von Angelika Petrich-Hornetz
Unter dem Motto, "Erfolg mit Dienstleistungen - Innovation, Märkte, Kunden, Arbeit" findet vom 10. bis 11. Dezember in Berlin die 5. Dienstleistungstagung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung statt. Forscher und Praktiker treffen dort zum Erfahrungausstausch zusammen, präsentieren Ergebnisse und geben ihr Wissen in insgesamt 12 Workshops und Foren weiter.
Dazu begrüßen wir zum E-Mail-Interview, Dr. Manfred Gößl von der IHK München, der in seiner Funktion als Leiter des Euro Info centre (EIC) für München und Oberbayern mit dem Thema "Erschließung internationaler Märkte durch kleine und mittlere Dienstleistungsunternehmen" auf der Tagung präsent sein wird.
Wirtschaftswetter: Dienstleistungen aus Deutschland. Welche Branchen und Produkte sind weltweit gefragt?
Dr. Manfred Gößl: Die Außenhandelsstatistik gibt eine klare Antwort: Die sog. „unternehmensnahen Dienstleistungen“ entwickeln sich international besonders expansiv. Das Exportvolumen im Bereich der unternehmensnahen Dienstleistungen hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt.
Zu den unternehmensnahen Dienstleistungen zählen:
- die Informationswirtschaft, z. B. alle Medien, Telekommunikation, Datenverarbeitung und Datenbanken, Marketing, Messen- und Ausstellungen, Design
- Unternehmensberatungen und –services, z. B. FuE, alle Beratungsberufe, Architektur- und Ingenieurbüros, gewerbliche Arbeitskräfte-Vermittlung, Industrielle Reinigung, Sicherheitsdienste, Schreib- und Übersetzungsbüros
- Finanzdienstleistungen, wie das Kredit- und Versicherungsgewerbe, Inkassobüros, Vermögensberatung und –verwaltung
- die Immobilienwirtschaft
Die Produkte der Branche „Datenverarbeitung und Datenbanken“ sind die Shooting Stars! Hier hat sich die Ausfuhr in den letzten zehn Jahren verzwanzigfacht von 300 Mio. EUR auf 6 Mrd. EUR.
Wirtschaftswetter: Welche Regionen sind für die deutschen Dienstleister zur Zeit besonders attraktiv?
Dr. Manfred Gößl: Leider existiert keine statistische Erfassung. Wir wissen aber von Umfragen, dass deutlich mehr als die Hälfte aller deutschen Dienstleistungsexporte nach Europa gehen. Bei Start-Ups macht das Europa-Geschäft sogar drei Viertel des weltweiten Auslandsumsatzes aus. Durch die enge Verzahnung mit der Industrie entwickeln sich die Dienstleistungsexporte tendenziell parallel zu den Warenexporten. Auch Umfragen bestätigen dies: So rücken die neue EU-Länder in Mittelosteuropa und Asien (besonders China) in den Fokus der deutschen Dienstleister. Dagegen unterscheidet sich die Entwicklung im Hinblick auf die USA: Nur wenige deutsche Dienstleister wagen es, das „Mutterland“ der unternehmensnahen Dienstleister über Exporte zu erobern.
Wirtschaftswetter:Was müssen deutsche Dienstleister, die den Schritt der Internationalisierung wagen, über ihr Angebot hinaus können?
Dr. Manfred Gößl: In einer ersten Stufe das Gleiche wie die Warenexporteure: Sie müssen die Stärken und Schwächen des Unternehmens und ihrer Produkte genau kennen, die Exportziele und die Zielmärkte definieren, die innerbetrieblichen Voraussetzungen schaffen, den Marketing-Mix festlegen, sich mit dem Thema „Recht und Verträge“ auseinandersetzen und sich schließlich um die Finanzierung Gedanken machen.
