von Angelika Petrich-Hornetz
Meine Mutter liebt Blumen, ich auch. Also bringen wir uns öfter gegenseitig einen schönen Strauß oder Blumentopf mit, wenn wir uns besuchen. Doch bei ihrem letzten Besuch hatte meine Mutter keine Blumen, sondern eine Bohrmaschine dabei, die sie mit den Worten überreichte: "Hier, die war im Angebot, ein sensationelles Preis-Leistungs-Verhältnis." In der Tat, das stimmte und damit endete entgültig die ewige Ausleiherei bei Mann, Vater und Sohn. Die Frau von heute braucht eine Bohrmaschine! Wie oft war das gute Stück nämlich verlegt. Frau steht dann vor einem lächerlich anzubringenden Regal und ärgert sich schwarz, dass weder Maschine, Schrauben oder Dübel unter ihrer ordentlichen Verantwortung stehen, denn genau da, wären die gewünschten Werkzeuge und Materialen: auffindbar.
Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass immer mehr Heimwerkermarkt-Kunden weiblich sind. Es gibt zwar unterschiedliche Zahlen, unterschiedlicher Studien, Umfragen und Meinungsforscher, doch so langsam nähern sie sich alle der magischen 50-Prozent-Marke. In den USA verstanstalten manche Anbieter sogar Lady's Nights . Am Abend ist dann der Heimwerkermarkt der Weiblichkeit vorbehalten. Neben Beratung und Produkten werden Kurse angeboten, in denen die Kundin vom Tapezieren, über Estrich verlegen bis zum Fenstereinbau alles beigebracht bekommt, was die ordentliche Heimwerkerin wissen möchte.
In Deutschland begann der Siegeszug der Heimwerkerinnen mit dem Einzug von Grünzeug und Gartenbedarf in die Baumärkte. Und wenn man, bzw. frau schon Blumenbeete entwirft und anlegt, verlegt sie die Platten für den Gartenweg gleich mit. Da ist es nicht weit her, auch noch ein vogel- oder Gewächshaus zu entwerfen. Und eines Tages konnte der Nachbar seine Nachbarin dabei beobachten, wie sie anfing, ein Carport zu bauen. Tja, und wenn im Garten alles glänzt, geht es inzwischen immer öfter im Haus weiter. Vorbei sind die Zeiten, in denen SIE vorschlug und ER ausführte. Immer öfter greift sie selbst zu Hammer und Nagel, Säge und Bohrmaschine. Der Ruf: "Liebling, schau bitte einmal, gefällt es dir so?" ertönt immer öfter von weiblichen Wesen in Latzhose oder Blaumann mit Wandfarbe im Haar .
Und wer jetzt meint, nur Leute, die sich keine Handwerker leisten können, verfallen der Heimwerkerei, ist eindeutig von gestern. Während ich die Details meiner ersten eigenen Bohrmaschine untersuche, fällt mir meine Cousine ein, die sich schon vor Jahren zur Überraschung meiner Verwandtschaft eine Bohrmaschine zu Weihnachten wünschte. Nun, als Zahnärztin mit florierender Praxis mags sie eine größere Affinität zu Bohrern haben sowie ein handwerkliches Geschick, welches nicht jeder in die Wiege gelegt wurde. Aber sonst? Wenn sie ihren Blaumann ablegt, trägt sie auschließlich Markenklamotten , kostspielige Düfte und der Champagner darf ruhig etwas kosten!
Falls Sie als Inhaber eines Heimwerkermarktes also eine öl- oder sonstwie verschmierte junge Frau in abgewetzten Hosen in ihren Geschäftsräumen auf der Suche nach Werkzeug entdecken, ziehen Sie nicht die falschen Schlüsse! Es kann sehr gut sein, dass am Abend im Golfclub oder auf einem Empfang diesselbe Person in Armani gewandet und mit Chanel besprüht an Ihnen vorbeistöckelt. Vielleicht erkennen Sie sie gerade eben noch an ihrem Lächeln, welches am Vormittag ungeschminkt und eingestaubt war. Und als liebevoller Partner, denken Sie einmal darüber nach, was Sie ihrer Frau und Freundin, die innenaustatterische Qualitäten hat, schenken können. Falls sie noch nicht so erfahren ist wie unsere Zahnärztin, dann vielleicht zur Bohrmaschine noch ein Werk dazu: "Selbst ist der Mann" Streichen Sie "der Mann" und schreiben "die Frau" darüber, denn dem Inhalt tut es nicht weh. Ein kostbares Düftchen oder wunderschöne Ohrringe dürfen Sie trotzdem beigeben, denn die Frau des 21. Jahrhunderts versteht etwas von beidem!
© 2003-11-02 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: © Angelika Petrich-Hornetz
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