von Angelika Petrich-Hornetz
Sie suchen für eine Veranstaltung einen Hingucker, der sich zum Beispiel dazu eignet, Spenden zu mobilisieren oder einfach nur füt gute Laune sorgen soll? Da gibt es eine einfache Möglichkeit. Man nehme drei schöne Frauen, wahlweise Männer, stelle sie in die Öffentlichkeit, an einen gut sichtbaren Platz und lasse sie für den guten Zweck Wunschlieder des zurufenden Publikums singen. Damit werden die Zuschauer eingebunden und haben ihren Spaß.
So simpel lautet das ganze Konzept. Dann wissen wir auch wieder, wozu Musikunterricht eigentlich gut ist. Ich habe einmal das Vergnügen gehabt, drei Oberstufenschülerinnen in einer Fußgängerzone zu hören. Das ist zwar schon ein paar Jahre her, doch wenn man hier und da den Lokalteil einer Zeitung aufschlägt, findet man häufiger Hinweise darauf, dass öffentlicher Gesang und damit diese so einfache wie schöne Form der Musikaufführung immer noch sehr beliebt ist.
Man braucht auch nicht viel dafür. In erster Linie die Manpower der Akteure. Abgewandelt kann man natürlich auch Instrumentalisten auftreten lassen, doch die Stimme als Universal-Instrument, gepaart mit einem schönen oder in der Variante "lustigen" Anblick, lockt die Leute an wie das Licht die Mücken.
Die geschickte Preisfindung ist wichtig. Ich kann mich noch daran erinnern, dass die drei Grazien (Sopran, Mezzosopran und Alt) ganze 2,50 DM (alte Währung) für das komplette Lied „ Der Winter ist vergangen“ verlangten. Bis zur Bezahlung blieben sie stumm und lächelnd stehen. Kaum klimperten die Taler in dem eigens dafür aufgestellten Körbchen, schmetterten die Damen los - in Anspielung auf einen Musikautomaten. Und nicht lange nach dem „vergangenen Winter“ wurde „nachgeworfen". Für den Ohrenschmaus war das nicht zuviel Honorar, die Zuhörer, die ebenfalls in den Genuss kamen, hatte ich also eingeladen. Wer die Hälfte bezahlte, bekam genau die Hälfte (allerdings komplette Strophen!), und für sehr lange Lieder musste der geneigte Zuhörer auch noch etwas tiefer in die eigene Tasche greifen.
Nach mir sponsorte ein Herr „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“. Ein weiterer Passant verlangte "Wir lagen vor Madagaskar", was für allgemeine Erheiterung im Publikum sorgte, weil die Ladys in Festrobe so gar nicht nach der "Pest an Bord" aussahen. Danach bestellte eine Dame das poetischere „Dat du min Leevsten büst“, und ausgerechnet mit den Tönen von „Das Wandern ist des Müllers Lust“ musste ich das Mini-Musikevent leider verlassen, weil mir die Zeit davon lief. Mit Musik scheint sie noch schneller zu laufen. Die Musikantinnen hatten eine Tafel aufgebaut, auf der man unter zwanzig verschiedenen Stücken wählen konnte. Neben deutschem Frühlingsliedgut gab es alte Shantys, Popsongs und auch ein paar Jazz-Standards, wie "Night and Day" – und wann hört man das schon am helllichten Tag und vor allem: live?
Über mangelnde Nachfrage konnten sich die Sängerinnen jedenfalls nicht beklagen - der Download mit Bild und in Echtzeit war beliebt, das Publikum amüsierte sich königlich. Das einzige, was bei diesem kleinen Freiluftkonzert definitiv fehlte, war ein Imbiss und ein paar Stühle für die Älteren. Zumindest ein Kaffeeautomat in der Nähe wäre nicht schlecht gewesen, nur so als kleine Anregung für andere Freiluft-Vokalisten oder für Restaurants, Cafés und dergleichen. Mit Musik schmeckt einfach alles besser. Allerdings möge man sich bitte rechtzeitig bei der Musikverwertungsgesellschaft GEMA erkundigen, ob die Gebühren wegen der zusätzlichen Bewirtung womöglich höher ausfallen. Und schon kommt der unangenehme Teil des hausgemachten Konzerts, die Gebühren für eventuell noch lebende Komponisten bzw. für solche, die seit weniger als 70 Jahren tot sind.
Ob es sich immer um ein sogenanntes Platzkonzert (da hat die Gebührenstelle eigene Definitionen) oder um ein Schulfest handelt, auf dem Ihre Vokalisten schmettern sollen: Es gibt so zahlreiche wie unterschiedliche Gebührenlisten, was die Wiedergabe von Musik-Werken wiederum sehr verschiedener Komponisten betrifft, so dass es besser ist, vorher anzufragen, statt sich auf die Eigenrecherche zu verlassen. Das Dickicht der Regeln ist nicht ganz unkompliziert, um die Schilderung des „Einzelfalls“ führt kein Weg vorbei, wenn der Spaß keine unangenehmen Folgen haben soll.
Und geben Sie nicht so leicht auf. Musizieren in der Öffentlichkeit ist für Akteure, Zuhörer und für die Nutznießer des guten Spendenzwecks gleichermaßen ein echtes Anliegen und ein einmaliger Kunst-Genuss, der durch kaum etwas zu ersetzen ist - nicht einmal durch Download oder Streaming im Internet. Ein Platzkonzert im Internet? Schön wär's!
2005-04-07 by Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Illustrationen ap
Schlussredaktion: Ellen Heidböhmer
Banner: © Angelika Petrich-Hornetz
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