Die Kunst der japanischen Wandschirmmalerei - Austellung der Sydney Art Gallery of New South Wales
von Astrid Wehling
Japanische Paravents betrachtet man von rechts nach links. Das lerne ich als erstes, als ich die kühlen abgedunkelten Räume der Art Gallery betrete. Hier im neuen Asien-Flügel, werden in diesem Sommer* handbemalte japanische Wandschirme aus dem 17. bis 19. Jahrhundert ausgestellt.
Zugegeben, bisher war mir zum Thema Samurai eher Tom Cruise in den Sinn gekommen, bei japanischen Paravents dachte ich gleich an leere Räume und Wadenkrämpfe vom langen Auf-dem-Bodensitzen. Deshalb bin ich mehr als überrascht, als ich diese Kunstwerke genauer betrachte und mir Historie und Hindergründe erläutert werden.
Die ersten Paravents oder Byobu-e (jap: Schutz vor dem Wind) kamen im 7. Jahrhundert von China nach Japan. Chinesisches war derzeit groß in Mode, deshalb orientierten sich die Motive an der chinesischen Malerei.
Doch nach und nach entwickelte sich ein japanischer Stil, der Yamato-e: japanische Landschaften, Menschen, Pflanzen, Tiere. Detailliert und mit hellen, deckenden Farben wurde so das Alltagsleben dokumentiert oder historische Begebenheiten wiedergegeben.
Noch einmal beeinflusst durch chinesische Zen-Mönche im 12. Jahrhundert hat sich dann über 500 Jahre ein ganz spezieller Stil entwickelt: In der Kano Schule der professionellen Malerei wurde aus der Kombination von chinesischen Pinselstrichen und der starken japanischen Farbgebung der typische Stil des “Golden Age” geboren - die Zeit vom späten 16. bis zum 17. Jahrhundert, die Edo Periode, als das Land nach 100 Jahren Bürgerkrieg wiedervereinigt war. Shoguns und Samurai zeigten ihre Macht und ihren Reichtum durch prachtvolle Trennwände, die sie in großer Zahl bestellten, um ihre Burgen und Paläste damit auszuschmücken.
Der Wohlstand erreichte bald andere Bevölkerungsgruppen, wie Adel, Großbauern, Händler und Handwerker, die ihre Wandschirme bei einem der vielen Maler in Auftrag gaben. Dadurch kamen nun auch mehr und mehr Alltagsmotive in Mode.
Japanische Paravents sind leicht und tragbar. Ich bin erstaunt, daß manche nicht höher als ein Meter sind. Lagen von Japanpapier werden auf leichte Holzrahmen gespannt. Das Motiv, auf ein extra Papier gemalt, wird anschließend aufgebracht. Seidenkanten und lackierte Holzrahmen mit Metallbeschlägen vervollständigen das Möbelstück zu einem Kunstwerk.
Die Rückseite ist relativ schmucklos – Nicht im Gebrauch, wird der Schirm zusammengefaltet und in eine Ecke gestellt, so daß nur die hintere Seite zu sehen ist.
Genutzt wurden die Paravents als Schmuck bei offiziellen Anlässen, als Raumteiler, um die Privatsphäre zu erhalten, Ruhezonen zu schaffen oder um wichtige Personen abzuschirmen. Aber auch Alltags-Byobu-e waren im Gebrauch – in der Stube und draußen beim Familienpicknick.
Für mich als Designerin sind natürlich, neben der Geschichte, die Motive am interessantesten. Beeindruckend sind die Blattgoldhintergründe der großen Paravents aus dem Besitz der japanischen Warlords. Doch noch spannender ist die Symbolik hinter den Bildern. Auf den ersten Blick sind die Darstellungen von Flora und Fauna einfach nur faszinierend in ihrer Detailgenauigkeit – eine Bedeutung bekommen sie, wenn man weiß, daß der Kranich für ein langes Leben und Glück steht und Kiefer, Bambus und Pflaumenblüte für Mut und Aufrichtigkeit.
Von rechts nach links gehe ich die Jahreszeiten ab: angefangen bei den Kirschblüten im Frühling über Pfingstrosen, Mohnblumen und Chrysanthemen bis zu den Narzissen im Schnee. Für den Japaner waren die Jahreszeiten Ausdruck von Emotionen, Freude im Frühjahr und Traurigkeit, wenn die Blüten fallen
>Typisch für die Zeit ist auch die Stadtdarstellung auf Paravents (Meisho-e). Ich stehe vor Kyoto – dargestellt auf 12 Segmenten. Ich erkenne Plätze, Brücken, Gebäude. Flüsse und Straßen. Und jede Menge kleine Menschen in ihrem Alltag – Alte, Junge, Männer und Frauen. Krieger, Bauern, Kaufleute und Geishas. Wimmelbilder auf japanisch. Perfekt und mit dünnem Strich detailliert gezeichnet. Ich würde mich tatsächlich nicht wundern, wenn mir plötzlich eine der Figuren zuzwinkerte.
So tief eingesunken in das alte Japan bin ich, dass mich die Handys und der Straßenlärm stören, als ich wieder ins gleißende Sommer-Sonnenlicht von Sydney trete. Ich bin ziemlich sicher, dass Tom Cruise jetzt an letzter Stelle kommen würde, fragte man mich nun nach Samurais.
Ehemals abgebildete Paravents:
Die Ausstellung liegt in der Vergangenheit. Anm. d. Red.
1. Kiefer, Bambus, Pflaume, Kano Eino (1613-97)
Ein Teil eines zweiteiligen Wandschirmes mit 6 Paneelen. Farbe und Gold auf Papier. 167 x 359.5 cm. Kauf durch die Art Gallery of New South Wales Foundation in 1994.
2. Kraniche, 18. Jahrhundert, Maruyama Okyo (1733 – 95)
Einer von zwei Wandschirmen mit je sechs Paneelen. Farbe und Blattgold auf Papier.
153 x 357 cm, Art Gallery of New South Wales.
3. Kraniche (Detail), 18. Jahrhundert, Maruyama Okyo (1733 – 95)
Detail eines von zwei Wandschirmen mit sechs Paneelen. Farbe und Blattgold auf Papier.
153 x 357 cm, Art Gallery of New South Wales.
4. Ankunft der Portugiesen, Kano Schule, spätes 15. bis frühes 16. Jahrhundert.
Einzelner Wandschirm, 6 Paneele. Tusche, Farbe und Gold auf Papier. 152 x 369 cm
The Art of Japanese Screen Painting: Sydney Art Gallery of New South Wales
Folding screens from the collection of the Art Gallery of New South Wales
Samstag, 6. November 2004 bis Sonntag, 6. Februar 2005, Eintritt frei
Die Ausstellung wurde zusammengestellt von Claire Pollard,
der neuen Kuratorin für Japanische Kunst an der Art Gallery of New South Wales.
2005-01-15 von Astrid Wehling, Wirtschaftswetter
Text: ©Astrid Wehling
Bild: ©Art Gallery of New South Wales, Sydney
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