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Wirtschaftskrieg

Interview mit Jürgen Zeiger und Bernd Oliver Bühler von der Ecole de Guerre Économique
Die Fragen stellte Angelika Petrich-Hornetz


Wirtschaftswetter: Aus welcher Intention, welchem Bedarf entstand die Ecole de Guerre Economique und um was geht es?

Bernd Oliver Bühler: Die Ecole de Guerre Economique ist im Jahre 1997 von General Jean Pichot-Duclos, Christian Harbulot und Alain Joseph gegründet worden. Sie ist die erste europäische Institution, die eine Ausbildung für Informationsmanagement in einem feindlichen Umfeld anbietet. Die neuen wirtschaftlichen Antagonismen, die auf die Globalisierung des Handels zurückzuführen sind, haben völlig neue Wettbewerbspraktiken hervorgerufen. Die Zahl offensiver strategischer Manöver (Gerüchte, Desinformation, Destabilisierung, dynamische Marktabschottungen) nimmt zu und schwächt Unternehmen, die nicht auf diese Art von Machenschaften vorbereitet sind. Von nun an ist die Beherrschung von Informationen, die Beschaffung von Informationen im Rahmen strategischer Entscheidungsfindungsprozesse in Unternehmen von großer Bedeutung.

Eine Antwort darauf ist "Business Intelligence". Hierbei handelt es sich um das angelsächsische Konzept einer systematischen und systematisierten Vorgehensweise, deren Aufgabe das Beschaffen und das Management von strategischen Informationen sowie die Bewertung des Risikos derselben ist. Mit anderen Worten gesagt: Es handelt sich hierbei um die Anerkennung und Betrachtung von Informationen als einen für die Existenz und Entwicklung eines Unternehmens bedeutsamem Rohstoff.

Die französische Version und Weiterentwicklung von „Business Intelligence“ ist als das Konzept der „Intelligence Economique“ aus dieser hervorgegangen. Sie entspricht der angelsächsischen Definition, wurde aber von deren Begründern bewusst um den Themenbereich "Lobbying" erweitert, da deren Überzeugung nach angelsächsische Unternehmen hier im Vorteil gegenüber französischen Unternehmen sind, und ein vielfaches mehr an Erfahrung aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Struktur und Geschichte der jeweiligen nationalen Wirtschaft aufweisen können.

Die Wirtschaft ist unbestreitbar einem starken Wandlungsprozess unterworfen. Sie dreht sich immer schneller, und verändert sich dabei radikal. Man gibt dieser Entwicklung verschiedene Namen: Globalisierung der Märkte, verschärfter Kampf um Kunden oder Marktanteile, Verteilungskampf oder auch Wirtschaftskrieg.

Fakt ist, dass in Zeiten der Rezession, oder der Stagnation der weltweiten Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen immer mehr Unternehmen bewusst wird, dass sie ihr zukünftiges Wachstum nicht mehr durch ein Anwachsen der Absatzmärkte, sondern nur noch auf Kosten der direkten Konkurrenz und deren Marktanteile erreichen können. Der Verdrängungswettbewerb, der Kampf um Marktanteile und Kunden, wird härter, das Bewahren angestammter Positionen eine noch größere Herausforderung, denn angestammte, bisher gut abgeschottete Traditionsmärkte, Stamm- und Zukunftsprodukte werden nun verstärkt ins Visier der (inter-)nationalen Konkurrenz ins Auge gefasst werden.

Aufstieg und Fall von Unternehmen liegen trotz Innovation, guter Produktpalette und Zukunftspotential immer enger beieinander. Offensive und defensive Strategien erfahren eine neue Bedeutung. Unternehmen, die in ihrer bisherigen Struktur von Dauer schienen, verschwinden (Grundig), übernehmen andere (Daimler-Chrylser) oder werden übernommen (Mannesmann).

Die zur Verfügung stehende Zeit, Entscheidungen zu treffen, schwindet. Die Bedeutung von Informationen als "Ressource", als Wettbewerbsfaktor und der Drang nach Erkenntnis über die weitere Entwicklung steigen weiter an.

