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Illu Karl Lagefeld

Die 3D-Diät, oder: Disziplin - Dein Name ist Lagerfeld

Rezension "Die 3D-Diät" von Karl Lagerfeld, Jean-Claude Houdret


224 Seiten, broschiert, erschienen bei DTV im August 2004, ISBN 3423341211
von Susanne Hagedorn

Eine Diät als persönliche Neudefinition

Ich erinnere mich an einen Fernsehabend, als Karl Lagerfeld kurz nach seiner Diät bei Thomas Gottschalk auf dem Sofa saß. Mein erster, spontaner Gedanke war: “Ist Karl Lagerfeld magersüchtig?“ Nach der Lektüre des Diät-Ratgebers wusste ich dann: Er hat sich nur „neu definiert“ und dazu gehörte für ihn die radikale Gewichtsabnahme.
Um nun seinem Buch, der „3D-Diät“, diesem „Ratgeber zum Abnehmen“ gerecht zu werden, sollte man es Kapitel für Kapitel lesen, denn es hält einige Überraschungen bereit, die man nur bei der kompletten Lektüre entdeckt. 3D - das steht für Designer, Doktor und Diät.

Das Vorwort von Karl Lagerfeld

Interessant ist das Vorwort des erfolgreichen Modeschöpfers und Diät-Klienten. Jeder, der eine Diät beginnen möchte, sollte sich das Vorwort von Karl Lagerfeld unbedingt zu Gemüte führen. Tenor ist nämlich, dass man eine Diät für sich selbst durchführt und nicht für andere. Und diesen Hinweis kann man gar nicht genug verinnerlichen - einige besonders schöne Zitate:
„Es geht alleine um Sie - die anderen kommen später (oder auch nicht).“
„Die Jugend ist ein Club, aus dem eines Tages jeder vertrieben wird.“
„Fangen Sie mit Ihrer Diät in einem glücklichen, optimistischen Augenblick an.“

Gerade der letzte Satz hat es in sich. Wie häufig werden Diäten dann begonnen, wenn man an einem Tiefpunkt angekommen ist, oder weil es die Umwelt vermeintlich verlangt? Das alles hat keinen Sinn, und Lagerfeld betont es. Der Wille zum Abnehmen muss aus einem selbst heraus entstehen, und ihn in einem optimistischen Moment zu fassen, ist die beste Vorraussetzung, den Wandel zu vollziehen. Allerdings sollte man nicht jede Diät als eine Aufforderung verstehen, einen völlig neuen Menschen aus sich zu machen - wie in der Lagerfeldschen Neudefinition. Doch auch wer ein nur paar Pfunde loswerden will, sollte es unbedingt nur für sich selbst tun.

Das Vorwort von Dr. Houdret

Das Vorwort von Dr. Jean- Claude Houdret, der die Diät entwickelte, ist eine etwas weniger beeindruckende Lektüre, weil sie vor allem beschreibt, dass sich Übergewicht immer weiter ausbreitet. Das passiert sicher, doch fehlt hier der persönliche Bezug, auch wenn die allgemeine Gewichtszunahme zweifellos ein Problem ist – wer abnehmen möchte, hat dieses große Problem zunächst einmal für sich und muss es entsprechend für sich selbst lösen. Außerdem fehlen ein paar einleitende Worte des Mediziners: Warum eine proteinreiche Diät? Welche Auswirkungen hat sie? usw. Dr. Houdret darf sich glücklich schätzen, einen so prominenten Klienten zu betreuen, der mit seinem Erfolg des Verlustes von 42 kg an die Öffentlichkeit gegangen ist, denn ohne ihn wäre diese Life-Style-Diät sicher nicht ganz so bekannt geworden.

