von Sabine Imglück*
In meiner Beratung arbeite ich mit einem speziellen Messgerät. Das ist notwendig um bestimmte Daten zu vergleichen und Veränderungen festzustellen. Aus Rücksicht auf meine Klientel im Gesundheitsbereich möchte ich mich hier etwas allgemeiner ausdrücken.
Dieses Gerät gab ausgerechnet genau während einer Beratung, seinen Geist auf. Anzeige: „Akku bitte laden!“
Eigentlich war das sogar unmöglich, da das Gerät immer auf dem Akkublock liegt und auch nicht überladen werden konnte, so sagte mir der Verkäufer damals Mir blieb nichts anderes übrig, als mich bei meiner Kundin zu entschuldigen und mich telefonisch mit dem Hersteller in Verbindung zu setzen, bei dem ich dieses Gerät vor knapp 5 Jahren erworben hatte.
Erste Diagnose nach meinen Schilderungen: Akkublock defekt, Gerät bitte einschicken, aber bitte nur über einen Paketdienst, nicht mit der Post.
Mir gingen derweil tausend Gedanken durch den Kopf, weil mein Geschäft ja weiter laufen musste:
- Hoffentlich muss ich heute nicht noch einen Kunden/eine Kundin wegschicken - im Laufe des Nachmittags waren es dann fünf!
- Die Sprechstunde muss ich am nächsten Tag ausfallen lassen und die Stammkunden telefonisch informieren sowie den Verdienstausfall einkalkulieren
- Nun ja, das Gerät ist ja auch schon etwas älter, so etwas kann dann wohl schon einmal passieren, aber die Situation wird dadurch auch nicht besser ....
- Ich muss die nächste Filiale eines Paketdienstes suchen, Infos zu Öffnungszeiten etc. einholen- gar nicht so einfach, wenn man mitten auf dem Land wohnt, wo Paketdienste nicht gerade überall zu finden sind.
Letztendlich wurde ich fündig, verpackte das Teil vorschriftsmäßig und fuhr am nächsten Morgen so schnell wie möglich dorthin, so dass mein für die Beratung so äußerst wichtiges Instrument noch am gleichen Tag auf die Reise gehen konnte.
Nun lebte ich nur noch in der Hoffnung, dass es bitte pünktlich zu Beginn der neuen Woche zurück kommen würde, so dass ich nicht noch eine Sprechstunde ausfallen lassen musste!
Am Montag stand dann, Gott sei Dank, ein Lieferwagen eines Paketdienstes vor der Tür. Paketübergabe, ein Blick auf den Absender, Stein fällt vom Unternehmer-Herzen: Messgerät ist wieder da, Hurra!
Zuhause hatte ich lediglich einen Moment Zeit, um zu testen, ob der Akku wieder lief und ging zuversichtlich davon aus, dass alles andere in Ordnung sein würde, denn die Herstellerfirma hatte auf mich beim Kauf des Gerätes einen guten Eindruck gemacht. Was mich nur etwas stutzig machte war, dass eine Rechnung fehlte. Da ich ein ehrlicher Kunde bin, „meldete“ ich dies der Firma noch schnell per E-Mail, sowie dass zwar zwei neue Messleitungen mitgeschickt wurden, aber die alten im Paket nicht zu finden waren. Bisher kannte ich nur die Praxis, dass nach einer Reparatur eines elektrischen Gerätes die defekten Teile mit zurückgeschickt wurden.
Na egal, es sollte wohl alles seine Richtigkeit haben, dachte ich und so zog ich frohen Mutes Richtung Beratungspraxis. Die ersten zwei Kundinnen standen schon pünktlich vor der Tür. Die Erste wurde daraufhin „verkabelt“, Button des Messprogramms gedrückt, Anzeige: “Messung läuft“, aber... keine Daten!.
Panik stieg in mir auf. Nach mehrmaligem Probieren, während die Kundin immer ungeduldiger wurde: Nichts zu machen, es wurde keine Messung angenommen. Eine sehr unangenehme Situation vor Kunden!
Mit einem flauem Gefühl im Magen rief ich nun beim Hersteller an und schilderte freundlich die Sachlage. Die Antwort des Kundenservice: „Kann eigentlich nicht sein. Das Gerät hat unser Haus ordnungsgemäß verlassen....Aber denken Sie daran, wenn Sie das Gerät wieder einschicken, in der nächsten Woche ist Karneval.“
Ganz wunderbar, Karneval beim Hersteller, das Haus voller Kunden bei mir - ohne Messgerät, besser gehts nicht! . Auf die vorsichtige Nachfrage, wo denn die alten Kabel geblieben sein könnten (denn die waren ja der Anzeige gemäß eigentlich gar nicht das Problem) , gab es die sinngemäße, knappe Antwort: „Wir haben einen Kabelbruch festgestellt. Damit können Sie sowieso nichts mehr anfangen. Außerdem werden diese Kabel nicht mehr hergestellt.“
Das kam mir alles doch irgendwie seltsam vor und ich brauchte einige Zeit, um meine Gedanken zu sortieren, besonders nachdem das Angebot kam, das Gerät noch einmal einzuschicken. Sollte ich nicht bedenken, dass Karneval war? Bedeutet das etwa den zwingenden Ausfall beider Sprechstundentermine in der kommenden Woche? Und wann kann ich wieder vernünftig arbeiten? Fragen über Fragen anstatt Lösungen!
