von Cornelia Schaible
An eine Green Card per Heirat mit der schönen Amerikanerin Andie MacDowell zu kommen, das blieb Gérard Depardieu vorbehalten – im Film. Wer vom Leben und Arbeiten in den USA träumt, kann einfach sein Glück versuchen . 50.000 Ausweise werden jährlich verlost. Frank Geyer und Anja Rothbart-Geyer waren das erste Paar aus Deutschland, das gleich doppeltes Lottoglück hatte, und zwar unabhängig voneinander.
Manche haben einfach Pech. Machen fünf, sechs oder sieben Mal mit, und nie klappt’s. Alle deutschen Amerika-Auswanderer kennen so jemanden. Oder sie haben es einst selbst vergeblich versucht. „Ich habe viele Freunde, die es immer wieder probiert haben und die nie gezogen wurden“, erzählt Anja Rothbart-Geyer, 38, die heute in einem Vorort von Detroit (US-Bundesstaat Michigan) lebt. Als ihr ein Bekannter die Unterlagen für die Green-Card-Lotterie per Fax zuschickte, wollte sie es trotzdem spaßeshalber mal riskieren. Ihr Freund Frank Geyer war gleich mit dabei. Motto: „Kostet ’ne Briefmarke und schadet nicht.“ Die Papiere mit der Maschine auszufüllen, sei allerdings eine Menge Arbeit gewesen. „Wir sind dann zusammen zum Briefkasten marschiert – er hat auf der einen Seite eingeworfen, und ich auf der anderen.“
Das war im Februar 1996. Und dann passierte lange nichts mehr. Ist auch kein Wunder, wenn man den alljährlichen Massenansturm auf die Green-Card-Lotterie bedenkt: Die Teilnehmerzahl geht stets in die Millionen. Das klassische Einwanderungsland USA hat offenbar auch in jüngster Zeit nichts von seiner Anziehungskraft eingebüßt. Nach Auskunft des US-Außenministeriums gab es im vorigen Jahr 5,9 Millionen elektronische Einsendungen, welche die Voraussetzungen für eine Lotterie-Teilnahme erfüllten. Wer sich für eine dauerhafte Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis in den USA bewirbt, braucht entweder eine zwölfjährige Grund- und Sekundarschulbildung mit dem entsprechenden Schulabschluss oder muss zwei Jahre Erfahrung in einem Beruf mit mindestens zweijähriger Ausbildungszeit vorweisen können.
Die gelernte Luftverkehrskauffrau Anja Rothbart und ihr Freund Frank Geyer, der Fahrzeugbau studiert hat, waren also bei weitem ausreichend qualifiziert. Die beiden lebten damals in Hamburg; sie hatten sich 1993 beim 800. Hafengeburtstag kennengelernt. An die Lotterie dachte schon keiner mehr, als Frank Geyer im Juli ’96 seine Benachrichtigung erhielt. „Dann war das Juchhe groß“, erinnert sich Anja Rothbart-Geyer – zumal sie eine Woche später ebenfalls ein Schreiben bekam, sie könne nun einen Visa-Antrag stellen. Und was sie heute noch unglaublich findet: Ihr Bekannter hatte die Lotterie-Unterlagen an insgesamt sieben Leute geschickt. Alle machten mit, und alle wurden gezogen – nur der Anstifter selbst nicht. „Aber der hat dafür ein Jahr später gewonnen.“
Das wirft nun die Frage auf: Wie groß sind überhaupt die Chancen, bei der Green-Card-Lotterie zu den Glücklichen zu gehören? Dazu muss man wissen, dass die US-Regierung die Lotterie nicht zur Freude der Amerika-Fans aller Länder betreibt – damit will sie vielmehr die Einwandererströme gezielt steuern. Es handelt sich im Prinzip um ein Programm, das für mehr Vielfalt unter den Immigranten sorgen soll. Was im Klartext bedeutet: Wer zufällig in einem Land geboren wurde, das in den vergangenen fünf Jahren überdurchschnittlich viele US-Einwanderer stellte, ist von der Teilnahme von vorne herein ausgeschlossen.
Verständlich wird dies im Hinblick auf die Geschichte der Green-Card-Lotterie, die 1994 eingeführt wurde. Die Idee dazu hatte Präsident Ronald Reagan bereits Jahre zuvor: Nachdem er 1987 zwei Millionen illegal im Land lebenden Mexikanern eine Arbeitserlaubnis eingeräumt hatte, fürchtete er um das ethnische Gleichgewicht im Land. Auch andere Einwanderer sollten eine Chance bekommen, und das gilt bis heute: Nach Angaben der US-Botschaft erhalten neben Mexiko unter anderem China, Indien und Russland kein Kontingent beim aktuellen „Diversity-Visa-Lotterie-Programm“, wie es in der Amtssprache heißt. Deutsche Staatsangehörige sind – wie bisher – teilnahmeberechtigt. Die Anmeldung läuft; eine Registrierung ist seit vergangenem Jahr allerdings nur noch online möglich. Nächster Anmeldeschluss ist am 7. Januar 2005; „nach 12 Uhr Ostküstenzeit werden keine Anträge mehr angenommen“. Wer mitmachen will, sollte damit allerdings nicht zu lange warten, rät die Botschaft – das System sei gegen Ende hin sonst womöglich überlastet. Ein elektronisches Fomular hat außerdem so seine Tücken; außerdem muss der Antragsteller oder die Antragstellerin für sich und den Ehegatten sowie für Kinder unter 21 Jahren jeweils ein digitales Bild einreichen, und dafür gibt es ganz präzise Vorschriften.
Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht wird für die Teilnahme an der Lotterie keine Gebühr erhoben. Allerdings bieten einige Firmen ihre Hilfe bei der Registrierung an – und das ist dann meistens nicht ganz billig. Wer einen Internetanschluss besitzt, kann sich diese Ausgabe sparen. „Die Regierung der Vereinigten Staaten bedient sich zur Durchführung des DV-Programms, keiner Berater von außen und keiner privaten Dienstleistungen“, stellt die US-Botschaft klar. „Vermittler oder andere, die den Antragstellern ihre Unterstützung bei der Vorbereitung der DV-Unterlagen anbieten, tun dies ohne die Genehmigung oder Zustimmung der Regierung.“
Wie auf der Web-Site der US-Botschaft außerdem nachzulesen ist, werden die 50.000 Visa auf sechs geografische Regionen verteilt. Aber: „Innerhalb jeder Region darf pro Jahr kein Land mehr als sieben Prozent der verfügbaren Diversity Visas erhalten.“ Tatsächlich stammten bei der vorigen Runde nur 1275 Lotterie-Gewinner aus Deutschland. Wie viele Teilnehmer jeweils aus einem Land kommen, darüber ist beim US-Außenministerium nichts zu erfahren. Allerdings stellen nie alle Gewinner einen Visa-Antrag. Für Anja Rothbart und Frank Geyer war das damals aber keine Frage: Sie hatten Lust aufs Abenteuer Amerika.
„Wir mussten damals schon sagen, in welchem Flughafen wir ankommen wollten“, erinnert sich Anja Rothbart-Geyer. Sie wählten die Autostadt Detroit, weil der Fahrzeugbauer Frank Geyer dort am ehesten einen Job finden konnte. Bloß dumm, dass nur er im November eine Einladung aufs Konsulat bekam. Was tun? Die einfachste Lösung, um auf jeden Fall gemeinsam nach Amerika zu gehen: Heiraten. Die Familie freute sich, und die Auswanderungs-Planung konnte beginnen.
Nun, auch Anja erhielt schließlich noch das ersehnte Schreiben – da hieß sie schon Rothbart-Geyer. Was auch nichts machte. Auf dem Konsulat gab es damals jedenfalls ein großes Hallo, als bekannt wurde, dass die beiden unabhängig voneinander gezogen wurden – das war angeblich eine Premiere. Die Formalitäten waren ruckzuck erledigt. Und dann ging’s Schlag auf Schlag: „Ich habe meine Diplomarbeit abgegeben, am nächsten Tag saßen wir im Flieger, und am übernächsten Tag musste ich meinen Job antreten“, erzählt Frank Geyer, 36. Er grinst, wenn er daran denkt: „Ich bin da am ersten Tag im Hochzeitsanzug eingelaufen – das war der Lacher.“
Dass der Dress-Code für einen Ingenieur am Arbeitsplatz eher Khakihosen vorsieht, gehört zu den vielen kleinen Dingen, die man im fremden Land erst lernen muss. „Wir haben das Glück gehabt, dass wir in einer ausländerfreundlichen Metropole gelandet sind“, sagt Rothbart-Geyer. Und auch sonst hätten sie beide recht schnell „alle vier Füße auf den Boden“ bekommen: „Wir hatten bei unserer Einwanderung – so richtig filmreif – nur 50 Dollar dabei.“ Plus die paar Habseligkeiten, die auf dem Schiff nachkamen. Aber auch sie habe schnell eine Stelle gefunden, das erste Auto wurde abgestottert, und nach einem Jahr kauften sich die beiden ihr erstes eigenes Häuschen. Ein günstiges Darlehen vom Staat und niedrige Hypothekarzinsen machten es möglich.
Inzwischen besitzen die beiden ein größeres Haus mit weitläufigem Garten, Frank Geyer hat schon zweimal die Stelle gewechselt, und seit einiger Zeit sorgt Söhnchen Finn dafür, dass auch bei Anja Rothbart-Geyer nie Langeweile aufkommt. Und so ganz nebenbei wurde Frank Geyer 2002 noch Weltmeister im Liegeradfahren. Das brachte das Ehepaar auf die Idee, eine eigene Firma zu gründen und Spezialfahrräder zu importieren. Hat sich für die beiden der amerikanische Traum also erfüllt?
„Man kann sich ein Ziel setzen und es dann erreichen“, sagt Anja Rothbart-Geyer, „das wäre in Deutschland nicht so einfach möglich.“ Ein eigenes Haus zu haben, das wäre in der Heimat wahrscheinlich ein Wunschtraum geblieben. Wie so viele Ausgewanderte vermissen die Geyers aber Freunde und Familie. Irgendwann wieder zurückzugehen können sie sich im Moment trotzdem nicht vorstellen. „Hier sind die Leute viel lockerer drauf“, sagt Frank Geyer. „In Deutschland habe ich oft das Gefühl, man wird vom Griesgram erschlagen.“ Die Freundlichkeit der Amerikaner sei mitunter vielleicht oberflächlich. „Aber sie erleichtert das Leben ungemein.“
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Info und Update: Bei der aktuellen Green-Card-Lotterie des US-Ministeriums können sich Personen aus Ländern mit niedriger Einwanderungsrate in die Vereinigten Staaten aktuell vom 2. OKtober 2008 bis zum 1. Dezember 2008 um eine dauerhafte Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung für 2010 bewerben – Deutsche sind zugelassen. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Registrierung ist allerdings nur online möglich, und zwar unter: Electronic Diversity Visa Programm. Bewerbungen sind natürlich auch in den Folgejahren nach 2008 bzw. 2010 möglich. Anm. d. Red.
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Das Registrierungsportal wurde von "Lottery" in "Programm" umbenannt. Anm. d. Red.
2004-11-30 by Cornelia Schaible, Wirtschaftswetter
Text: ©Cornelia Schaible
Fotos: ©Cornelia Schaible
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