Die Fragen stellte Angelika Petrich-Hornetz
Hintergrund. Die personalisierte CD ist da. Die Innovative Musikhandels GmbH & Co. KG brennt seit Juni 2003 CDs nach individuellen Wünschen der Kunden. Die Musikfans suchen sich ihre Lieblingstücke aus und erhalten genau das, was sie hören wollen. Die lästige Frage, kauft man sich jetzt eine CD oder nicht, weil einem nur ein, zwei Stücke gefallen und der Rest nicht, fällt damit weg. Seit dem Einzug der Tauschbörsen, hat der Musikhandel zudem ein Problem. Während die Industrie eine Lösung in Kopierschutz, selbstzerstörenden CDs, Gebühren, Klagen u. a. suchte und sucht, nutzten die Diplom-Kaufleute Martin Salzmann, Alexander Nolte und Oliver Salzman ihre jahrzehntelangen Erfahrungen im Musikgeschäft mit dem Endkunden.
Sie beobachteten ihre Kunden und die wollten schon immer vor allem eins: Ihre Lieblingsstücke hören. Dieses Wissen und die Probleme mit den Tauschbörsen führten zu einem ganz neuen Produkt, welches nun selbst ansetzt, ein Hit im Musikgeschäft zu werden. Die Individual-CD holt die Musikliebhaber nicht nur aus der Illegalität von Tauschbörsen, sondern es wurde damit erstmalig ein personalisiertes Produkt für das Musikgeschäft entwickelt. Der angekündigte Siegeszug von individuellen Produkten zum Standardpreis, der in den Theorien der Mass Customization bereits Anfang der neunziger Jahre von Joseph Pine und in Deutschland vor allem von Dr. Frank T. Piller beschrieben wurde, feiert hier seine musikalische Variante, immer mehr Hersteller und große Einzelhändler schließen sich dem System an. Wie Sie dem Interview entnehmen können, nimmt diese Innovation gleich nebenbei einen weiteren Trend mit, denn es ist ein echtes All-Age-Produkt, weil sich hier jeder Musikliebhaber die Rosinen herrauspicken kann, die er oder sie hören will, und das machen eben alle gern.
Wirtschaftswetter: Herr Salzmann, wie kamen Sie überhaupt auf die Idee zur personalisierten CD?
Oliver Salzmann: Die Idee entstand in der Not. Wenn man, wie wir, selbst zwei große Musikfachgeschäfte betreibt, sieht man sich in Anbetracht der dramatischen Umsatzeinbrüche gezwungen, auf die veränderte Nachfragesituation zu reagieren.
Wir erleben im Musikmarkt einen massiven Strukurwandel,der uns dazu zwingt den uralten Wunsch der Musikkonsumenten nach individuellen Kompilationen, ernst zu nehmen. Die Digitalisierung von Musik, sowie der Einsatz leistungsfähiger CD-Brenn-Roboter bieten die Voraussetzungen dafür, daß der Kunde Musik nicht mehr als Bündel, sondern in einer individuellen Auswahl erwerben kann. Diesen technischen Fortschritt kann man beklagen oder aber begüßen. Das Individual-CD-System bietet dem stationären Einzelhandel die Möglichkeit, den gegenwärtigen Strukturwandel als Chance zu nutzen. Die jüngst von einer großen Einzelhandelskete in Hannover eröffnete Individual-CD-Abteilung zeigt erneut mit welcher Begeisterung Kunden diesen Service nutzen. Innerhalb der ersten drei Tage wurden dort ca. 3.000 Songs verkauft.
Wirtschaftswetter: Welche Zielgruppen interessieren sich besonders für Ihr Angebot, sind es eher die Älteren oder die Jüngeren, eher die Jazz-Fans oder die Charts-Hörer oder querfeldein?
Oliver Salzmann : Die Erfahrung der ersten Monate zeigt, daß sich für die Individual-CD alle Zielgruppen interessieren. Dies war auch von vornherein unsere Zielsetzung. Das System mußte kinderleicht zu bedienen sein und die Auswahl sollte für HipHop-Fans genauso attraktiv sein, wie für Jazz-Enthusiasten. Damit aber auch sämtliche Interpreten, die ein Fachgeschäft führt, vertreten sind, benötigen wir noch weitere Repertoire-Freigaben von der Musikindustrie , mit der wir uns im ständigen Dialog befinden.
Wirtschaftswetter: Mit welchen technischen Kniffligkeiten hatten Sie zu kämpfen, bis Ihr Verfahren einsatzbereit war?
Oliver Salzmann: Bitte erinnern Sie uns nicht an die vielen technischen Kniffligkeiten, die uns am Anfang gequält haben. Unsere Programmierer haben sie unter der Leitung unseres Kollegen, Herrn Axel Kaben, erfolgreich bewältigt. Ich denke, im Laufe der Entwicklungsphase und der anschließenden Pilotphase ist so ziemlich jeder denkbare Fehler einmal aufgetreten, sodaß wir heute stolz behaupten können, daß das System fehlerfrei läuft.
Wirtschaftswetter: Denken Sie über einen internationalen Vertrieb nach?
Oliver Salzmann : Wir denken nicht nur darüber nach, sondern forcieren den Vertrieb, indem wir Interessenten aus aller Welt das I-CD-System per Internet, Telefon oder vor Ort vorstellen. Die anhaltend gute Medienpräsenz kommt uns dabei natürlich zugute. Über einen Bericht von CNN wurde sogar ein Investor aus Südafrika auf uns aufmerksam, der voraussichtlich mehrere unserer Systeme in südafrikanischen Städten installieren wird.
Wirtschaftswetter: Weihnachten steht vor der Tür, in welchen Städten und Läden kann man sich bereits eine Wunsch-CD kaufen?
Oliver Salzmann : Im Lübecker Medienkaufhaus Pressezentrum und in der Karstadt/Inscene-Filiale in Hannover. Im kommenden Frühjahr werden voraussichtlich die Karstadt-Standorte Hamburg, Berlin, Dortmund und München erschlossen. Wir befinden uns darüberhinaus in Gesprächen mit allen großen deutschen Handelsketten und sind zuversichtlich, daß im 1. Quartal 2004 neue I-CD-Vertragsabschlüsse mit namhaften Firmen bekanntgegeben werden.
Wirtschaftswetter: Wird es eines Tages möglich sein, die CDs über das Internet oder gar mobil per Telefon und SMS zu bestellen?
Oliver Salzmann : Wir haben bereits konkrete Pläne für den Versandhandel via Internet oder Mobiltelefon in der Schublade. Vorerst möchten wir jedoch mit unserem System dem krisengeschüttelten stationären Musikfachhandel auf die Sprünge helfen.
Wirtschaftswetter: Ausblick auf die Zukunft, liebäugeln Sie mit weiteren Verfeinerungen der Technik ?
Oliver Salzmann : Ja, lassen Sie sich ruhig einmal überraschen. Unsere Mannschaft arbeitet auch nach der erfolgreichen Markteinführung auf Hochtouren, um das System mit weiteren Raffinessen auszustatten und unsere Marktführerschaft auszubauen.
Herr Salzmann, wir danken Ihnen für das Interview.
2003-11-15 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: © Angelika Petrich-Hornetz und Gesprächspartner Oliver Salzmann
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