrukturelle Erschließung von Berlin mit Bus, U-Bahn und S-Bahn erfordert es nicht, zum Wohl der Allgemeinheit daneben einen weiteren Verkehrsträger zuzulassen." Wie ist diesbezüglich der aktuelle Stand der Dinge?

Gerhard Heß: Ich hoffe, dass diese Feststellung nur ein Ausrutscher dieser übergeordneten Behörde in Magdeburg war. Nach dieser Logik bräuchten wir auch auf der Straße keine Taxen und auch keine Sightseeing-Busse, die Stadtrundfahrten anbieten, keine Velo-Taxis und keine Mietwagen.

Wirtschaftswetter: Mit welchen weiteren Hürden hatten und haben Sie zu kämpfen?

Gerhard Heß: Das ursprüngliche Problem war, dass mangels Regelung unser kleines Boot (5,75 m lang) als Fahrgastschiff eingestuft wurde. Dies bedeutet ein Kapitänspatent für den Schiffsführer und zwei Mann Besatzung - neben vielen anderen, für ein so kleines Boot gar nicht anwendbaren Regelungen.
Eine Klassifizierung als Charterboot wurde im Rahmen eines Taxikonzeptes von vornherein abgelehnt.
Weil es keine Richtlinien für Wassertaxis gab, wurden auch unsere Anträge für Anlegestellen gar nicht erst bearbeitet. Anders als auf der Straße geht es auf dem Wasser nicht, an jeder Stelle einfach anzulegen, sondern es müssen dafür eingerichtete Anlegestellen sein.
Diese Anträge wurden auch nach Erlass der Richtlinie - das hat im Bundesverkehrsministerium 4 Jahre gedauert - nicht bearbeitet, sondern uns zur Anpassung an die Richtlinie zurückgeschickt. Mittlerweile haben wir weitere Anlegestellen beantragt, die jetzt erst einmal in Form einer unverbindlichen Voranfrage vom WSA (Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin) sehr intensiv geprüft werden.

Wirtschaftswetter: Die schnelle Beförderung per Boot und die gemütliche Vergnügungsfahrt auf einem Ausflugsdamper haben nichts gemeinsam. Warum ist es so leicht, in Deutschland mit einem Ausflugsdampfer zu schippern, aber so schwierig, einen zügigen Personentransport auf Abruf übers Wasser zu etablieren?

Gerhard Heß: Vorab: In der Geschwindigkeit wird es keinen großen Unterschied geben (zumindest in Berlin nicht). Die Vorgaben sind hier für alle Verkehrsteilnehmer gleich, zwischen 6 und 9 km/h. Dennoch ist das Angebot ein komplett anderes. Wir wollen keine einstündige Bootsfahrt mit Stadterklärung und Kaffee und Bier anbieten, sondern die Leute eine kurze Strecke und auf Zuruf oder Bestellung befördern. Die Fahrgastschifffahrt hat dabei eine alte Tradition, die Anleger in der Stadt gehören den Reedereien, und da lassen sie natürlich keinen anderen ran.
Dazu kommen die oben beschriebenen Schwierigkeiten mit den gesetzlichen Grundlagen und der Umstand, dass die Spree eine Bundeswasserstraße ist.

Wirtschaftswetter: Werden die Berliner nach Ihrer Einschätzung voraussichtlich sehr bald ihr Taxiboot rufen können?

Gerhard Heß: Ich denke, in der nächsten Saison. Aber das habe ich auch schon vor vier Jahren gedacht.

Wirtschaftswetter: Wie hält man es als Entwickler einer vielversprechenden Firmenidee durch, dass deren Umsetzung gleich mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann?

Gerhard Heß: Nur mit der festen Überzeugung, dass es eines Tages Wassertaxis geben wird. Und dass ja wirklich jeder, der davon hört, diese Idee gut findet, hilft natürlich auch.

Wirtschaftswetter: Haben Sie je mit so vielen Schwierigkeiten gerechnet, angesichts derer vielleicht auch irgendwann einmal ans Aufgeben gedacht?

Gerhard Heß: Natürlich habe ich nicht annähernd mit diesen Schwierigkeiten gerechnet, zumal ich ja als Charterboot fahren darf. Aber wie gesagt, ich bin fest überzeugt, dass eines Tages Wassertaxis auch in Deutschland offiziell als solche fahren werden.

Wirtschaftswetter: Welcher Schritt folgt für Sie jetzt als nächster?

Gerhard Heß: Wir müssen unsere Anlegestellen genehmigt bekommen und dann der Richtlinie entsprechende Boote und Anleger bauen und finanzieren.

Wirtschaftswetter: Könnten Sie sich Ihr Konzept auch in anderen deutschen Städten vorstellen?

Gerhard Heß: Natürlich. Überall, wo am Wasser zwei interessante Ziele (Restaurant, Burg, Altstadt o.ä.) liegen, ist so ein Wassertaxi vorstellbar. Berlin bietet sich mit seinen Wasserflächen besonders an, vergleichen wir uns doch gerne mit Venedig (mehr Brücken), aber Wasser gibt es auch woanders.


2007-10-17 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz + Gsprächspartner Gerhard Heß, Spreecab

Fotos: ©Spreecab.de
Foto Themenbanner: ©Wirtschaftswetter

Schlussredaktion: Ellen Heidböhmer
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