Vorgeschichte und Vita Karl Lagerfelds

Spannend geht es dann weiter, nämlich mit der Vorgeschichte – wie Karl Lagerfeld überhaupt auf die Idee zu dieser Diät kam. In einem Interview beschreibt er die Gründe – die bereits erwähnte „persönliche Neudefinierung“. Er erzählt außerdem kurzweilig und gleichzeitig detailgenau aus seiner Jugend sowie seiner Anfangszeit als Designer, eine Art Kurzbiografie, die dem Leser gefallen mag, der Hintergründe sucht – aus einem echten Leben, auch wenn es sicher ein ungewöhnliches ist. Die Diät wird damit nachvollziehbar, und jede hat ihre individuelle Vorgeschichte. Und eines wird dem Leser deutlich: Der Erfolg, der Karl Lagerfeld beschieden war - im Beruf, aber mehr noch bei der Gewichtsabnahme - liegt vor allem in seiner großen Selbstdisziplin. Für den Beruf braucht man nämlich auch Talent, eine Diät dagegen kann jeder schaffen.
Danach wird es theoretisch. Zum Beispiel geht es um die Frage: „Was ist Fettleibigkeit?“ Welche Gefahren sind damit verbunden? Die Berechnung des BMI (Body Mass Index), des Energieverbrauchs und vieles mehr wird erläutert. Die Themen und Begriffe sind gut verständlich erklärt, sie werden aber auch vielen schon bekannt sein – dennoch sind sie wichtig.

Ein paar Bilder und Grafiken mehr hätten nicht geschadet

Was mich beim Lesen etwas störte, war der endlose Textfluss. Einiges hätte man dem Leser und Laien in Form von Grafiken etwas übersichtlicher und auflockernder aufbereiten können.
Als Nächstes geht Dr. Houdret dann auf die verschiedenen Formen des Abnehmens ein und beginnt, in der Reihenfolge etwas unverständlich, mit chirurgischen Methoden wie Magenband, Gastroplastik oder Magen-Bypass. Das sind alles Maßnahmen, die man diskutieren kann, wenn eine Diät auf einem bestimmten Level stehen bleibt und das Übergewicht eine bestimmte Größe erreicht hat. Sie sind aber zunächst einmal nicht das Mittel der Wahl, sondern eher das Ende der Geschichte, nachdem man es schon durch Ernährungsumstellung allein erfolglos versucht hat.

Abnehmen mit Medikamenten?

Es folgt ein Kapitel über die Gefahren des Abnehmens mit Hilfe von Medikamenten. Hierbei geht es um Diuretika, Abführmittel und auch Amphetamine. Da es sich zum Teil um verschreibungspflichtige bzw. illegale Mittel handelt, ist es meiner Meinung nach überflüssig, in einem „Diät- Ratgeber“ für die Allgemeinheit ausführlich darauf einzugehen – auch wenn Übergewicht durchaus ein so ernst zu nehmendes Problem ist, dass der eine oder andere zu „unlauteren“ Mitteln greifen möchte. Nur sollte man bedenken, dass außerhalb von Fachkreisen nicht jeder diese Hinweise unbedingt versteht, zumal nicht immer ganz ausdrücklich vor diesen Mitteln gewarnt wird.
Bevor es dann - nach 84 Seiten - zur Beschreibung der eigentlichen Diät kommt, lesen wir noch einmal etwas über Selbstdisziplin, Willenskraft, über Schönheits- OP's und darüber, wie Karl Lagerfeld letztendlich zu Dr. Houdret fand.

