Am 26.01.2005 entschied das Bundesverfassungsgericht über die 6. Novelle des Hochschulrahmengesetzes. Das bis dahin geltende bundesweite Verbot von Studiengebühren ist nichtig. Einige Bundesländer planen Studiengebühren einzuführen, andere nicht. Wir baten Gegner und Befürworter von Studiengebühren um eine Stellungnahme und Einschätzung.
Unser nächster Gesprächspartner ist Professor Dr. Peter Frankenberg, Minister für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg.
Wirtschaftswetter : Herr Professor Dr. Frankenberg, Sie haben in Bonn studiert. Wie erlebten Sie Ihre Zeit als Student, und wer hat Sie damals finanziell unterstützt?
Professor Dr. Peter Frankenberg: Meine Studienzeit habe ich in positiver Erinnerung. Es war eine ereignisreiche Zeit, in der ich viel gelernt habe, sowohl fachlich als auch menschlich. Ich war Hilfskraft an der Uni Bonn. Zusätzlich habe ich Nachhilfe an einer Klosterschule gegeben. Dann habe ich noch ein so genanntes Bürgschaftsdarlehen, das ich voll zurückzahlen musste, in Anspruch genommen. Ein bisschen Geld gab es von meinen Eltern.
Wirtschaftswetter : Wie werden die Gebühren und wie die Modelle für weniger einkommensstarke Studenten in Baden-Württemberg aussehen, und zu welchem Zeitpunkt werden Sie damit starten?
Professor Dr. Peter Frankenberg: Wir wollen sozialverträgliche Studienbeiträge spätestens zum WS 07/08 einführen. Unser Modell orientiert sich am australischen Modell nachlaufender Studiengebühren.
Die Beiträge werden sich auf 500 Euro pro Semester belaufen und sollen den Hochschulen zur Verbesserung der Lehre zugute kommen. Wer den Betrag nicht aufbringen kann, hat die Möglichkeit, zu einem günstigen Zinssatz einen Kredit aufzunehmen, der erst zurückbezahlt werden muss, wenn nach Abschluss des Studiums ein bestimmtes Einkommen erreicht ist. Wir führen in diesem Zusammenhang Gespräche mit der L-Bank. Einzelheiten stehen allerdings derzeit noch nicht fest.
Wirtschaftswetter : Eine wachsende Zahl von Akademikerinnen bleibt kinderlos. Diejenigen, die Mütter werden, haben Karriereknicks und Ausfallzeiten hinzunehmen. Viele Mütter arbeiten in Teilzeit mit entsprechend niedrigeren Einkommen. Dadurch werden die von nachfordernden Studiengebühren-Modellen betroffenen Frauen für einen längeren Zeitraum Darlehen zurückzahlen müssen als z. B. ein kinderloser Single mit Vollzeitjob. Außerdem werden auch Vollzeit arbeitende Akademikerinnen nicht selten schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Werden Studiengebühren damit die bereits vorhandene Tendenz zur Kinderlosigkeit unter Akademikerinnen verstärken?
Professor Dr. Peter Frankenberg: Die Entscheidung für oder gegen Kinder ist sehr vielschichtig und kann nicht monokausal betrachtet werden, schon gar nicht allein unter finanziellen Aspekten. Die Entscheidung ist auch nicht eine Angelegenheit von Frauen allein, sie betrifft vielmehr die beiden potenziellen Elternteile. Väter sollten daher verstärkt in die Verantwortung genommen werden, auch bei der Frage der Betreuung. Gerade wenn beide Elternteile eine akademische Ausbildung durchlaufen haben und in ihrem Beruf arbeiten wollen, müssen hier individuell Lösungen gefunden werden, die beiden Elternteilen gerecht werden.
Durch die einkommensabhängige Rückzahlung dürfte sich das von Ihnen angesprochene Problem entschärfen. Es handelt sich außerdem um einen Kleinkredit (ca. 10 X 500 Euro zzgl. Zinsen), der nach dem Studium relativ schnell zurückbezahlt sein dürfte. Außerdem denken wir über besondere familienbezogene Erleichterungen nach.
Wirtschaftswetter: Ein häufig genanntes Argument für Studiengebühren lautet, dass kleine Einkommen die Ausbildung später gut verdienender Akademiker bezahlen. Ist es gerechter, wenn Studenten und Eltern die Akademikerausbildung in Deutschland bezahlen, die immerhin für alle Bürger einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland leistet?
Professor Dr. Peter Frankenberg: Bildung ist nicht nur ein öffentliches Gut, sondern vor allem auch ein privates. Die „Bildungsrendite“, die alle Studierenden bekommen können, rechtfertigt die Zahlung von Studienbeiträgen: Wer ein Studium absolviert, wird in der Regel weniger häufiger arbeitslos und hat in den meisten Fällen auch ein höheres Einkommen. Studienbeiträge sollten daher als sinnvolle Investition in die Zukunft betrachtet werden.
Wirtschaftswetter: Bisher gingen alle Studiengebühren-Modelle von gegenwärtigen und zukünftigen Studenten aus. Können Sie sich auch ein Modell vorstellen, das ehemalige Studenten und jetzt Berufstätige einbezieht, die damit ihre Hochschulen nachträglich unterstützen?
Professor Dr. Peter Frankenberg: Nein, das läuft auf eine Akademikersteuer hinaus.
Ein großer Vorteil unseres Modells liegt darin, dass die Position der Studierenden als „zahlende Kunden“ gestärkt wird. Gleichzeitig haben Studienbeiträge einen ordnungspolitischen Effekt, weil sie zu einer Verringerung der Zahl der Studienabbrecher und zu einer Verkürzung der Studienzeiten führen. Dies alles wäre rückwirkend nicht möglich.
2005-03-17 von Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz und Gesprächspartner Prof. Dr. Peter Frankenberg
Schlussredaktion: Ellen Heidböhmer
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