Macht und Einfluss eines Staates beruhen schon seit langem nicht mehr nur auf seiner militärischen Schlagkraft, sondern auch auf wirtschaftlicher Potenz, das heißt, es sollte das primäre Anliegen unseres Staates sein, unsere Wirtschaft zu stärken und zu schützen. Bewahrung und Ausbau unserer Wirtschaftskraft also als nationale Priorität?
In Frankreich, unserem Nachbarn und Partner auf dem Weg der europäischen Integration, hat man die Wichtigkeit der Rohstoffs Information erkannt. Dies zeigt der kontinuierliche Anstieg der Zahl der französischen Universitäten, die Aufbaustudiengänge in "Business Intelligence" anbieten. Unsere Ecole de Guerre Economique ist ein Paradebeispiel für die Interaktion zwischen Staat und Privatwirtschaft und für die Bereitschaft der französischen Universitäten, ihre Lehrinhalte an die veränderten Erfordernisse der Wirtschaft anzupassen
Der sorgfältige Beobachter unserer „Ecole“ wird zu folgendem Schluss kommen: Der französische Staat hat erkannt, dass die wirtschaftliche Prosperität seiner Unternehmen in erster Linie zu einer Frage des frühzeitigen und umfassenden Besitzes von Informationen geworden ist. "Wissen ist Macht". Schon im tiefen Mittelalter fand Francis Bacon zu dieser Erkenntnis. Dieses alte Zitat beweist auch in der heutigen Zeit seine immer währende Gültigkeit, doch seine Bedeutung hat sich mit dem Übergang in das Informationszeitalter nur vervielfacht.

Die französische Politik hat bereits 1994 mit der Erstellung des "Rapport Martre“ (an dem Christian Harbulot maßgeblich beteiligt war) ihre strategische Ausrichtung und Planung unter Beweis bestellt. Man ging damals auf politischer Seite von dem Ansatz aus, dass die französische Wirtschaft dieses Konzept braucht. Ziel dieser Studie war also, eine strategische Analyse und Planung auszuarbeiten, um dieses Thema entscheiden voranzubringen und in die französische Wirtschaft einzuführen. Unsere EGE existiert also nicht um ihrer selbst willen, sondern ist Bestandteil einer größeren Planung und Strategie.
Hierbei handelt es sich um einen strategischen Ansatz der französischen Politik im Interesse der heimischen Wirtschaft, von dem wir in Deutschland meiner Meinung nach lernen könnten und sollten.

Wirtschaftswetter: Welche großen Entwicklungen hat de Ecole seit ihrer Entstehung durchlaufen, was kam dazu, gab es Veränderungen in der Zielsetzung?

Bernd Oliver Bühler: Die Gründung der Schule ist das Ergebnis gemeinsamer Arbeit. Innovationsgeist und kämpferischer Einsatz der Gründungsväter , die bereits seit Anfang der achtziger Jahre damit begonnen hatten, Überzeugungsarbeit bei den französischen Behörden zu leisten, um diese darauf hinzuweisen, dass es große Defizite in den Bereichen Informationsmanagement, Einflussstrategien und Analyse derselben gab. Um diese Lücke zu schließen formt die „Ecole de Guerre Economique“ der Managementschule ESLSCA die Elite von morgen, damit diese sich den neuen Herausforderungen der Globalisierung stellen können.

Als die Ecole unter der Leitung von Christian Harbulot 1997 ihre Arbeit aufnahm, und man sich auch noch erlaubte, das Kind „Wirtschaftskrieg“ beim Namen zu nennen, sahen uns viele Schwarzseher, Pessimisten und Auguren keinen Erfolg beschienen. Wir behielten recht, und unsere Arbeit im Dienste und Interesse auch der europäischen Wirtschaft und Politik geht mit Erfolg weiter. So sind wir nun zum zweiten Mal in Folge zum besten Ausbildungsgang Frankreichs in diesem Segment durch das Beratungskabinett SMBG gekürt worden.

Das Jahr 2003 war für uns das sogenannte „deutsche Jahr“. Die Notwendigkeit unserer Ausbildung findet sich nun auch endlich in der deutschsprachigen Presse wieder. Egal ob in Deutschland, der Schweiz oder Österreich, Presse, Unternehmen und Meinungsmacher bewerten unsere Existenz und Arbeit deutlich positiver als noch vor ein paar Jahren.

Wirtschaftswetter: Warum eine deutsche Abteilung?

