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Herbst-Zeitlose

Über die Wechseljahre - Interview mit der Beraterin Brigitte Hieronimus

von Susanne Hagendorn

Wechseljahre - der Herbst im Leben. Diese Formulierung hört und liest man häufig, wenn man sich mit diesem Thema beschäftigt. Was verbindet man allgemein mit dem "Herbst"? Die Tage werden kürzer, Nebel, beginnende Kälte, die Natur geht in eine Art Winterschlaf über. Der Sommer ist einfach vorbei. Ist das wirklich so? Vergessen wir nicht die oft noch sehr angenehmen, warme Tage, die bunten Farben des Laubs und: den frischen Wind? Den Eindruck, dass der "Herbst" viele angenehme Seiten hat, erhielt ich bereits, als ich die Homepage der Wechseljahre-Beraterin Brigitte Hieronimus besuchte und ihr dann später persönlich einige Fragen zum Thema stellen konnte.

Wirtschaftswetter : Frau Hieronimus, Sie beschreiben die Wechseljahre als "Tanz der Hormone", der uns Frauen in einen neuen Lebensabschnitt bringt. Sehen Sie darin Ihre Aufgabe als Wechseljahreberaterin, nämlich diesem Lebensabschnitt den meist negativen Beigeschmack zu nehmen?
Brigitte Hieronimus : Genau so gehe ich an das Thema heran! Die meisten kommen gar nicht auf die Idee, dass Wechseljahre wie Pubertät eine Umbruchsphase bedeuten und von daher mit ganz normalen Umstellungsprozessen verbunden sind. Da die meisten ihre Pubertät aber schon als schrecklich empfunden haben, interessieren sich Frauen wie Männer wenig für ihren Tanz der Hormone.

Wirtschaftswetter : Wie erleben Sie die Aufklärung über die Wechseljahre in Ihren Seminaren und Vorträgen, und wie werden Ihre Angebote angenommen?
Brigitte Hieronimus : Ich arbeite jetzt seit sieben Jahren mit Frauen dazu - mittlerweile auch mit einigen Männern - und kann aus meiner Erfahrung heraus sagen, dass die meisten immer noch erstaunt sind, wenn sie hören, welche Auswirkungen die Hormone auf ihre Psyche haben. Bei Frauen macht sich durch das allmähliche Absinken des Östrogenspiegels, Testosteron deutlicher bemerkbar. Dies wirkt sich auf ihre Libido und damit auf ihre Stimmungen aus. Reizbarkeit und eine erhöhte Ärgerbereitschaft sowie Wut und Aggressionen können vorkommen, und damit haben die meisten Frauen Probleme, weil sie diese Emotionen als negativ bewerten.

Wirtschaftswetter : Wird dieses Thema Ihrer Meinung nach immer noch stark tabuisiert, weil Wechseljahre ja oft noch mit dem Beginn des Alterns gleich gesetzt werden? Brigitte Hieronimus : Das Schreckgespenst geistert in der Tat unbewusst in den meisten Köpfen herum. Wir haben ja auch wenig positive Vorbilder aus der Vergangenheit, und durch den Jugendwahn, der gesellschaftlich akzeptiert wird, werten sich die Frauen in der Mitte des Lebens oft selbst ab. „Mit mir ist nichts mehr los....dafür bin ich schon zu alt...wozu soll das noch gut sein...wer interessiert sich schon für meine Meinung....?“ sind Aussagen, die gar nicht so selten sind, und zeigen depressive Denkstrukturen, denen kein positiv ausgerichteter Blickwinkel gegenüber gestellt wird.

