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Sri Lanka nach dem Seebeben

Interview mit Heike Gerbracht

Heike Gerbracht organisierte vor Ort in Sri Lanka ein Hilfsprojekt
von Astrid Wehling

Sie sind nun täglich zu sehen, auf unseren Fernsehbildschirmen, in den Internet-Nachrichten und in den Zeitungen, die Bilder aus Südasien. Unfassbare Bilder von einer unfassbaren Zerstörung und von tausenden heimatlosen, trauerenden und verzweifelten Menschen. Es sind Bilder, die uns zeigen, dass es lange dauern wird, bis ein Alltag wieder annähernd so stattfinden kann, wie vor dem 26.12.2004.

Heike Gerbracht lebt seit 1993 im Süden Sri Lankas. Sie leitet dort ein landwirtschaftliches Projekt. Unmittelbar nach dem Unglück startete sie mit ihrer Familie eine Hilfsaktion, um die Menschen in ihrer Region mit dem Allernötigsten zu versorgen. Zuerst allein, doch inzwischen ist Hilfe vom Technischen Hilfswerk (THW) und der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) eingetroffen, um die medizinische Versorgung und die Wasseraufbereitung zu sichern.

Heike Gerbracht ist seit dem 26. Dezember fast rund um die Uhr im Einsatz. Nach den ersten chaotischen Tagen scheint nun aber ein bisschen mehr Routine in die Hilfsleistungen zu kommen, so dass sie Zeit fuer ein kurzes Interview hatte. Eine Protokoll der Ereignisse finden Sie per Link unter dem Interview, das ihr Deutschland-Kontakt, Andrea Richert, freundlicherweise zur Veröffentlichung überließ.


Interview
Astrid Wehling: Frau Gerbracht, wie kommen Sie nach Sri Lanka und was machen Sie dort?
Heike Gerbracht: Vor 12 Jahren sind wir nach Sri Lanka ausgewandert und haben hier ein Bio-Projekt auf die Beine gestellt. Wir bauen tropische Früchte an und arbeiten dabei mit heimischen Bauern zusammen. Wir geben Pflanzenmaterial und Knowhow inselweit weiter, speziell im ehemaligen Kriegsgebiet. Wir kaufen die Ernten, verarbeiten vor Ort bei hier ansässigen Vertragspartnern und in unserer eigenen Fabrik die Erzeugnise und exportieren sie dann weltweit. Unsere Produkte sind: Säfte, Trockenfrüchte, Cashew-Nüsse, Kokosraspel und Kokosmilch - alles ist auch in Deutschland in den führenden Bio-Märkten erhältlich.

Astrid Wehling: Wie haben Sie das Erdbeben persönlich erlebt?
Heike Gerbracht: Am 26. Dezember hörten wir morgens, so gegen 10:30 Uhr, viel Lärm auf der Straße. Als wir raus gingen, um nachzusehen, was los ist, sahen wir sehr viele Menschen schreiend Richtung Landesinnere laufen. Sie schrien immerfort: "Das Wasser kommt, das Wasser kommt!" Wir haben sie dann auf eine unserer Plantagen in die Berge gebracht, um sie wenigstens ein bisschen zu beruhigen.
Später wollten wir dann an die Küste fahren, um uns selbst ein Bild zu machen, aber es war absolut kein Durchkommen. Überall lagen Trümmer herum. Wir waren also erst einmal abgeschnitten und auf uns selbst gestellt. Deshalb fingen wir zunächst an, die Leute mit Wasser zu versorgen und haben unsere eigenen vorhandenen Lebensmittel verteilt.
Als wir dann später zur Küste durchkamen, jedenfalls jeden Tag ein Stückchen näher, sahen wir das ganze Ausmaß der Zerstörung und die vielen Menschen - auf ihren Trümmern hockend oder in den Tempeln - wo sie mit ihren überlebenden Kindern Unterschlupf gefunden hatten. Wir konnten gar nicht anders, als helfen.

Astrid Wehling: Wie helfen Sie?
Heike Gerbracht: Wir hatten einige Zentner Reis gelagert, Gemüse und Früchte abgeerntet und alles ausgegeben, was wir irgendwie finden konnten. Als die Vorräte und das Geld dann knapp wurden, mussten wir Nahrungsmittel in der Hauptstadt Colombo besorgen. Auch die Geldgeschäfte mussten wir dort erledigen, da die Banken bei uns im Süden alle geschlossen sind.
Wir kauften also einen LKW voll Nahrungsmittel: Reis, Linsen, Zucker, Tee, Trockenfisch, Genüse, Milchpulver und Kekse für die Kinder.
Als der LKW nach einigen stunden Fahrt bei uns eintraf, wurde sofort eine Feldküche eingerichtet und Essen gekocht, da wir sahen, dass es keinen Sinn machte, nur die Nahrungsmittel auszugeben. Die Leute haben keine Möglichkeit zu kochen, und die Waren werden dann einfach verkauft.
Mittlerweile verköstigen wir täglich 2000 Menschen. Davon sind 25 Prozent Kinder, viele unter 5 Jahren.
Zusätzlich zu der Verköstigung koordinieren wir medizinische Hilfe in Form von Nachversorgung der Wunden. Hierbei unterstützt uns die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) aus Frankfurt/Oder. Wir nutzen unsere internationalen Kontakte, um Freiwillige Helfer zu bekommen, die Erfahrung in Krisensituationen haben, und wir kümmern uns um die Logistik vor Ort.

AW*: Was genau passiert mit den Spendengeldern, die Sie erhalten - für welche Projekte werden die Spenden aktuell und vordringlich verwendet?
Heike Gerbracht:
1. Ernährungssicherung, d.h. Essensausteilung und Säuberung von Brunnen für Trinkwasser sowie der Vorbeugung von Mangelerscheinungen
2. Medizinische Versorgung und Hygiene, z. B. Bau von Toiletten in den Camps
3. Wiederauffbau

Astrid Wehling: Sollte man vor allem Geld spenden oder auch Materialien, Naturalien usw. schicken?
Heike Gerbracht: Bitte nur Geld spenden. Es ist nämlich sehr schwierig für uns, Hilfsgüter ins Land zu bringen. Die großen internationalen Organisationen haben da viel bessere Möglichkeiten, da sie leichter die dazu notwendigen Sondergenehmigungen erhalten.

Astrid Wehling: Wer ist Ihr Ansprechpartner in Deutschland für diejenigen die Spenden möchten und Informationen über Ihr Projekt suchen?
Heike Gerbracht: Für private Spenden und für Auskünfte ist Frau Andrea Richtert zuständig. Sie koordiniert die Sammlung von Spendengeldern und die Überweisung nach Colombo. Wer eine Spendenquittung benötigt, wende sich gern an die Kirchengemeinde Friesenhofen, an Pater Waldemar Wrobel. Auch dieses Geld wird direkt nach Colombo überwiesen.


2004-01-05 von Astrid Wehling
Text: ©Astrid Wehling + Gesprächspartnerin Heike Gerbracht
Fotos: ©Heike Gerbracht
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