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Gestalten statt zerstören - Ein Klo kommt zu Ansehen

Wie ein Jugendzentrum pfiffige Ideen im Kampf gegen Vandalismus einsetzte

von Anne Siebertz

Fußballfans im Jungsklo In Köln und anderen Städten wird derzeit heftig über Örtchen diskutiert, die eigentlich alles andere als still sind: öffentliche Toiletten, insbesondere Schultoiletten. Verstopfte WC-Schüsseln, Uringeruch, bekritzelte Wände und demolierte Waschbecken, wie sie auf Schulklos gang und gäbe sind, laden denn auch wirklich nicht zur verdienten Pinkelpause ein. Da die Sanierung schätzungsweise über 3000 Euro pro WC kosten würde und die Kassen ohnehin leer sind, suchen die Schulen verzweifelt nach Lösungen. Vielerorts gibt es Klopapier nur noch auf Nachfrage, in manchen Schulen wird ein Obolus von 10 ct verlangt, und hier und da schafft man im Niedriglohnbereich eine Reinigungsstelle. Viele Kinder trinken schon gar nichts mehr, um sich bloß nicht dem Ekel auszusetzen. Einhalten ist die Devise. Das ist allerdings nun nicht mehr so einfach, nimmt doch die Zahl der Ganztagsschulen stetig zu. Wer nicht mehr kann, hat Pech, muss die empfindliche Nase verschließen, Augen zu und durch.

Dass es auch anders geht, zeigt das Beispiel eines Jugendzentrums im Kölner Süden. Auch dort war die Misere groß. Vandalismus war, wie oft in Jugendzentren üblich, an der Tagesordnung. Dem, der nicht mehr einhalten konnte, bot sich ein trauriges Bild: Die Türen waren eingetreten, die Fliesen verschmiert, das Urinal stank, und überhaupt empfahl es sich, diesen Ort zu meiden.

Waschraum Mädchen Doch seit gut einem Jahr ist aus diesem Ort des Ekels eine fast heilige Örtlichkeit geworden. Im Juni vergangenen Jahres eröffnete in dem Jugendzentrum nämlich von langer Hand geplant eine Mitmachausstellung für Kinder, ähnlich einem Kindermuseum. „Mitmachen und anfassen erlaubt“ ist das Grundkonzept, und so ist auch der Name „Please touch – begreifen“ kein Zufall. Für die erste Mitmachausstellung „Paper-la-Papp“ rund um das Thema Papier schöpfen, Pappe als Werkstoff, scharten die Initiatoren die jugendlichen Dauerbesucher des Zentrums um sich und es galt kräftig mit anzupacken. Der Sozialpädagoge Bert Gigas, der gemeinsam mit der Kulturpädagogin Karin Matzner das Projekt realisierte, hatte schließlich die Idee, doch einfach das verwahrloste stille Örtchen in das Gestaltungskonzept mit einzubeziehen, um ein Zeichen gegen den Vandalismus zu setzen.

Mädchen-WC Gesagt, getan. Entstanden ist daraus in mühsamer, wochenlanger Arbeit mit tatkräftiger Hilfe der Jugendlichen ein einladender Zaubergarten für die Mädchen und ein handfestes Fußballklo für die Jungen. Die Designstudentin Katja Hamberger machte damals gerade dort ein Praktikum und steuerte die Skizzen bei, nach denen die Sprayer sich ans Werk machen konnten.

Während der Zaubergarten mit seinen Schlingpflanzen und dem fein abgestimmten Farbkonzept eher eine Augenweide ist, bestechen in dem Fußballklo neben der bildlichen Gestaltung die Accessoires. Ein durchgeschnittener Fußball wurde zu einer Skulptur umfunktioniert, und der Ball im Netz verleiht der Örtlichkeit eine hautnahe Fußballatmosphäre. Die Urinale sind mit kleinen Plastiktoren und einer echten Kugel versehen, so dass es statt auf einen achtlosen Umgang mit öffentlichem Gemeingut hier allein auf gutes Zielen ankommt. Und das macht – so sollte man meinen – den Jungs obendrein noch Spaß.

Jungstoilette In dem einen Jahr seit der Eröffnung haben die Ausstellungen und die Toiletten für viel Furore gesorgt. Vandalismus existiert quasi nicht mehr und die Anlagen sind topp in Ordnung. Sie sind gewissermaßen zu heiligen Hallen geworden.

Da jedoch für die Lackierarbeiten an den vorhandenen Fliesen nur der teure Bootslack in Frage kommt, überlegt das Jugendzentrum nun, wie man auch die noch nicht renovierten Toiletten auf den anderen Etagen angesichts eines äußerst knappen Etats kostengünstig umgestalten kann. Ein Sponsor käme da wohl gerade recht. Dass die Jugendlichen wieder bei der Gestaltung mitmachen, ist jetzt schon beschlossene Sache, und die Sprayer stehen auch schon bereit.

Das Projekt wurde realisiert im Jugendzentrum Glashütte in Köln-Porz, die Idee des Projektes stammt von Bert Gigas und Karin Matzner, die Innenarchitektin Katja Hamberger realisierte es mit den Jugendlichen des Zentrum.


2005-04-16 by Anne Siebertz, Wirtschaftswetter
Text: © Anne Siebertz
Fotos © Anne Siebertz, Jugendzentrum Glashütte in Köln-Porz
Schlussredaktion: Ellen Heidböhmer
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