Wirtschaftswetter : Wie sollte frau an dieses Thema herangeführt werden und ab wann ist es sinnvoll, sich mit diesem Thema auseinander zu setzen?
Brigitte Hieronimus : Eine Studie aus den Niederlanden zeigt, dass 50 Prozent der Frauen ab 44 ins Vorfeld der Wechseljahre gelangen, d.h. jede zweite Frau kann damit rechnen, ungefähr sieben Jahre später ihre Menopause zu bekommen. Dann braucht es noch einmal die gleiche Zeit, bis der Körper sein hormonelles Umstellungsprogramm abgeschlossen und zu einem neuen Gleichgewicht gefunden hat. Wichtig ist zu wissen, dass die Hirnanhangdrüse, die für die Ausschüttung und Steuerung der Hormone zuständig ist, unter Stress aber gestört wird und überreagiert. An sich normale Symptome können sich verstärken, und zu starke Belastungen entwickeln. Dies ist unter anderem Teil meiner Einzelberatungen und Vorträge, die ich überall halte, wo ich gerufen werde.

Wirtschaftswetter: Welche Erfahrungen machen Sie mit Gynäkologen? Stehen Sie der Zusammenarbeit mit Wechseljahreberaterinnen positiv gegenüber?
Brigitte Hieronimus : Hier in Deutschland findet sich – ganz im Gegensatz zu den Niederlanden, die dieses Berufsbild fest integriert haben – wenig bis gar keine Akzeptanz. Das mag zum einen daran liegen, dass wir als Konkurrenz statt als Bereicherung und Ergänzung gesehen werden. Zum anderen sicher auch daran, dass die Ärzteschaft und vor allem die Pharmaindustrie weniger zu verdienen hat. Mittlerweile ist längst bewiesen, dass Wechseljahre wie Osteoporose und andere „Krankheiten“ erfunden wurden, um dem Markt zu dienen. Mit der geschürten Angst der Frauen ist immer noch das meiste Geld zu verdienen. Deshalb müssen sie kritischer werden und sich umfassender informieren. In jeder größeren Stadt gibt es unabhängig arbeitende feministische Gesundheitszentren, wo man sich Rat holen kann. Inzwischen arbeite ich mit einer Krankenkasse zusammen und halte Vorträge, die der Prävention dienen. Das ist immerhin schon ein Ausblick, dass sich etwas verändert.

Wirtschaftswetter: Ist es aus Ihrer Erfahrung möglich, die physischen Beschwerden wie z.B. Hitzewallungen durch eine positive psychische Einstellung zu beeinflussen?
Brigitte Hieronimus: Nun, niemand kann seinen Wechseljahren davon laufen, allerdings reagiert jeder Körper anders auf die Umstellungen, die hormonell bedingt sind. Eine stabile seelische Verfassung trägt sicherlich viel dazu bei, Symptome wie Hitzewallungen, leichter zu nehmen. Immer wieder stelle ich aber fest, dass Wallungen dann als unerträglich empfunden werden, wenn Frauen unter angespannten Lebensbedingen ihre Frau stehen müssen. Krisen am Arbeitsplatz, in der Partnerschaft, Krankheit der Eltern, Schwierigkeiten mit Kindern oder Freunden, Mobbing und vieles mehr können Symptome zu echten Belastungen werden lassen.

Wirtschaftswetter: Ich möchte auch noch gern das Thema "Wechseljahre der Männer" ansprechen, das Sie auch in Ihrem Buch "Romeo und Julia in der Midlifecrisis" beschreiben. "Wechseln" Männer so extrem anders als Frauen, und beschäftigen sich die Männer mit diesem Thema überhaupt?
Brigitte Hieronymus: Männer wechseln ähnlich wie Frauen, nur gibt es bei ihnen keine Menopause. Deshalb bemerken sie ihre Andropause weniger. Das männliche Klimakterium virile ist von der Hormonveränderung der Nebenniere abhängig. Männer merken es daran, dass ihr gewohntes Leistungspensum nicht mehr erreicht wird, ob am Arbeitsplatz oder beim Sport, sie fühlen sich schneller müder, abgespannter und lustlos. Auch ihre Libido unterliegt dem Absinken des Testosterons. Irrtümlich glauben viele Männer, wenn sie keine sexuelle Lust mehr spüren, wäre das der Beginn einer erektilen Dysfunktion und vermeiden es, sich damit auseinander zu setzen. Viele Partnerschaften geraten dadurch in eine Schieflage, unterschwellige Konflikte kommen deshalb erneut auf den Tisch und verlangen nach Klärung.

