von Angelika Petrich-Hornetz
Was bewegt die deutsche Wirtschaft zur Zeit? In etwa nichts. Und warum? Ist sie nicht mehr in der Lage einen ordentlichen Beitrag zu leisten?
Dabei war das Platzgehirsche nach dem Internet-Supergau (Pleitewelle zahlreicher Internetfirmen Anfang des neuen Jahrtausends, Anm. der Red.) genauso überflüssig wie die Fehler, über die sich lang und breit aufgeregt wurde. Inzwischen ist auch das vergangen und es bleibt wieder alles beim Alten. Da kann der Blätterwald sich die Finger wund schreiben und Psychologen herausfinden, was sie wollen: Der wirklich innovative Jungunternehmer muss sich regelrecht durchschlagen, bevor ihm jemand auch nur ein Ohr leiht.
Unternehmensgründungen in Deutschland sind ein Kampf, selbst wenn man einiges gewohnt ist. Eine alte Weisheit sagt: Gute Ideen werden erst verlacht, dann bekämpft und schließlich nachgeahmt. Daran hat sich gerade in den letzten Jahren, mit ein paar Außnahmen, nichts geändert. Immer dasselbe. Aber woran mag es liegen? Was ist das für ein Sumpf, der Innovationen verlangsamt und ausbremst, bis sie den verdienten Grad des Nachgeahmtwerdens nicht mehr erreichen oder erst dann, wenn es zu spät ist? Warum um Himmels willen werden sie überhaupt ständig bekämpft? Fängt es schon mit dem Verlachtwerden an?
Verdächtig oft begegnet einem in diesen Bekämpfertruppen von Innovationen nicht der Kluge oder der Bodenständige oder der Vorsichtige oder der Kreative. Denn diese Zeitgenossen würden argumentieren, sie können auch argumentieren. Es ist jemand unaufälligeres, nämlich der Typ Mittelmäßigkeit, in großer Zahl anzutreffen auf allen Etagen. Und das fehlte der New Economy: Sie wurde erst durch ihren eigenen Größenwahn glücklich (Eine Wiederholung droht jetzt mit Digitalisierung, Anm. der Red. Juli 2016). Ansonsten verhielt sie sich genauso dusselig wie das Mittelmaß als solches und damit passten sie wunderbar zusammen: Der Banker, der damals keine Ahnung vom Internet hatte, aber vor lauter Habgier plötzlich auch keine Bilanzen mehr lesen konnte und der Programmierer, der erst gar nicht wusste, was Bilanzen sind - eine selten glückliche Paarung und schon waren sie am Zocken und zwar, wie sonst: mittelmäßig.
Das Mittelmaß ist ein Mysterium in einer Gesellschaft, die es hartnäckig verleugnet - allgegenwärtig und gleichzeitig unsichtbar. Niemand scheint es zu kennen, niemand hat es je getroffen, niemand will mit ihm auch nur das Geringte zu tun haben. Wer gibt schon gerne zu, eher ein mittelmäßiger Manager oder Politiker zu sein? Wer gibt zu, dass er gewählt oder genommen wurde, weil es der kleinste gemeinsame Nenner war, auf den man sich gerade noch einigen konnte? Kokett bezeichnet man sich als mittelmäßigen Schwimmer. Mittelprächtig ist man marketingwirksam lediglich privat, aber doch niemals beruflich. Vielleicht eher professioneller Erträglicher?
Einen mittelmäßigen oder freundlicher ausgedrückt, einen einigermaßen passablen Chef, wie z.B. Majestix aus den Gallier-Geschichten, weil irgendwer muss nun einmal den Chef mimen, den gibt es heute nicht mehr. Denn Mittelmässigkeit, die sich selbst erkennt, existiert nicht. Die New Economy wurde zurechtgestutzt, nicht aber die Maßlosigkeit der Mittelprächtigkeit in den Köpfen und das bei gleichbleibend schlechter Qualität. Was bleibt ist eine gewisse Unschärfe. Wir handeln unbewusst, unsere Zielgruppen kennen wir nur ungefähr. Wir sind zuerst auf unser eigenes Wohlergehen bedacht, als auf das, was Märkte wirklich interessieren könnte und was sie vor allem bewegen würde.
Wer gibt schon zu, dass er seinen Job mehr schlecht als recht macht, heutzutage in dieser Konjunktur, in Zeiten der Massen-Arbeitslosigkeit, in der Welt der verschobenen Werte, in der alle nur noch eins fürchten: Veränderung, Verlust! Wer schmeißt seinen Job hin und beginnt von einem Tag auf den anderen einen neuen, anderen? Etwa die Mittelmäßigen, die woanders etwas werden? Warum ist das Mittelmaß so weit verbreitet und allgegenwärtig? Warum wird nicht zu Ende gedacht oder auf den Grund gegangen und nach-geforscht und in-formiert? Weil das Mittelmaß in den Gehirnen dieses Landes es nicht zulässt. Ansonsten würden wir uns über soviel Gewöhnlichkeit wohl eher amüsieren, die Mittelpracht täte uns sogar leid aber sie ist gefährlich, sie verursacht Leiden, Reformstau und zu kurzfristiges Denken und das hält unheimlich auf. Aber dafür ist es sehr bequem, das gemütliche Elend.
Wir müssen uns immer überlegen, was wir finanzieren - so einfach sei das, hat einmal jemand formuliert. Wen und was finanzieren wir in diesem Land? Fördern wir das Mittelmaß, dass es so groß werden konnte? Finanzieren wir etwa Bequemlichkeit, Duckmäusertum, Egoismus, Faulheit, Schweigen, tatenloses Zusehen, Vertuschen, Unentschlossenheit und etwa nicht Engagement, Kreativität, Mut, Wahrheit, Urteilsfähigkeit und unsere Talente? Wir leben in einem Gebiet, in dem Eltern ihre hochbegabten Kinder inzwischen außer Landes schaffen. Das sollte zu denken geben, dann versteht man Pisa oder die Klagen der Ausbildungsbetriebe über Lehrlinge, die Grundrechenarten nicht mehr beherrschen. Konnten Eltern und Lehrer dies tatsächlich nicht bemerkt haben? Oder waren sie schlicht gewöhnliche Lehrer und durchwachsene Eltern, in einem bescheidenen Schulsystem, mit erklecklichen Politikern, mit durchschnittlichen Denkern und leidlichen Dichtern?
2003-06-18, update 2015-09-13, Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
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