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TV-Talk übers Weihnachtsgeschäft, Politik, Informationsgesellschaft

Sabine Christiansen - Thema: "Advent, Advent, die Kasse klemmt"

von Angelika Petrich-Hornetz

Heute Abend in der TV-Talkshow, Sabine Christiansen: drei Damen und vier Herren diskutierten, warum das Weihnachtsgeschäft nicht läuft. Unter den vorwiegend älteren Herrschaften, Wolfgang Clement, Theo Waigel, Heidi Knake-Werner und Willy Bogner zwei erfrischend junge Leute, nämlich Christine Bortenlänger, die Leiterin der Bayrischen Börse und Daniel Terberger, Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe. Wer die Sendung gesehen hat, und schon einmal in der Schule in einer Klausur ein Thema verfehlte, der konnte durch aufmerksames Zuhören erkennen, das es vor allem diese beiden jüngeren Gäste der Talkrunde waren, die entscheidendende Hinweise lieferten und immer wieder zum eigentlichen Thema fanden.

Frau Bortenlänger sprach nämlich u. a. darauf an, dass unter Schülern das Wissen um Wirtschaft gefördert werden muss und kritisierte die Informationspolitik sowie die Botschaften von Wirtschaft und Branchen. Und damit geht es auch um eine verfehlte Informationpolitik allgemein, die der Sendung Sabine Christiansen zum Vorteil gereicht: Herr Clement sowie Herr Waigel äußerten wieder Einzelheiten aus alten und neuen Programmen, die der Normalbürger sonst kaum irgendwo erfährt, es sei denn er liest sich sämtlich Programme haarklein durch. Was ist mit der Informationpolitik für den Bürger und zum Thema los? Wer ist für diese große Verunsicherung der Binnennachfrage verantwortlich? Herr Terberger war derjenige, der unermüdlich auf die Wirkung der Sparschere im Kopf des Bürgers hinwies, und damit die etwas zu selbstzufriedene Runde regelmässig zum Thema zurückführte. Denn das ist doch die Frage: Woher kommt diese Spar-Schere im Kopf, die langsam zu einem ernsthaften Problem wird?

Es gibt mindestens ein Dutzend guter Gründe für diese Konsumzurückhaltung und darunter herausragend die wachsende Arbeitslosigkeit, Verunsicherung über die Reformen und was das nächste Jahr bringen mag. Da kann Willy Bogner sicher mit Beratung für seine Branche aufwarten, denn dort im oberen Preissegment wird gekauft und davon, wie er das geschickt macht, könnte sich der mittelständische Einzelhandel vielleicht wenigstens ein Scheibchen abschneiden. Doch die Sparsschere im Kopf von Otto Normalverbraucher wird das allein nicht ausräumen.

Diese Kaufzurückhaltung ist auch einer Informationspolitik zuzuschreiben, die desinformierend und verunsichernd wirkt. Die Sendung Chrisitansen bot z. B. auch wieder einmal Infos, die Pressesprecher, Kampagnen, Aufklärungsaktionen der Regierung und der Wirtschaft u . a. offenbar nicht bewältigen. Die dafür verwendeten Gelder wären viel besser angelegt, wenn die Minister und Branchenkenner dem TV-Volk öfter einmal etwas mehr Hintergrundwissen zufließen lassen. Sterotype Antworten, Hochglanzborschüren und Webseiten mit FAQ-Listen, die wenige, echte Antworten liefern sind nämlich einfach zu karg in einer komplizierter werdenden Realität, in man von den Bürgern offensichtlich wie gehabt erwartet, in kollektiven Jubel auszubrechen. Sich hier etwas mehr Mühe zu geben, eine gegenwärtigere und angemessenere Informationspolitik, das würde mehr bringen. Nach dem Kraftakt des Steuerkompromiss sollte es der Regierung mit einer ensprechend zeitgemässeneren Bürgerkommunikation wirklich ernst sein. Verlassen sie sich jedoch weiterhin darauf, dass das, was durchsickert ausreicht, dann vermasseln sie sich damit ihr eigene Reform.

Wirtschaft und Politik in einer Informationsgesellschaft müssen zeitgemäss sein und sich damit entscheiden, wieviel sie aus dem Nähkästchen plaudern wollen. Kommt man ihnen jedoch wie gewohnt, vor allem von hinten herum auf die Schliche, wird die Öffentlichkeit in eine zurückhaltende, beobachtende und damit passive Reaktion geradezu gedrängt. Sie sollten daher, wie von Frau Bortenlänger vorgeschlagen, endlich aktiver werden und beginnend in den Schulen, mit richtigen, echten und angemessenen Informationen aufwarten können, anstatt zu verwirren und sich dann zu wundern, dass sie auf die Art und Weise vor allem Misstrauen ernten. Die Menschen leben in einer Multimediagesellschaft. Sie werden von allen Seiten beschallt, wer "Geiz ist geil" etwas entgegensetzen will, der muss sich etwas einfallen lassen in der Sache und in der Vermarktung dieser Sache! Ein Beispiel: Wen interessiert der kurzfristige Weihnachts-Kaufrausch, wenn die Rentenversicherer fast täglich Alarm schlagen, die Bürger müssten noch "viel mehr sparen", um später überhaupt noch eine Rente zu bekommen? Hatten hier Wirtschaft und Politik öffentlich reagiert und argumentiert? Die Altersversorgung als zweitwichtigster Verunsicherungsfaktor nach der Arbeitslosigkeit, wurde auch leider in der Talkshow nicht aufgegriffen, es wäre eine Chance gewesen, auch hier einmal ein paar Zusammenhänge zu klären.

Vertrauen ist noch nie eine private Nettigkeit gewesen, Vertrauen ist ein knallharter Wirtschaftsfaktor. Wer das praktiziert, dem wird die Hand gereicht, auch von den Kunden. Das hätte man in dieser Talkrunde, in dem festgestellt wurde, wie wichtig Psychologie in der Wirtschaft ist, zumindest einmal genannt werden können. Es geht darum, das Vertrauen verlorenging und wer Bürger und Kunden für Reformen und Einzelhandel gewinnnen will, der sollte sich einmal ernsthaft mit dem Thema Kundenrückgewinnung auseinandersetzen. Tut man dies nicht, dann können die Reformen, Reförmchen und Produkte noch so gut gelungen sein, sie kommen nicht an. Und genau hier sollte mit der Mahnung in dieser Sendung, die positive Stimmung zu nutzen, dann unverzüglich vor der eigenen Tür gekehrt werden und nicht bei verunsichertern Kunden und Bürgern: Vernünftige Entscheidungen und die richtige Information und Kommunikation, das baut Vertrauen auf, und erst dann reagiert der Emfpänger dementsprechend.

Solange Poliltik und Wirtschaft selbst die Parole "Geiz ist geil" ausrufen bzw. vorleben, müssen sie sich also auch nicht wundern, wenn das beim Konsumenten auch genauso ankommt. Immerhin ein Zeichen, dass sie hin- und wieder zuhören und beobachten, die Kunden und Bürger, es könnte also schlimmer sein. Hoffen wir auf Fortsetzungen spannender Talkrunden im nächsten Jahr, in dem wir ja sehen werden, was passiert und hoffen wir, dass mehr flankierende Maßnahmen von einer Regierung und Wirtschaft stattfinden, die den Aufschwung will, aber sich offenbar erst daran gewöhnen muss, dass die Informationsgesellschaft keine homogene, leicht zu dirigierende Masse ist und ein gesellschaftlicher Konsenz in Zeiten der Veränderung erst wieder gefunden werden muss.


2003-12-22 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz

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