Ich musste wohl oder übel das Gerät noch einmal einschicken, denn selbst reparieren konnte ich es definitiv nicht. .
Zu meiner eigenen Sicherheit und als Vorankündigung für den Hersteller, setzte ich ein Fax auf, mit dem freundlichen Hinweis, dass ich das Gerät nun wieder einschicke. Ich wies außerdem kurz auf die aktuellen, technischen Probleme damit hin, und bat um ein Ersatzgerät, weil ich nicht noch mehr Verdienstausfall verkraften könne. Außerdem mit einem Ersatzgerät, kann der Hersteller dann in Ruhe das alte Gerät prüfen und ich endlich wieder meine Kunden bedienen.
Gerade einmal fünfzehn Minuten später traf mein Schreiben per Fax wieder bei mir ein, mit einer handschriftlichen Notiz, Originalzitat: “ Vergessen Sie uns! Wir werden Sie nicht weiter betreuen. Mit freundlichen Grüßen" - Unterschrift des Inhabers.
Ich hatte das Gefühl, ich wäre im falschen Film. Was war an meinem Fax so ehrenrührig? Ich war mir ganz ehrlich absolut keiner „Schuld“ bewusst und brauchte dann erst einmal ein paar Stunden Ruhe, bevor ich mich wieder mit diesem Anbieter auseinandersetzen wollte und griff dann zum Telefon. Die mir mittlerweile schon bekannte Mitarbeiterin am anderen Ende der Leitung bat ich um ein Gespräch mit ihrem Chef. Mein Name wurde weitergegeben und dann sagte sie zu meiner völligen Überraschung: „Im Moment ist es schlecht. Außerdem möchte Herr XY nicht mehr mit Ihnen reden.“
Ich bin ein friedliebender Mensch und ein dankbarer Kunde. Und ein Verkäufer, der ausgerechnet seinen Kunden einseitig eine Abfuhr erteilte, das begriff ich einfach nicht. Also schrieb ich geduldig eine freundliche und sachliche E-Mail an Herrn XY persönlich und bat ihn um Aufklärung. Ich erläuterte ihm, dass eine Reklamation doch eigentlich etwas ganz normales sei, wie wichtig die Arbeit und damit das Gerät für mich wären und ich sehr gerne seine Erklärung für diese mir völlig schleierhaften Bemerkungen abwarte.
Oh, was ein Wunder, am nächsten Tag, traf tatsächlich eine Antwort ein:
Die Historie aus seiner Sicht wurde rekapituliert - kannte ich bereits
Ferndiagnosen wären nicht möglich - kann ich verstehen
Noch einmal ein Angebot eines kostenpflichtigen Checks.
Und dann der Hammer, Orginalzitat:
„All das hätten wir in unserem Selbstverständnis getan. Nur nicht mit einer Forderung, dass wir Ihnen ein Leihgerät zur Verfügung stellen sollen und schon gar nicht mehr mit dem Hinweis auf Ihren Verdienstausfall. Diese Art von Anspruchshaltung können Sie in Ihrer Kindererziehung realisieren. Wir unterstützen das nicht.“
Das war dann auch mir genug „Kunden-Kinderziehung“. Service, wie er in anderen Unternehmen zur Selbstverständlichkeit gehört, gar für anspruchsvolle Kunden – wie es Unternehmer und Selbständige nun einmal sind, die auf Maschinen, eine funktionierende IT oder eben dieses blöde kleine, aber so wichtige Gerät angewiesen sind - war von dieser Firma absolut nicht zu bekommen. Und ich finde, der vorletzte Satz ging durchaus in Richtung Frauenfeindlichkeit, denn hätte er es sich wirklich gewagt, solch ein harsche Abweisung gegenüber einem männlichen Kunden schriftlich zu geben?
Mittlerweile arbeite ich wieder, übrigens mit dem Gerät eines Konkurrenzherstellers, ganz reibungslos, ohne irgendwelche Probleme und eine gute Kinderstube scheinen die Mitarbeiter dort auch genossen zu haben: ein äußerst freundlicher Service, auch für den anspruchsvollen Kunden.
Vielleicht sollten sich 0815-Hersteller einfach von Vorneherein die entsprechenden 0815-Kunden suchen, selbstverständlich zu den passenden 0815-Preisen?
"Vergessen Sie uns!"
Aber mit dem größten Vergnügen!
2004-07-15 Sabine Imglück* (*Name der Redaktion bekannt), Wirtschaftswetter
Sabine Imglück*
Text ©Sabine Imglück* und Angelika Petrich-Hornetz
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