Die eigentliche Diät

Nun zur Diät selbst, dem so genannten „Spoonlight- Programm“. Die Diät ist in 3 Stufen unterteilt:
1. Ausschließlicher Verzehr von Proteinen und erlaubten Gemüsesorten. Energiezufuhr pro Tag: 900-1000 kcal. Ärztliche Überwachung dringend erforderlich. Zeitliche Begrenzung auf höchstens 3 Wochen.
2. Frühstück und eine Hauptmahlzeit nach Wahl wie in Stufe 1. Eine weitere Hauptmahlzeit nach Rezept. Energiezufuhr: 1000-1200 kcal. Auch diese Stufe gehört unter fachliche Überwachung.
3. Alle 3 Hauptmahlzeiten als „normale“ Mahlzeiten und Proteingaben. Energiezufuhr:1200-1600 kcal.
Hinzu kommen weitere Nahrungsergänzungsstoffe, die von Dr. Houdret entwickelt wurden, in Form von:
- appetithemmenden Ergänzungsstoffen,
- einem Nahrungszusatz, der die Aufnahme von Fetten und Zucker im Körper verringert,
- Nahrungsergänzern gegen Stress,
- Vitamincocktails mit Mineralsalzen
- und Nahrungsergänzern, die ausgleichend auf den Stoffwechsel wirken und Müdigkeit bekämpfen.

Kosten

Wenn man sich z.B. in Stufe 2 strikt an die Anweisungen von Dr. Houdret hält und auch die Nahrungsergänzer einsetzt, die es exklusiv über das Internet sowie im Geschäft in Frankreich zu kaufen gibt, kommt man auf etwa 400-450 € im Monat ohne Lebensmittel. Das sollte jeder, der sich für diese Diät interessiert, berücksichtigen. Andererseits hilft es manchen Menschen, eine Menge Geld auszugeben – die Hemmschwelle, ein Programm zu verlassen ist dann trotz gut ausgestattetem Geldbeutel höher. In jedem Fall ist es ärgerlich, umsonst zu investieren. Darum lieber einmal genau nachrechnen!

Bewegen oder nicht?

Etwas widersprüchlich sind dann die Aussagen zur Bewegung. Ein Zitat:
„Es wäre völliger Unsinn, jemandem, der sich einer Diät unterzieht, auch noch die physische Anstrengung besonderer sportlicher Betätigung abzuverlangen.“
Da werden natürlich viele Fachleute gleich widersprechen, denn Bewegung ist das A und O einer guten Diät. Nicht nur für die Gewichtsabnahme, sondern auch, um den Kreislauf unter einer Diät fit zu halten oder z. B. der Haut die Möglichkeit zu geben, sich anzupassen und in Form zu bleiben. Gleichwohl befindet sich ein Kapitel „Mit Gymnastik in Form bleiben“ am Ende des Buches. Man muss das o.g. Zitat wohl so interpretieren, dass man sich während einer Diät keinen extremen Belastungen aussetzen sollte. Das ist natürlich wahr, denn während einer unterkalorischen Diät sollte man nie extremen Leistungssport betreiben. Dennoch gehört ein gewisser Grad an Bewegung zu einer Diät wie das Amen zur Kirche.

Die Rezepte

Als ich zum ersten Mal den Rezeptteil im Buch las, dachte ich noch: „Köstlich - jedoch exklusiv – nicht für jeden etwas – aber es passt zu Karl Lagefeld und entsprechenden Diätwilligen." Je mehr ich mich dann mit den Rezepten befasste, umso einfacher waren sie zuzubereiten. Ich glaube zwar nicht, dass jeder überall und immer die Möglichkeit hat, Wachteln und Perlhühner zu beziehen, aber fantasievolle Köche tauschen diese Zutaten dann evtl. gegen Hähnchen- oder Putenfleisch aus. Jedenfalls ist vieles sehr lecker, und wie bei jeder Diät – so widersprüchlich das für den Laien zunächst klingen mag – ist die Lust am guten (!) Essen für den Erfolg ausschlaggebend. Wider das Fastfood und die schlingende Esskultur verleiten diese Rezepte zum Genießen, was man wirklich nicht von jedem Rezeptteil eines Diät-Ratgebers behaupten kann.

(Wort-)Kosmetik

Man hätte das Buch hier beenden können. Auf knapp zehn Seiten erfährt der Leser nun etwas über die von Dr. Houdret entwickelten Kosmetikprodukte samt Inhaltsstoffen. Die Hautpflege – siehe auch das Kapitel "Bewegung" – ist natürlich durchaus wichtig, und die Inhaltsstoffe könnten dem einen oder anderen behilflich sein, sich nach Alternativen umzusehen. Die Konzentration auf die „hauseigenen“ Produkte ist jedoch für meinen Geschmack ein wenig zu eng gefasst und zu offensichtlich.

