von Cornelia Schaible
Orange war lange eine Farbe, die in meinen Schrank nichts verloren hatte. Zu grell für mich. Zu auffällig. Am wohlsten fühle ich mich in Naturfarben. Manchmal ist mir auch nach Schwarz von Kopf bis Fuß und damit basta. Wirklich wichtig ist nur der Schnitt eines Kleidungsstücks, alles andere sollte dahinter zurückstehen. Dachte ich. Bis zu jenem Tag, an dem ich mir bei einem Versandhaus eine Leinenjacke und ein Twinset aus Seide bestellte – alles in Orange.
Als der Paketbote die Sachen brachte, kam ich wieder zur Besinnung. Und fing an zu grübeln. Was war passiert? Wenige Tage zuvor war ich aus Kalifornien zurückgekehrt. Klar, Kalifornien. Dort muss ich mir das zugezogen haben. Denn was ist nicht alles orange in Kalifornien: die Berge überm Napa Valley im Abendlicht, die riesigen Taschenkrebse in den Lokalen am Fisherman’s Wharf in San Francisco, die Golden-Gate-Brücke. Und vor allem der kalifornische Mohn, der ganze Hügel zum Leuchten bringt. Die Farbe muss ansteckend wirken.
Die Jacke habe ich dann zurückgeschickt – so viel Orange verträgt mein Alltag nicht. Außerdem war es der falsche Farbton. Der Ansicht bin ich nach wie vor: Im Spektrum zwischen Gelb und Rot ist ein Outfit schnell verunglückt. Vor allem mit einem sehr satten, knalligen Orange. Denn das signalisiert in erster Linie: Vorsicht! Gefahrenzone. Abstand halten. Davon sollte besser die Finger lassen, wer nicht Müllmännern oder Straßenbauarbeitern Konkurrenz machen will. Alles ehrenwerte und nützliche Berufe, gewiss, aber eine Sicherheitsweste in Leuchtorange taugt nun einmal ebenso wenig für ein modisches Statement wie ein weißer Arztkittel oder eine jägergrüne Joppe.
Ebenfalls ein wichtiger Aspekt: das Material. In den Siebzigern, als Orange auch im Wohnbereich der Hit war, kamen massenhaft Gebrauchsgegenstände in dieser Farbe auf den Markt – fast alle aus Plastik. Mit diesen rotorangen Kunststoffwannen, Zitruspressen oder Rührschüsseln verbindet sich ein Billig-Image, das bis heute nachwirkt. Und dazu schreit Orange noch ganz laut: Achtung, künstlich!
In der Natur kommt Orange in Mitteleuropa nur sehr selten vor – vielleicht der Grund dafür, dass es als Kleidungs- und Symbolfarbe keine Tradition hat. Ausnahme: die Niederlande. Orange ist dort die Farbe des Königshauses Oranje. Und wenn sich am Königinnentag, der am 30. April gefeiert wird, das ganze Land in Orangetönen schmückt, zeigt sich ganz nebenbei: Die Farbe kann sogar festlich wirken.
Für eine sonnige und heitere Stimmung sorgt Orange allemal. Das wusste schon Johann Wolfgang von Goethe. „Das Rotgelbe gibt eigentlich dem Auge das Gefühl von Wärme und Wonne, indem es die Farbe der höhern Glut sowie den mildern Abglanz der untergehenden Sonne repräsentiert“, schreibt er in seiner Farbenlehre. „Deswegen ist sie auch bei Umgebungen angenehm und als Kleidung in mehr oder minderm Grade erfreulich oder herrlich.“ Eben.
In dieser Hinsicht besonders erfreulich ist, dass die meisten Frühjahrskollektionen wieder mit Orange aufwarten. Einige Hersteller haben zwar nur T-Shirts in dieser Farbe im Programm, aber damit riskiert man auch nichts: Ein orangefarbenes Top bekommt jeder Garderobe gut. Einem schlichten beigen Hosenanzug gibt es einen Kick Exotik. Oder das Teil geht mit einer praktischen Khakihose auf Safari im Großstadtdschungel. Ein ganzes Kleid – oder gar eine Abendrobe – in Orange ist nur etwas für ganz Mutige. Jennifer Lopez machte in einem hellorangen Kleid mit silbernem Gürtel bei den Golden Globes im Januar Furore. Und jetzt bei der Oscar-Verleihung glänzte Jennifer Garner in Orange.
Zum Üben und für Orange-Neulinge empfiehlt sich einfach ein Seidenschal, der ein klassisches braunes Tweedkostüm ebenso aufpeppt wie eine simple Jeansjacke – vor allem, wenn diese in Ocker abgesteppt ist. In Seide und Leinen wirken Orangetöne überhaupt am schönsten, und wenn sie in Richtung Kupfer oder Terrakotta gehen, stehen sie sogar einem hellen Teint gut zu Gesicht.
Einige frischere Varianten auf der Zitrusfrucht-Farbskala, die gelegentlich Tangerine oder Mandarine genannt werden, kommen auf sonnengebräunter Haut besser zur Geltung. Einfacher ist es daher, sich auf Accessoires zu beschränken. Wie wäre es mit einem Paar Flipflops in Orange? Die bringen auch Winterblasse auf die Beine und verbreiten Urlaubslaune, garantiert. In dieser Saison fände sich dazu sogar eine passende Handtasche. Ich beobachte gerade eine, schleiche gelegentlich im Laden um sie herum. Wenn es endlich richtig warm wird, schlage ich zu. Vielleicht. So eine Anschaffung will gut überlegt sein.
2004-03-01 by Cornelia Schaible, Wirtschaftswetter
Text + Fotos: © Cornelia Schaible
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