Bernd Oliver Bühler: Wirtschaftskrieg macht auch nicht vor deutschen Grenzen halt! Es ehrt uns, als „Europas einzige Schule des Wirtschaftskrieges“ bezeichnet zu werden. Dies ist aber auch zugleich eine große Verantwortung, der es gerecht zu werden gilt. Wir haben uns darum entschlossen, die Öffnung der Aktivitäten der „EGE“ im Rahmen des Europäischen Integrationsprozesses weiter voranzutreiben, und nun jährlich exklusiv mindestens 3 Ausbildungsplätze für Interessentinnen und Interessenten aus dem deutschsprachigen Raum freizuhalten. Weiterhin werden wir aufgrund der zahlreichen Anfragen von Managern aus dem deutschsprachigen Raum, nun exklusiv Fortbildungs-Seminare für diese anbieten. In Deutschland müsste es allmählich als unverzichtbar erkannt werden, eine ähnliche Einrichtung mit entsprechendem Ausbildungsinhalten zu schaffen und zu erhalten.

Wirtschaftswetter: Wer war und ist Kunde von Ihnen und wo sehen Sie noch Potenzial?

Bernd Oliver Bühler : Die neuen Kräfteverhältnisse innerhalb der weltweiten Globalisierung haben in den Unternehmen neue Bedürfnisse geschaffen. Produkt und Innovation sind nicht mehr die alleinigen Kriterien in einer Wirtschaft, in der das Angebot größer ist als die Nachfrage. Es wird mit härteren Bandagen gekämpft und auch in Zukunft gekämpft werden. Ich bitte um Ihre Nachsicht und Ihr Verständnis, wenn wir Namen französischer und deutscher Unternehmen, mit denen wir in Kontakt stehen, nicht nennen, und auch nicht einmal die Branche andeuten möchten, da die Identifizierung dieser Unternehmen nicht auszuschließen wäre.
Potential, wobei ich eher den Begriff „Bedrohung“ vorziehen würde, sehe ich eigentlich produkt- und branchenübergreifend, da harter, unlauterer Wettbewerb sich nicht auf gewisse Branchen konzentriert. Solche Methoden können bei U-Booten als auch bei Konservenbüchsenherstellern auftreten

Wirtschaftswetter: Gibt es Tendenzen, die in Zukunft für Ihre Schule zu relevanten Themen werden könnten?

Bernd Oliver Bühler: An der Schule wird Forschung in den folgenden Bereichen betrieben:
- Neue Einflussstrategien im weltweiten wirtschaftlichen Wettbewerb
- Umgang mit dem Gegensatz "Gegner und gleichzeitig Verbündeter"
- Operationelle Verknüpfung von Auseinandersetzungen (Geoökonomie, Konkurrenzkampf, Protest)
- Taktischer Umgang mit Wissen und Kenntnissen
- Offensive Kommunikation
- Gegenargumentation
Wir ziehen es vor, uns auf diese wenige Bereiche zu konzentrieren, und in diesen gut zu sein, als versuchen zu wollen, in alle sensiblen Unternehmensbereiche wie zum Beispiel IT-Sicherheit vorzustoßen und Qualität durch Quantität zu ersetzen.

Wirtschaftswetter: Nimmt Wirtschaftspionage zu und wenn ja, warum eigentlich?

Jürgen Zeiger: Wirtschafts- und Industriespionage nehmen zweifellos massiv zu, und zwar um so schneller, je härter die Bandagen werden, mit denen in der Wirtschaft gekämpft wird. Dabei ist die Statistik nur ein höchst unzuverlässiges Hilfsmittel zur Beurteilung der Lage. Die beachtlich hohe Dunkelziffer macht Aussagen zur Zahl der Fälle und Höhe des Schadens sehr schwierig. Der Schaden dürfte in die Milliarden gehen und mittelbar auch erhebliche Arbeitsplätze kosten.
Der Grund für die weiter wachsende Wirtschaftsspionage liegt im brutalen Interesse der Konkurrenz, sich möglichst schnell und kostengünstig Produktions- und damit Marktvorteile zu beschaffen, mit denen bei enger werdenden Räumen eigene Vorteile gewonnen werden und dem wirtschaftlichen Gegner geschadet werden kann.