Eher überflüssig erscheinen die folgenden Ausführungen über medizinische Schönheitsbehandlungen, wie z.B. Injektionen mit Botulismustoxinen (die Faltenstraffer. Achtung halten nicht ewig vor und verändern die Mimik!) und die Ratschläge zum Entwöhnen von Tabak. Andererseits - wer sich „persönlich neu definiert“, der denkt nicht nur über eine Diät nach, sondern beschäftigt sich häufig genug mit seinen Falten und seinen Lastern. Es handelt sich jedoch um ein Diätbuch. Entwöhnung von Tabak etc. gehört nach meinem Verständnis in andere Bücher bzw. man hätte darüber - wenn schon - etwas ausführlicher schreiben können. Das Buch müsste dann in etwa die doppelte Seitenzahl haben, um hier detaillierter zu informieren. Oder man sollte gleich eine Reihe in mehreren Bänden herausgeben, die sich ausführlich mit der "persönlichen Neudefinition" befasst.

Der Wert für den Leser

Unter fachlicher Aufsicht ist das Abnehmen mit Proteinpräparaten, den so genannten „Formula-Diäten“, in manchen Fällen durchaus sinnvoll, da es einfach Menschen gibt, die damit gut abnehmen können.
Man wird während des Lesens dennoch den Verdacht nicht ganz los, die ausführlich beschriebene 3D-Diät diene auch dazu, die von Dr. Houdret entwickelten Nahrungsergänzungsmittel und Kosmetikprodukte zu bewerben. Dagegen ist noch nichts einzuwenden - außer dass es ein bisschen langweilt. Man hätte jedoch den Schwerpunkt mehr auf die Diät legen sollen, sowie Alternativen anbieten können, z. B. leicht abgewandelte Formen, die jedem Diätwilligen helfen, die passenden Produkte und das passende Fachpersonal zur Begleitung einer solchen Diät zu finden.
Ich habe bisher – und lasse mich natürlich gern eines Besseren belehren – allein durch Internetrecherchen noch keinen weiteren Arzt gefunden, der Übergewichtige nach dieser Diät betreut. Eine langfristige Ernährungsumstellung halte ich für äußerst schwierig, wenn diese entsprechend notwendige, kompetente Betreuung fehlt. Die Ernährungstipps sind für den Leser manchmal etwas widersprüchlich, sodass man allein mit der Lektüre zunächst einmal nicht viel anfangen kann.

So wird z.B. der reichliche Verzehr von frischem Obst empfohlen, und in der Tabelle werden einige Sorten „verboten“, was sich dem Leser und Laien nicht auf den ersten Blick erschließt, wenn man ihn nicht darauf hinweist. Die medizinische Begründung dafür fehlt einfach. Das Buch hat darum einen eher eingeschränkten praktischen Wert. Die Diät ist aufwändig, sie ist teuer, und man braucht einen Arzt, der sich damit auskennt und sie begleiten kann. Als Hilfe zur Selbsthilfe kann man das Buch daher nicht bezeichnen, jedoch - auch wegen der schönen Bilder - als Lesebuch und als Anregung zum Thema "persönliche Neudefinition". Dann ist es auch für diejenigen geeignet, die nur wissen möchten, wie Karl Lagerfeld es geschafft hat (Selbstdisziplin!) sowie als Einstieg für diejenigen, die sich nach der "Methode Houdret" behandeln lassen möchten.

2004-11-02 von Susanne Hagedorn, Wirtschaftswetter
Text: © Susanne Hagedorn
Illustrationen: © 2004 all rights reserved by aph
Schlussredaktion: Ellen Heidböhmer
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