Eindrücke einer MBA-Studentin aus Detroit 17.Teil
von Ines Kistenbruegger
Stören Sie Vergleiche auch so sehr? Mich hat es schon in meiner Kindheit geärgert, wenn ich mit anderen verglichen wurde. Warum trägst du nicht so ein schönes Kleid wie Constanze? Warum kannst du nicht so lieb sein wie deine Cousine Denise? Aber verglichen wird ja nicht nur zwischen Personen. Und so habe ich mich bei meinem einwöchigen Urlaub in New England dabei ertappt, wie ich diese schöne Gegend mit all meinen anderen Urlauben verglichen habe. David und ich verbrachten unsere Flitterwochen dort mit einer kleinen Rundreise: Portland-Portsmouth-Jackson-Camden-Portland.
Fasse ich all meine Vergleiche zusammen, dann kommt folgende Beschreibung für unsere Rundreise durch New England heraus: Der Flughafen in Portland ist ungefähr so groß wie der Flughafen von Kapstadt. Portsmouth ist eine niedliche Hafenstadt und erinnert sehr stark an Vannes in der Bretagne. Die Vegetation auf den Inseln vor Portsmouth sieht der Vegetation auf dem Tafelberg in Kapstadt sehr ähnlich. Auch die Temperaturen schienen ähnlich. Es laufen dort nur keine kleinen, niedlichen und verfressenen Klippschliefer herum. Und zum Glück sind auch weniger Touristenscharen auf den Inseln unterwegs.
Weiter ins Landesinnere bei Jackson in New Hampshire erinnert alles an ein paar kleine Alpendörfer mit amerikanischem Flair. Nur schade, dass die Kühe dort keine Glocken tragen. Dafür gibt es aber deutlich besser ausgeschilderte und kultivierte Wanderwege. Diese Wanderwege haben David und ich natürlich ausgenutzt und sind zu verschiedenen Wasserfällen, verborgenen Bächen und Aussichtsplattformen gelaufen.
Zum höchsten Berg von New England „Mount Washington“ habe ich endlich keine direkten Vergleiche. Ich hatte viel zu viel Angst beim Hochfahren und konnte die Aussicht nicht richtig genießen. Höhenangst und schmale Bergstraßen vertragen sich nämlich gar nicht so gut. Das erinnerte mich wiederum sehr stark an meine Touren um Kapstadt. Auch dort konnte ich mit meinem Käfer nur mit 20km/h um die Berge und Küsten schleichen. Als Norddeutsche sind mir Berge wirklich ein bisschen suspekt. Letztendlich wurden David und mir eine Urkunde ausgestellt wegen der besonderen Leistung, diesen Berg hochzufahren. Oder war das eigentlich eher eine Urkunde für das Auto, dass diesen beschwerlichen Weg überlebt hatte, ohne heiß zu laufen? Es gibt auch noch zwei andere Wege, um auf den Berg zu kommen. Zu Fuß oder mit einer alten Lokomotive, die noch mit Kohle betrieben wird. Leider war für einen Fußmarsch die Zeit zu knapp. Und die Lokomotive mit einem Preis pro Person von fast 50 Dollar war uns einfach zu teuer.
Auf der Weiterfahrt nach Camden sind wir dann durch die Orte Mexico und Peru und ein paar skandinavische Dörfer gefahren. New England scheint international zu sein. Ich übertreibe nicht. Camden als dritter Anlaufpunkt unserer Reise erinnerte sehr stark an das italienische Sorrento mit den vielen kleinen Geschäften, in denen man unnützen Touristen-Schnickschnack kaufen kann.
Die letzte Stadt vor dem Abflug war dann wiederum Portland, in der David und ich die letzte Nacht verbrachten. Was ist das Besondere an Portland? Es erscheint so unamerikanisch. So vibrierend und lebendig. Eine Menge Freaks laufen dort herum. Die Mode in dieser neuengländischen „Großstadt“ ist auch gewöhnungsbedürftig. David meinte, die Stadt erinnert ihn an Neapel. Ein bisschen neben der Zeit, mit eigenem Geist und auch eigenem Stil. „Hierhin ziehen alle aus der Umgebung, die einfach ein bisschen weird sein wollen.“, sagte er.
New England ist wunderschön, fast so wie Europa. Allerdings bekommt man günstigeren Hummer serviert. Am Stück. Dieses ehemalige Arme-Leute-Essen, das zu einer kulinarischen Spezialität avancierte, ist wirklich ein Grund, nach New England zu fahren. Ein Gericht, das man besser direkt in irgendwelchen Hafenspelunken zu sich nimmt, als in einem feinen Restaurant: Man braucht sich keine Sorgen zu machen, sich beim Verzehr eines Hummers zu blamieren. Schmierige Hände und Gesichter gehören irgendwie dazu. Auch bei geübten Essern.
Portland bildete das am Ende unserer Rundreise. Bei den Vergleichen war uns schon ganz schwindelig geworden, wo wir denn nun eigentlich gewesen waren. Zum Glück gibt es Landkarten, in denen der Unwissende bei jeder Gelegenheit nachschauen kann. Eins aber habe ich gelernt: Vergleiche sind immer noch blöd. Ich werde in Zukunft einfach versuchen, alle Gegenden, Dinge, und Menschen in ihrer Einmaligkeit zu genießen. Erwähnte ich bereits, dass der Flughafen von Portland ungefähr so groß ist wie der Flughafen von Kapstadt?
2004-09-01 Ines Kistenbrügger, Wirtschaftswetter
Text: ©Ines Kistenbrügger
Foto: ©Ines Kistenbrügger
Schlussredaktion: Ellen Heidböhmer
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