Wirtschaftswetter: Worin liegt die Motivation, wenn Geschäftsideen gestohlen werden? Schnüffeln ist doch nicht weniger aufwendig als selbst machen, oder doch?

Jürgen Zeiger: Geschäftsideen führen häufig erst nach langwierigen und kostenaufwändigen Entwicklungen zu verwertbaren Produkten. Der Diebstahl dieses Know-Hows durch den wirtschaftlichen Konkurrenten verbessert dessen Position entscheidend, weil er Zeit und Kosten spart. Der Aufwand für die illegale Abschöpfung von Informationen ist üblicherweise erheblich niedriger als eigene Entwicklungsprozesse zu finanzieren.

Wirtschaftswetter: Wirtschaftskrieg, warum ist das in den Ohren vieler Menschen ein Unwort? Wollen sie die Realität nicht sehen?

Bernd Oliver Bühler: Die Gründe, warum Wirtschaftskrieg gerade in Deutschland ein Unwort ist, sehe ich besonders in unserer Geschichte. Zwei Weltkriege und dann auch noch der Kalte Krieg, in dem sich Deutsche 45 Jahre als Gegner gegenüberstanden. Wer gerne in Antiquariaten stöbert, wird mit Interesse feststellen, dass die Auswahl zu diesem Thema in den ersten 50 Jahren des 20. Jahrhunderts viel umfangreicher ist als heutzutage. Es ist geradezu tragisch. Wir haben damit unsere Probleme. In den angelsächsischen Staaten, Frankreich und anderswo nennt man das Kind beim Namen und macht sogar noch ein Managementthema daraus. Die Augen vor der Realität zu verschließen war jedoch noch nie eine Lösung. Auch in Deutschland nicht. Das sagt schon der gute Menschenverstand, dass wir uns dem Thema nicht verschließen können. Selbst wenn wir es gern verdrängen würden, funktioniert dies leider nicht.

Wirtschaftswetter: Welche Auswirkungen hat die Globalisierung, wird die Konkurrenz unter Ländern weltweit zunehmen? Mit welchen möglichen Konsequenzen für Wirtschaft und Politik?

Bernd Oliver Bühler: Warum setzen sich viele Staaten in der Welt so sehr für die Interessen ihrer Wirtschaft ein? Nun, eine der Erklärungen ist, dass einige Staaten erkannt haben, dass es ihrem eigenen Interesse dient, wenn ihre Wirtschaft Märkte im Ausland übernehmen kann. Was bedeutet das aber für die Politik? Werden jetzt aus Verbündeten automatisch Feinde? Auf diese Frage hat man in Frankreich und anderswo eine dualistische Sichtweise des Dilemmas der Beziehungen zwischen Staaten entwickelt: politischer Freund, aber wirtschaftlicher Gegner. Für die Franzosen schließt das eine das andere nicht aus. Das Konzept ist an unserer Ecole de Guerre Economique an der privaten Managementschule ESLSCA in Paris, vertieft worden. Für Christian Harbulot, den Gründer und Direktor der Ecole de Guerre Economique ist Wirtschaftskrieg eine Bedrohung ganz besonderer Art, da er untrennbar verbunden ist mit der Globalisierung der Wirtschaft. Je mehr sich die Länder industrialisieren, desto mehr bekommen sie die Auswirkungen des internationalen Wettbewerbs zu spüren.

Wir können die Konsequenzen für die deutsche Politik, Gesellschaft und Wirtschaft begrenzen, wenn wir diese Herausforderung der Geschichte mutig, entschlossen und kreativ annehmen und angehen! Zweitens sollten wir die Akzeptanz des französischen Konzepts, nicht nur bei den Diensten und Behörden, sondern auch durch die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft als Beschreibung der Realität, fördern. Dies wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Politische Freundschaften sollten nicht an wirtschaftlichen Differenzen zerbrechen. Die Gefahr, dass dies langfristig jedoch passiert, ist groß, wenn man nicht Probleme offen anspricht, sondern diese verschweigen möchte. Probleme werden nicht dadurch gelöst, dass man diese verschweigt, dadurch verstärken sie sich lediglich.

Wirtschaftswetter: Wie begegnen Sie Kritikern? Nehmen Sie aus dieser Richtung evtl. sogar Anregungen auf? Und was wünschen Sie sich von Ihren Kritikern?

