von Angelika Petrich-Hornetz
2001 öffneten als erste in Deutschland die Justizvollzugsanstalten Niedersachen im Internet ihren Online-Shop. Dort wird der Öffentlichkeit eine kleine ausgewählte Produktpalette angeboten und über die Gefangenarbeit und die Betriebe auf Landesebene (JVAV) informiert. Hier findet der geschäftliche und der private Kunde vom Spielzeug über Möbel bis zum Aktenordner allerlei Nützliches und Schönes
Die Produkte stammen vorwiegend aus Arbeitstherapiebetrieben. Diese sind für Inhaftierte vorgesehen, die zwar zur Arbeit verpflichtet, jedoch aus unterschiedlichen Gründen nur eingeschränkt arbeitsfähig sind. Unter fachkundiger Anleitung werden sie soweit gefördert, dass sie qualifizierten Aufgabenstellungen, sowie den Anforderungen von Arbeit oder Ausbildung gewachsen sind. Der Verkauf über den Shop bedeutet vor allem Motivation. Für diese Gefangenen ist es motivierend zu erfahren, dass die von ihnen hergestellten Produkte nicht nur therapeutischen Zwecken dienen, sondern in der Öffentlichkeit durchaus Anklang finden.
Man startete mit 25 Artikeln, inzwischen sind es 60 und bis Ende 2003 setzte der Shop bereits 260.000 Euro um. Organisiert sind die Landesbetriebe in die zentrale Arbeitsverwaltung in Celle und den örtlichen Teilbetrieben (Arbeitsverwaltungen der niedersächsischen JVAn) Die JVAV ist mit eigenem Kapital ausgestattet, arbeitet betriebswirtschaftlich und finanziert Werkhallenneubauten, die Beschaffung von Maschinen sowie den Einkauf von Rohstoffen. Ein Teil der Überschüsse des Landesbetriebes wird zur Finanzierung der staatlichen Aufwendungen für den Justizvollzug abgeführt.
Daneben gibt es Servicebetriebe (sog. Unternehmerbetriebe), in denen als verlängerte Werkbank von externen Unternehmen, verschiedene Montier- , Sortier- und Verpackungsarbeiten durchgeführt werden. Die Löhne gestalten sich aufgrund gesetzlicher Bestimmungen ähnlichen denen von Behindertenwerkstätten. Die niedrigen Lohnkosten, so hofft die JVAV, sind für im Inland ansässige Unternehmen so interessant, dass diese möglicherweise einer Verlagerung von Produktionen ins Ausland entgegenwirken. Örtliche Logistik und Qualitätsvorteile können damit genutzt werden und Auftragsspitzen ohne eigene Investition flexibel bearbeitet werden, für Industrie, Handwerk und private Kunden.
Kritik am zunehmenden E-Commerce von Gefangenenwerkstätten, wie er auch in anderen Bundesländern betrieben wird, z. B. in Berlin, gibt es von Opfervereinen und Unternehmen. Letztere fürchten die subventionierte Konkurrenz und erste kritisieren die geförderte Arbeit und Therapie, die Opfer genauso dringend nötig haben. Ob die folgenden Vorschläge in der immensen Justizvollzugs-Bürokratie überhaupt machbar sind, ist eine ganz andere Frage, aber schon allein aus Marketingsicht ist längst klar: Wenn ein Teil der Überschüsse dazu verwendet würde, um sie Opferschutzorganisationen zu spenden, käme das in der Öffentlichkeit sehr gut an, jedenfalls besser, als nur die Refinanzierung der staatlichen Aufwendungen, von denen man außerhalb von Behörden nun einmal nicht viel sieht.
Eine weitere Überlegung: Die Vorbereitung auf Ausbildung und abhängige Beschäftigung ist sinnvoll, doch eine Vorstrafe ist auf einem Arbeitsmarkt wie dem gegenwärtigen eine echte „Killer Applikation“ im etwas anderen Sinn. Ein entlassener Gefangener trifft draußen auf harte, gut ausgebildete, nicht vorbestrafte Konkurrenz und schon die werden reihenweise in Ich-Ags und Kleinunternehmen gedrängt, aus Mangel an vermittelbaren Jobs. Das Gründen eines sich tragenden Kleinunternehmens ist eine Sache, die nicht ganz einfach ist, aber das ist der Arbeitsmarkt beileibe auch nicht. Wenn man sich die Qualität der Produkte im JVA-Shop ansieht, dann sollte man ernsthaft überlegen, ob nicht der ein oder andere in der Lage ist, sich selbständig zu machen und es wäre sinnvoll, man würde ihm bereits in der JVA das nötige Handwerkszeug dafür mitgeben. Gut vorbereitet draußen auf dem Markt zu landen, das würden einige schaffen und ihren Kleinbetrieb eröffnen können, dann allerdings zu Marktpreisen, die temporäre Beauftragung der ehemaligen Mithäftlinge bei Auftragsspitzen nicht ausgeschlossen.
Ob solche Ideen jemals umsetzbar sind, das hängt von anderen ab, doch der Stimmung drinnen wie draußen würde es nicht schaden. Unsere Empfehlung für den Privatkunden? Ganz klar, z. B. der Luxusgrill für die Alten und das Motorrad-Schaukelpferd für die Jungen sind quasi ein: MUST.
Der JVA-Shop im Web: jva-shop.de
2004-04-08 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
©Angelika Petrich-Hornetz
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