von Susanne Hagedorn
Auch ich habe als Kind Muttertag „zelebriert“, in der Schule gebastelt und meine Geschenke am Termin zusammen mit meinen Geschwistern bei unserer Mutter abgeliefert, wie Familienfotos dokumentieren. Als Kind konnte ich nie verstehen, wenn auf unsere Frage: „ Was wünscht du dir zum Muttertag?“, die Antwort kam: „Liebe Kinder!“
Nur liebe Kinder? Das konnte man doch nicht verschenken...
Mittlerweile bin ich selbst Mutter und sehe den Muttertag auch ganz anders. Wie eh und je werden im Kindergarten und in der Schule unter strengster Geheimhaltung kleine Geschenke gebastelt. Im letzten Jahr wurde in irgendeiner Schulstunde dann offensichtlich besprochen, wie man der Mutter noch helfen kann. Ich bekam also am Samstag den Befehl:“ Mama, morgen stehe ich schon etwas früher auf. Wenn du etwas hörst, dann spiel ich nur.“
Diese Art von Spielchen spiele ich gerne mit, besonders wenn ich in die erwartungsfrohen Augen meiner Tochter schaue.
Am nächsten Morgen: Klappern in der Küche, die Besteckschublade geht auf und zu. Dann wird Papa leise geweckt mit den Worten: „ Weißt du, wie man Eier kocht?“
Papa steht wohl etwas auf dem Schlauch, aber leicht brummend auf.
Dann kommt der Augenblick, an dem ich aufstehen darf. Nur: Warum ist das ausgerechnet heute frühzeitiger als sonst???
Der Tisch ist perfekt gedeckt, der Kaffee tröpfelt etwas dünnhäutig durch die Kaffeemaschine, die Eier sind eine Spur zu hart, aber meine Tochter strahlt, besonders als sie mir endlich ihr selbstgemachtes Präsent übereichen darf. Mein Mann bringt mir noch einen schönen Strauß Blumen. Ich fühle mich nach der Prozedur jetzt tatsächlich wie „Muttertag“ und in solchen Momenten mag ich den Tag eigentlich auch.
Eigentlich. Denn nach dem Frühstück läuft komischerweise alles auseinander. Und wer räumt jetzt den Tisch ab???
Darauf folgt unweigerlich ein Gedanke: Warum wird uns der Muttertag eigentlich vom Kalender vorgeschrieben? Warum kommt meine Familie nicht auf die Idee einfach zu sagen: „ Du, heute bekommst du deinen persönlichen Muttertag.“ Und der wäre damit überraschend und muss nicht unbedingt in Geschenken und gedeckten Tischen enden...
Mittlerweile kann ich meine Mutter also sehr gut verstehen, wenn ihr Wunsch „lediglich“ in lieben Kindern bestand.
Die sind nämlich etwas, was man sich nicht einfach kaufen oder basteln kann, dafür muss man oder mehrere sich wirklich anstrengen und vielleicht auch als Einleitung gedacht: „Liebe Kinder ... und bitte wengistens einen Tag lang keinen Stress“. Schon das würden viele Mütter sehr begrüßen, ein paar Tage mehr als einer dürfen es aber ruhig sein, ob am Stück oder in Scheiben.
2004-05-04 by Susanne Hagedorn, Wirtschaftswetter
Text: © Susanne Hagedorn
Foto: ©Cornelia Schaible
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