Bernd Oliver Bühler: Als wir 1997 unsere Arbeit aufnahmen, und uns auch noch erlaubten, den Namen „Wirtschaftskrieg“ zu verwenden, sagten uns viele Unken und Auguren keinen Erfolg voraus. Wir behielten Recht und unsere Arbeit im Dienste und Interesse auch der europäischen Wirtschaft und Politik geht mit Erfolg weiter. Wir stehen konstruktiver Kritik sehr offen gegenüber. Um zu wissen, ob man den richtigen Weg beschreitet, gilt es nicht, immer nur auf die positiven Stimmen zu hören, sondern sich auch immer wieder der Kritik zu stellen. Man kann sie als Anregung bezeichnen, um zu überdenken und sich ständig zu verbessern. Niemand ist so gut, dass er sich nicht verbessern könnte, auch wir nicht. Andererseits, wer nur auf Kritiker hört, wird mit ziemlicher Sicherheit nichts bewegen, denn irgendwann müssen auch auf die schönsten Worte Taten folgen. Von Kritikern und Gesprächspartnern wünsche ich mir persönlich einen offenen, konstruktiven Dialog, in dem man die Dinge beim Namen nennt und nicht verschweigt. Man mag über den Begriff „Wirtschaftskrieg“ streiten, aber wird dürfen auch nicht die Augen vor einer Tatsache verschließen: Wirtschaftskrieg ist nun einmal nichts anderes als der Einsatz der Mittel des Krieges in der Wirtschaft. Da gibt es wenig zu beschönigen. Jede andere große Nation in der Welt bezeichnet dies auch noch unverblümt so: in den angelsächsischen Staaten redet man über „economic warfare“, information warfare, in Frankreich über „guerre economique“ und „guerre de l’information“. Mit anderen Worten, die ganze Welt tut es bereits. Warum sollen wir die Augen davor verschließen, indem wir andere, abgeschwächte Terminologien verwenden? Nicht das, worüber man offen und konstruktiv spricht ist gefährlich, sondern die Themen die man verschweigt und so tut, als wären sie nicht vorhanden.

Wirtschaftswetter: Ist Kommunikation ein Schwert im Wirtschaftskrieg? Welchen Stellenwert hat es?

Bernd Oliver BühlerKommunikations ist sogar eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste Schwert. Mann stellt sich gerne die Frage was aufgenommen wird: die Realität (z.B. des Produktes) oder die Wahrnehmung (z.B. des Produktes). Kunden kaufen keine Realitäten, sondern Wahrnehmungen. Oft kaufen sie sogar Produkte die qualitativ schlechter sind als die der Konkurrenz und die dafür eine besseres Image haben. Die beste Realität ist nutzlos, wenn die Wahrnehmung eines Produktes, eines Unternehmens oder einer Person negativ besetzt ist. Aber dieses Schwert muss auch kontinuierlich geschliffen werden. Hier greift „Business Intelligence“. Denn eine Entscheidung im Bereich Marketing/Kommunikation oder Strategie ist nur so gut, wie die zur Verfügung stehenden Informationen es sind, auf denen diese Entscheidung basiert. Informationsbeschaffung wird also zur strategischen Herausforderung für Unternehmen.

Wirtschaftswetter: Wirtschaftskrieg versus Vertrauen in Geschäftsbeziehungen. Wie kommt ein Unternehmer heil durch diesen Dschungel?

Jürgen Zeiger: Das Beste hoffen, und sich auf das Schlimmste vorbereiten. Nein, ernsthaft: Es kann doch nur darum gehen, sein eigenes Know-How durch wirksame Maßnahmen zu schützen. Es geht darum, sich durch harte Arbeit und geschicktes Geschäftsgebaren eine vorteilhafte Marktposition zu verschaffen und mit Vertrauen erweckendem Verhalten für einen einwandfreien Ruf und anerkanntes Standing zu sorgen. Wenn dann noch gesundes Misstrauen als Impulsgeber für das Erkennen von Gefahrensituationen hinzukommt, das die Alarmglocken rechtzeitig hörbar macht, dürften alle Voraussetzungen für den wirkungsvollen Schutz des eigenen Unternehmens einerseits und andererseits die nötige Offenheit für vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen geschaffen sein. Dabei müssen Vorsichtsmaßnahmen immer so diskret instrumentalisiert werden, dass ein potentieller Geschäftspartner davon nicht abgestoßen wird.