Die zweite Stufe, die die Dienstleister besonders betrifft: Die unverzichtbare Kundennähe und –betreuung verlangt kulturelle Offenheit und sehr gute Kenntnisse in der Sprache des Zielmarktes. Letzteres besorgen sich Dienstleister sehr häufig über Kooperationspartner vor Ort.
Wirtschaftswetter: Welche Standardrisiken gibt es für kleinere Unternehmen und welche im Besonderen, wenn Technologie international vermarktet wird.
Dr. Manfred Gößl: Der standardmäßige „worst case“, gerade für kleine Unternehmen, tritt immer dann ein, wenn der Kunde für die Dienstleistungen nicht zahlen kann oder will. Da die Vorfinzierungsmöglichkeiten im Dienstleistungsgeschäft nicht vergleichbar mit dem industriellen Sektor sind, kann die Nicht-Zahlung schnell zu einer Liquiditätskrise führen. Bei kleineren Projekten hingegen lohnt manchmal ein grenzüberschreitender Rechtsstreit nicht, selbst wenn die Verträge perfekt sind.
Technologievermarktung stellt sich in der Praxis häufig als internationales Lizenzgeschäft dar. Hier ist höchstes Augenmerk auf einen professionell ausgearbeiteten, internationalen Lizenzvertrag zu legen. Wenn die Lizenzgebühren umsatzabhängig gestaltet sind, ergibt sich das Risiko, dass der ausländische Lizenznehmer zu niedrige Umsätze angibt. Auch die Übertretung von vertraglich vereinbarten Limitierungen (Menge/Art und Verkaufspreis der Lizenzprodukte, Exportbeschränkungen, Nichtangriffsklauseln etc.) stellt ein Risiko dar. Und zu guter Letzt: Technologievermarktung ist immer auch Technologietransfer. Die Gefahr, einen künftigen Wettbewerber hochzuziehen, ist also immer virulent.
Wirtschaftswetter:Gerade wurde die Langsamkeit des Patentamts bemängelt. Erfindungen brauchen durchschnittlich bis zu drei Jahren, manche bis zu fünf, um ein Patent zu bekommen. Ist dies für deutsche Innovationen ein messbarer Nachteil auf den internationalen Märkten?
Dr. Manfred Gößl: Die Frage ist irrelevant für den deutschen Exporteur von innovativen Dienstleistungen. Das deutsche Patent schützt nur den deutschen Markt. Wenn die innovative Dienstleistung mit einem Patent versehen werden soll, ist ein Patent im Zielmarkt oder ein übergreifendes Patent, z. B. Europäisches Patent, nötig. Auf jeden Fall sind im Zusammenhang mit dem Exportgeschäft deutsche Innovatoren nicht besser oder schlechter gestellt als ausländische.
Wirtschaftswetter: Für kleine und mittlere Unternehmen, die noch keine Erfahrungen sammeln konnten, ist der Schritt ins Auslandsgeschäft nicht immer einfach. Welche Internationalisierungsstrategien sind gerade für die Kleinen und Mittleren die bewährten, und wo finden sie Unterstützung, um den richtigen Weg zu finden?
Dr. Manfred Gößl: Es gibt keine pauschal bewährte Internationalisierungsstrategie. Die Strategie muss immer individuell sein, von einer spezifische Stärke-Schwäche-Situation und einer spezifischen Zielsetzung hergeleitet.
Aber es gibt Daumenregeln für die kleinen und mittleren Unternehmen. Die wichtigste Regel ist: Nicht in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah. Mein Tipp: Eine europäische Landkarte nehmen, einen Zirkel an den eigenen Standort anlegen und konzentrische Kreise ziehen: der erste Kreis mit einem Radius von 50 Kilometern (das ist der typischer Handwerkerradius), der zweite Kreis mit 150 Kilometern, der dritte Kreis mit 300 Kilometern. Die Gebiete, die in den drei konzentrischen Kreisen liegen, als „Heimatmärkte“ der Stufen 1, 2 und 3 systematisch erschließen. Wenn’s weiter gehen soll: Flugplan des nächstgelegenen Flughafens besorgen und feststellen, wohin man an einem Tag hin- und zurückfliegen kann. Diese räumlichen Daumenregeln kombiniere man mit der vorhandenen Sprachkompetenz im Unternehmen und so wird schnell eine klare Struktur sichtbar.