Wirtschaftswetter: Das Berufsbild "Wechseljahreberaterin" ist ja eigentlich ein relativ unbekanntes und neues Tätigkeitsfeld. Braucht die Frau von heute eine Begleitung durch die Wechseljahre, und wie sieht diese Begleitung aus?
Brigitte Hieronimus: Das Berufsbild gibt es, wie oben erwähnt, nur in den Niederlanden. Durch meine Seminarleiterin-Weiterbildung für Wechseljahrkurse in der Schweiz, durch die Dipl. Psychologin Julia Onken und durch meine vorherige Ausbildung in Gesprächspsychotherapie, kann ich beides miteinander kombinieren. Ich arbeite freiberuflich an Beratungsstellen und von zu Hause aus. Durch meine langjährige Referententätigkeit und einige TV Auftritte bei „Frau TV“ und „Brisant“ und demnächst bei Arte, habe ich mir inzwischen einen Ruf verschafft und kann immer mehr individuelle Beratung und Aufklärung leisten. Wer nicht zu mir kommen kann, den berate ich am Telefon. Der Bedarf wird eher größer als kleiner.

Wirtschaftswetter: Gibt es schon mehr Frauen, die sich durch Sie haben einführen lassen, sodass das vorhandene Bedarfsfeld auch abgedeckt ist, und welche Frauen oder Berufsgruppen kommen dafür in Frage?
Brigitte Hieronimus: Wie gesagt, ich arbeite seit sieben Jahren in diesem Bereich, und es sieht nicht danach aus, dass Wechseljahre kein Thema mehr sind - im Gegenteil, die Nachfrage nach meinen Lehrgängen zur Einführung wird immer stärker. Das zeigt mir, es gibt noch viel zu tun. Beschränkungen oder Vorraussetzungen für meine Lehrgänge gibt es nicht. Jede, die sich für ihre Wechseljahre interessiert und diesen Lebensübergang als vitale Kraftquelle nutzen will, kommt in Frage. Ernährungsberaterinnen, Heilpraktikerinnen oder Psychologinnen nutzen meine Lehrgänge, um das neue Wissen in ihre eigene Arbeit zu integrieren. Sie sitzen wie herrlich buntes Laub zusammen und arbeiten intensiv miteinander. Begegnungen werden als bereichernd und warm empfunden, und nicht selten fühlen Frauen kurz danach ihren Aufbruch zu spannenden neuen Lebensthemen.

Schlusswort: Oft haben wir einfach nur „verlernt“, mit den natürlichen Lebensphasen zurecht zu kommen. Genauso oft lassen wir uns von den Erfahrungen anderer Leidensgenossinnen beeinflussen und diktieren, was die Pharmaindustrie für die "Wechseljahre-Probleme“ für richtig hält. Jede Frau sollte für sich persönlich entscheiden, welche Zusatzbehandlung wirklich notwendig ist und ob es evtl. Alternativen gibt. Für manche lohnt es sich, einen Kursus mit Anleitung zum Autogenen Training oder Yoga zu besuchen, um die innere Ruhe wieder zu finden, die wir alle im Alltag brauchen und die uns hilft, mit körperlichen Problemen zurecht zu kommen. Außerdem sollten wir nie vergessen, dass wir Frauen für uns selbst verantwortlich sind und dass es sich bei den Wechseljahren nicht um eine Krankheit handelt, sondern um einen ganz natürlichen Lebensabschnitt.

Im Web: Brigitte Hieronimus

2004-09-01 von Susanne Hagedorn, Wirtschaftswetter
Text: © Susanne Hagedorn + Gesprächspartnerin Brigitte Hieronimus
Schlussredaktion: Ellen Heidböhmer
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