15.Teil
von Ines Kistenbruegger
Es ist Frühling in Ferndale. Blumen überall, die Bäume haben bereits Blätter, alles grünt und blüht. Mittlerweile hat es auch der Schnee aufgegeben, von Zeit zu Zeit aufzutauchen und ein paar Tage winterliche Kälte in den Frühling zu bringen. Nur, damit wir uns nicht zu schnell an schönes Wetter gewöhnen.
Jetzt dürfen wir uns endlich an die neue Wärme gewöhnen. Die Maiglöckchen und ebenso der Flieder erfüllen die Luft mit ihrem Duft, manchmal untermalt von dem Geruch frisch gemähten Rasens. Es ist also kein Wunder, dass dieses kleine Örtchen Ferndale langsam erwacht. Spaziergänger, Walkerinnen und Joggerinnen arbeiten auf ihre Bikini-Figur hin. Selbst meine fette Katze traut sich mittlerweile vor die Haustür, um in einer schattigen Ecke des Gartens ihr Mittagsschläfchen zu halten. Da liegt sie dann zwei bis drei Stunden, ohne sich zu bewegen, so dass ich mich von Zeit zu Zeit gezwungen fühle sie anzuticken. Dann brummelt sie und dreht sich um. Aber ich muss mich ja schließlich vergewissern, dass sie noch lebt.
Für meine Final Exams konnte ich sogar schon im Garten lernen. Das ist am schönsten. Eine Tasse Kaffee und ein Buch zu lesen. Bei schönem Wetter ist es sogar egal, was für ein Buch es ist.
Und so ist es vielleicht nicht verwunderlich, dass vor zwei Wochen, an einem Sonntagnachmittag, mein Freund mir von Frühlingsgefühlen überwältigt, einen Heiratsantrag machte. Nun werde ich also heiraten. In Amerika. Im Juli. Dieses Jahr.
Alle Amerikaner sehen mich natürlich mit großen Augen an: „Du heiratest, dieses Jahr. So schnell?“ Ich antworte: „Ja, ich heiratete dieses Jahr. Ich brauche eine Green Card.“
Ich weiß, es passt nicht zur Hochzeitsknigge, so schnell zu heiraten. Immerhin sagen die amerikanische Hochzeitsregularien, dass die Planungszeit zwölf Monate dauert, die Einladungen drei Monate vorher verschickt werden sollen, und dass die Brauteltern das gesamte Spektakel bezahlen. Ja, ich erinnere mich gut an den Film, "Vater der Braut" mit Steve Martin, und ich garantiere, dass meine Hochzeit anders wird. Letztendlich werden David und ich viele allgemein anerkannte Regeln brechen. Unsere Hochzeitsvorbereitung dauert ganze drei Monate, wir heiraten im Schmetterlingsgarten des Detroiter Zoos, wir werden alle Ausgaben selbst begleichen, maximal fünfzig Leute einladen, und wir werden keine Verwandte aus aller Welt einfliegen lassen. Aber ich werde ein weißes Kleid tragen. David ist amerikanisch genug, dass er darauf nicht verzichten will. Ich bin Frau genug, dass ich nicht deswegen anfange zu diskutieren. Und wer will nicht besonders hübsch zur Hochzeit aussehen?
Ob ich besonders aufgeregt bin? Sicherlich. Aber letztendlich gibt es nicht so viel, wovor ich Angst haben muss. Meine Eltern werden da sein, meine beste Freundin versucht, sich ebenfalls in die USA durchzuschlagen. Damit werden die für mich wichtigsten Menschen da sein.
Ja, mein Freund – ich muss wohl jetzt Verlobter sagen – ist romantischer als ich. Das macht viele Dinge einfacher. Ich erinnere mich an Freundinnen, die um alles kämpfen mussten: das weiße Kleid, die Hochzeitszeremonie, das Restaurant, oder sogar die Gästeliste. Ich selbst muss um gar nichts kämpfen. Was sagte David neulich? „Ich kümmere mich lieber um alles selbst, sonst heirate ich an irgendeiner Straßenecke ohne Blumen.“ Nun gut, wahrscheinlich ist ein Fünkchen Wahrheit daran.
Obwohl ich mich weigere zu glauben, dass ich eine Hochzeit an irgendeiner Straßenecke organisiert hätte. Das ist sicherlich schlichtweg gelogen. ; )
2004-05-07 by Ines Kistenbruegger, Wirtschaftswetter
Text: ©Ines Kistenbruegger
Banner: ©Cornelia Schaible, ap
Datenschutz + Cookies
2003-2024 wirtschaftswetter.de
©Wirtschaftswetter Online-Zeitschrift