Die örtlichen IHKs sind die erste Adresse in allen Fragen des Auslandsgeschäfts. Jede IHK hat ein Geschäftsfeld „International“. Hier sollte jede Anfrage eines Unternehmens zuerst landen. Die IHKs können viele wichtige, aber niemals alle möglichen Fragen beantworten. Zum Trost: Die IHKs wissen besser als jede andere Organisation, wer im In- und im Ausland weiterhelfen kann.
Wirtschaftswetter: Welche Auswirkungen wird die EU-Osterweiterung auf den Binnenmarkt haben und welche Strategien wären jetzt für den Mittelstand sinnvoll?
Dr. Manfred Gößl: Die Auswirkungen sind:
- mehr Wettbewerb auf allen Märkten, vor allem im Hinblick auf die Preise
- mehr volkswirtschaftliches Wachstum in Deutschland (+ 0,10 – 0,15 Prozentpunkte pro Jahr), vor allem aber in den neuen EU-Ländern
- neue Absatzchancen in den neuen EU-Ländern
Die Strategien müssen wiederum unternehmensindividuell ausfallen. Generell aber ist zu überlegen: Wie kann ich profitieren, von den höheren Wachstumsraten in den EU-Ländern (etwa 3,5 – 4,0 Prozent in den kommenden Jahren) und von der günstigeren Kostensituation (Lohnkosten in Grenznähe zu Deutschland etwa ein Viertel des deutschen Niveaus)? Stichworte: Kunden gewinnen, Vertriebspartner suchen, Standardprozesse outsourcen.
Wirtschaftswetter: Große Konzerne beschäftigen Übersetzer und Angestellte aus verschiedenen Ländern. Aber wie gehen kleine und mittelständische Firmen in Deuschland mit dem Fremdsprachenproblem um, denn nicht immer reicht Englisch? Haben Sie Tipps, wie sie es lösen können?
Dr. Manfred Gößl: Mein Tipps:
- An die nächstgelegene Universität oder Fachhochschule fahren, Zettel anpinnen: Student/in für Dolmetscherarbeiten gesucht.
- Bei künftigen Einstellungen Fremdsprachenkenntnisse besonders beachten.
Wirtschaftswetter: Wie treiben KMUs freundlich aber bestimmt weltweite Zahlungrückstände ein?
Dr. Manfred Gößl:
Mit professioneller Hilfe. So gut wie alle deutschen Auslandshandelskammern, www.ahk.de bieten ein professionelles Inkasso an, beginnend mit dem (interkulturell) richtig gewählten Wording eines Mahnschreibens. Ein toller Service gerade für KMU!
Wirtschaftswetter: Was erwarten Ihrer Meinung nach internationale Kunden von deutschen Lieferanten? "Made in Germany" als Garant für Zuverlässigkeit und Wertarbeit, gilt das heutzutage überhaupt noch?
Dr. Manfred Gößl: Made in Germany ist weltweit immer noch ein hervorragendes Qualitätssiegel. Ein deutscher Lieferant wäre schlecht beraten, diesen global bekannten Qualitätsslogan nicht zu verwenden. Wir setzen bei allen internationalen Markterschließungsprojekten für unsere Mitgliedsfirmen das Made in Germany-Emblem extensiv ein, es wirkt!
Herr Dr. Gößl, wir danken Ihnen für das E-Gespräch.
2003-11-30 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswewtter
Text ©Angelika Petrich-Hornetz
Weitere Informationen: Dienstleistungstagung
Dr. Manfred Gößl, stv. Leiter Abteilung Außenwirtschaft und Leiter Euro Info Centre München, erreichbar über die
IHK München sowie über das Euro Info Centre München
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