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Notizen aus den USA

12.Teil

Die liebe Sprache

von Ines Kistenbruegger

Eigentlich kann ich Englisch sprechen. Sogar ziemlich gut. Die Menschen verstehen mich, ich kann sehr gepflegte Unterhaltungen führen oder auch einfach nur Spaß haben. Und doch fühle ich mich, als würde sich mein IQ und meine dazugehörige Persönlichkeit um mindestens zwanzig Prozent reduzieren, während ich in Englisch kommuniziere.

Mein Sarkasmus funktioniert nicht, mein Zynismus noch viel weniger und schlagfertig bin ich nun gar nicht mehr. Jedesmal, wenn ich ein schönes Fremdwort benutzen will, scheitere ich daran, dass ich entweder bei diesem Wort ins Stottern gerate oder es so falsch ausspreche, dass keiner meiner Zuhörer eine Ahnung hat, wovon ich rede.

Am schlimmsten ist es jedoch, muss ich einen Sachverhalt erklären, über den ich noch nie auf Englisch gesprochen habe. Z. B. bieten sich hier die Themen Hausbau, Reparaturarbeiten und Autos an, und eine Menge Stolperfallen stecken darin. Meine letzte Unterhaltung mit einem Reparaturservice klang folgendermaßen: „Der Ofen ist kaputt, das Ding macht kein Feuer. Das Gasding ist nicht kaputt, aber das Ding, das brennen sollte ist kaputt. Eines der vier Koch-Dinger ist kaputt, die anderen drei gehen. Sonst ist nichts kaputt.“ Meine Güte habe ich mich dumm gefühlt.

Noch schlimmer war es, als mein Auto auf einem Supermarkt-Parkplatz stehen blieb und ich den AAA anrufen musste: „Mein Auto startet nicht. Das Schloss ist wohl kaputt. Die Elektrizität geht an, wenn ich den Schlüssel ins Schloss stecke, aber nicht der Motor. Nein, die Batterie ist nicht kaputt, das Auto macht nicht brrrummm oder so, es macht gar nichts. Nehme ich nun den Schlüssel weg, dann geht die Elektrizität nicht mehr aus.“

Es geht doch nichts über eine gepflegte Unterhaltung über technische Details!

Meine Lieblingsthemen sind dann allerdings die schönen Missverständnisse, die entstehen, wenn ich irrtümlich ein falsches Wort verwende oder mich verspreche. So habe ich kürzlich den Eltern meines Freundes erzählt: „The dog of our neighbours barfed at our cat.“ Eine ziemlich ekelige Geschichte, vor allem, weil ich mich inzwischen frage, wieso die Katze sich hatte vollkotzen lassen. Dabei hatte ich nur einen einzigen Buchstaben verwechselt: statt bark (kläffen) habe ich barf gesagt.
Ein anderes Beispiel, ich wollte von mir geben, dass mein Bruder so sauber ist, dass man ihn schon fast steril nennen kann. Daraus wurde, dass mein Bruder sterilisiert, bzw. unfruchtbar sei. Kann ich ahnen, dass "sterile" auf Englisch vor allem sterilisiert heißt? Es taucht damit die Frage auf, warum ich überhaupt so langweilige Geschichten erzählen muss. Mein Unterhaltungsniveau ist inzwischen so stark geschrumpft, dass ich mich manchmal so fühle, als sollte ich bei Veranstaltungen wieder an den Kindertisch gesetzt werden. Zum Glück ist noch keiner auf die Idee gekommen.

Doch es gibt dann tatsächlich diese Gesprächs-Momente, in denen ich von meinem Studium profitieren kann. Mein Vokabular im Bereich Finanzen und Buchhaltung ist gewaltig, so dass ich mich mittlerweile selbst beeindrucken kann. Obwohl ich mich sowie meine Zuhörer damit eigentlich eher langweile. Denn wen interessiert schon wirklich Buchhaltung, wenn gemütlich zu Abend gegessen wird?
Trotzdem bekam ich vor kurzem von meinem Schwiegervater in Spe einen anerkennenden Blick zugeworfen: „Ich wusste gar nicht, dass man sich mit Dir auch normal unterhalten kann...“ Oder bei anderer Gelegenheit sagte ein Bekannter: „Du kannst ja sogar witzig sein!“ Ich erwarte also immer noch sehnlichst den Tag, an dem ich meine Persönlichkeit auch auf Englisch ausdrücken kann. Bis dahin muss ich wohl noch viel üben und viele Leute überraschen.


2004-02-20 von Ines Kistenbruegger, Wirtschaftswetter
Text: ©Ines Kistenbruegger
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