Wirtschaftswetter: Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand der Kommunikation in Unternehmen und auch in der Politik? Wissen die Verantwortlichen mit Informationen, Daten und Kommunikation umzugehen, oder ist "denn-sie-wissen-nicht-was-sie-tun" noch weit verbreitet?

Bernd Oliver Bühler: Allgemein betrachtet besteht im Vergleich zu Amerika noch immenser Nachholbedarf, obwohl es auch hier Unternehmen gibt, die (Medien-)Krisen gut gemeistert haben, andere dafür weniger. Auch hier gibt es glücklicherweise kein Schwarz und kein Weiß.
Genauso ist es bei Verantwortlichen: Manche nennen den „Wirtschaftskrieg“ im persönlichen Gespräch beim Namen, und versuchen, sich und ihr Unternehmen entsprechend darauf einzustellen. Andere glauben leider immer noch, dass der Wettbewerb mit der Konkurrenz nur über Produkt, Qualität und Preis läuft. Ich wünsche es diesen Leuten, Ihren Unternehmen, Aktionären und Arbeitnehmern nicht, aber ich fürchte, dass sich manche davon die sogenannte blutige Nase auf dem Markt holen werden.

Wirtschaftswetter: Ausblick auf die Zukunft. Wie sehen die Wirtschaftskriege aus, mit denen wir es zu tun bekommen, für den Unternehmer und den Verbraucher?

Bernd Oliver Bühler: Die Intensität des Wirtschaftskrieges wird zwangsläufig zunehmen, da die weltweite Restrukturationsphase noch lange nicht abgeschlossen ist. Wir werden uns an diesen Zustand gewöhnen müssen, doch sollten wir ihn eher als Herausforderung und Chance, und nicht nur als Bedrohung betrachten. Wir werden die Gefahr allerdings nur erfolgreich bestehen, wenn wir uns der Realität stellen, die Instrumentarien schaffen, mit denen dem Gefahrenpotential erfolgreich zu begegnen ist und der Herausforderung mit Fantasie und Konsequenz begegnen
Die Antwort für die Verbraucher ist hier ungleich schwieriger, sie wird essentiell davon abhängen, wer wen beeinflussen wird: die Verbraucher die Unternehmer oder umgekehrt. Auch hier sehe ich wieder den Mittelweg der gegenseitigen Beeinflussung, ich hoffe nicht, dass der Verbraucher zum bloßen, willenlosen Spielball von Unternehmen wird - denn sonst kann ihn ja auch die Konkurrenz beeinflussen - sondern hoffe auf den intelligenten und differenziert denkenden Verbraucher.

Die Interviewpartner:
Jürgen Zeiger: begann seine Dienstzeit 1957 beim Bundesgrenzschutz, wechselte zum BKA und leitete dort am Ende seiner Laufbahn als Abteilungspräsident die mit 1.100 Mitarbeitern größte Abteilung im Bundeskriminalamt, welche auch so spezielle Organisationseinheiten wie Kriminaldauerdienst, Tatortgruppe und Zielfahndung umfasste. Während seiner Dienstzeit setzte er entscheidende Akzente, insbesondere für die durch Stichworte wie Interpol / Europol/Schengener Übereinkommen gekennzeichnete internationale polizeiliche Zusammenarbeit sowie die für die Einrichtung der aus der polizeilichen Ermittlungstätigkeit nicht mehr wegzudenkenden DNA-Datei. Herr Zeiger gilt darüber hinaus als ausgewiesener Fachmann für Geheimschutzmassnahmen, die ebenfalls zu seinem Verantwortungsbereich gehörten.

Bernd Oliver Bühler: Diplomwirtschaftswissenschaftler der Universität Poitiers, Absolvent und Pressesprecher der „Ecole de Guerre Économique“ in Paris sowie Direktor für Internationale Kommunikation der Managementschule ESLSCA in Paris.

Weitere Informationen: Ecole de Guerre Economique

2004-04-07 Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz mit den Gesprächspartnern Jürgen Zeiger und Bernd Oliver Bühler
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