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Notizen aus den USA

Eindrücke einer MBA-Studentin aus Detroit 4.Teil

Die Qual der Wahl

von Ines Kistenbruegger

2003-11-07, Detroit
Die ersten Hürden meines Studiums habe ich nun endlich hinter mich gebracht. Die ersten Kurse abgeschlossen. Ich war erfolgreich, trotz einiger Hindernisse, die sich mir in den Weg stellten. Windmühlen. Die größte Windmühle war die Testform selbst: Multiple Choice. Wer hat diese Testform erfunden?
Diese Methode muss erfunden worden sein, um StudentInnen zu quälen. Ein Frage und fünf mögliche Antworten. Aus diesen fünf Möglichkeiten muss dann die richtige Antwort herausgesucht werden. Scheint eigentlich ganz einfach zu sein. Aber nicht für mich. Ich lasse mich immer wieder verwirren. Laufe in jede aufgestellte Falle und manchmal stolpere ich über meine eigenen Füße, wenn ich versuche Fragen in Multiple Choice zu beantworten. Ich lese die Frage nicht richtig, überlese wichtige Worte wie NICHT, SELTEN, NIE oder IMMER. Diese sogenannten KEY WORDS, um solche Fragen zu beantworten, entschwinden immer meinen Gedanken. Zum Beispiel war ich in meiner Prüfung gestern mit folgender Frage konfrontiert:

Ein Investor mit einer nicht geringen Risikobereitschaft wird welche der folgenden Fonds aussuchen, um für seinen Lebenstraum, eine Weltreise, vorzusorgen.
a.) einen Fonds mit einer nahezu risikolosem Wachstumsrate von 5%
b.) einen Rentenfond von der Sparkasse
c.) ein selbst erstelltes Portfolio diverser Aktien, wobei er allerdings vorher seinen Bruder, einen Broker, konsultiert, um das Risiko besser abschätzen zu können.
d.) Antwort a und b sind falsch, c ist richtig
e.) Kann ich mit der gegebenen Information nicht wissen.

Da ich mir auf meine Formelsammlung - das sogenannte allowed cheat sheet - ziemlich deutlich Achte auf die Key Words! geschrieben hatte, konnte ich die Frage beantworten. Ich habe folgerichtig Antwort c angekreuzt. Meine Lernstrategie hatte diesmal also gefruchtet. Ich konnte 100% erreichen. Letzte Woche sah das noch ganz anders aus. Da hätte ich das Wort NICHT schlichtweg überlesen. Letzte Woche lag leider meine Trefferquote auch noch bei 60%. Ich begann tatsächlich an meiner Intelligenz zu zweifeln. Wie konnte ich als ehemalige Einser-Studentin nur 60% erreichen? Obwohl ich das Thema verstanden habe? Besonders tief getroffen hatte mich, dass meine Sitznachbarin Anas, die das Buch noch nicht gekauft hatte, somit auch nicht gelesen, mit ihrer Ratetechnik ebenfalls 60% geschafft hatte. Wie nur?

Multiple Choice ist wirklich nicht mein Freund. Falls ich irgendwann eine todsichere Methode gefunden habe, wie man für diese Tests lernt, werde ich diese veröffentlichen. Im Moment sieht meine Methode leider noch folgendermaßen aus: Lese das Buch. Lese jedes Wort im Buch! Lese jedes Wort in der Fragestellung! Versuche alle möglichen Tests zum Thema im Internet zu finden und mache diese. Glaube niemals den anderen, die behaupten, nur durch Raten 80% geschafft zu haben !!!
Zum Glück gibt es zu jedem Textbuch eine Internetseite mit Testbeispielen. Manchmal ist auch die Faulheit von ProfessorInnen zu begrüßen. Besonders, wenn diese einfach zum Teil die Internet-Tests kopieren. Das kommt durchaus vor.

Das Internet ist überhaupt überlebensnotwendig und für mich als Studentin nicht mehr wegzudenken. Ein selbstverständliches Arbeitsmittel wie Taschenrechner und Bleistift. Ich kann mich für Kurse online anmelden, mit den Kurs-Instruktoren kommunizieren, mit den anderen StudentInnen Kontakt aufnehmen, Kursmaterial herunterladen, Videos der Vorlesungen sehen, meine Zensuren online überprüfen und natürlich Recherchieren und Lernen. Videos der Vorlesung angucken gehört hier wirklich zum Standard. Nicht nur für Online-StudentInnen. Es kommt natürlich vor, dass eine Vorlesung nicht gehalten werden kann, weil der Kursinstruktor krank ist. Dann wird entweder eine alte Vorlesung zum gleichen Thema geladen oder eine neue aufgezeichnet und ins Internet gestellt. "Ich habe eine Vorlesung verpasst", diese Ausrede gibt es nicht, für niemanden

Erstaunlich, wie die Zeiten sich geändert haben. Anfang der 90er in meinem ersten Studium habe ich meinen ersten Internetanschluss nur für Spaß-Emails benutzt. Mehr nicht.
Letzte Woche ist mein wireless Home-Network zusammengebrochen. Eine Woche lang kam ich nicht mehr von zu Hause ins Internet. Ich habe mich regelrecht gefangen und von der Welt abgegrenzt gefühlt. Unvollständig. Ich musste in der Uni in den öffentlichen Computerraum, um mein Kursmaterial einzusehen. Das letzte Mal hatte ich einen öffentlichen Computerraum 1994 betreten. Abgesehen von den Internet-Cafés im Urlaub.Seit gestern läuft alles wieder. Ich kann aufatmen. Bin wieder komplett und brauche zum Glück das Haus nur noch verlassen, wenn mir die Milch ausgegangen ist. Oder der Kaffee. Denn leider haben Vorlesungen einen Nachteil, egal ob man nun vor Ort sitzt oder diese auf Video zu Hause ansehen muss, wach bleiben ohne Kaffee ist gleichbleibend schwer.


2003-11-07 von Ines Kistenbruegger, Wirtschaftswetter
Text: © Ines Kistenbruegger
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