von Joy Fraser
Neben unendlichen Hiking- und Biking-Möglichkeiten stehen Golfen und River-Rafting in ganz Kanada zur Verfügung. Meine eigenen Erfahrungen sammelte ich nicht im Yukon, sondern in Alberta, aber man sagte mir, man treffe die gleichen Bedingungen in Whitehorse an, deshalb möchte ich gern trotzdem davon erzählen.
Golfen ist ein sehr beliebter Sport in Kanada und weitaus billiger als in Deutschland. Für unter zwanzig Dollar kann man zu fünft eine ganze Runde mit neun Löchern spielen, was je nach Geschick, einen vollen Nachmittag mit Spaß erfüllen kann.
Nun muss ich zugeben, ich bin kein Golf-Fan, und möchte alle begeisterten Golfer um Entschuldigung bitten, falls mein Bericht zu ironisch ausfallen sollte. Ich meine es nicht böse, es hat mich nur amüsiert.
Vor dem Start muss man sich zunächst die Ausrüstung leihen. Es spielt eine Rolle ob man Links- oder Rechtshänder ist, denn dafür gibt es verschiedene Schläger. Golfschuhe muss man sich nicht extra kaufen, aber gestandene Profis schwören auf sie. Ein Sonnenhut ist praktisch, denn es gibt viele Freiflächen auf denen man nutzlos herumsteht und wartet, dass die Gruppe mit den Schlägen durch ist. Ähnlich wie beim Kegeln, aber da gibt es wenigstens Bier.
Ich hatte keine Ahnung von den unterschiedlichen Schlägern die es gibt, daher entschied mein Schwiegervater für mich. Er stattete mich mit einem Mittel- und einem Kurzstreckenschläger aus. Es gibt Driver, Irons und Putters. Mit je einem Iron und einem Putter unter dem Arm machten wir uns auf den Weg zum ersten Loch. Ich konnte es kaum in der Ferne orten. Ein Fähnchen markierte das Ziel. Wie um Himmels Willen sollte ich den Ball dorthin befördern?
Ein entsetzter Schrei beim Griff nach einem Schläger ließ mich innehalten. Mein Gott, ich sollte doch den Iron-Schläger nehmen! Der Putter ist beim Einlochen erst gefragt. Also gut. Ich legte den Ball auf ein kleines in den Boden gebohrtes oben flaches Stöckchen, stellte mich in Position, peilte den Ball an, und rammte den Schläger in den Rasen. Alles, was abhob war ein Stückchen liebevoll gepflegter Grasteppich. Ich sammelte ihn ein und drückte ihn wieder fest. Hoffentlich hatte das niemand beobachtet. Wie peinlich.
Alles in allem verbrachte ich mehr Zeit mit der Ballsuche als mit Golfen. Dabei fand ich manchmal nicht nur meine eigenen verschlagenen Bälle. Ich habe nun eine nette Sammlung. Man darf sich damit aber nicht unbegrenzt Zeit lassen, denn die nächste Gruppe, die weit besser und schneller spielte als wir, wartete bereits darauf unser Loch benutzen zu dürfen, und stand nun grinsend als Publikum am Rande. Was mein Spiel nicht gerade konzentrierter machte. Peinlich, Heinrich!
Ich fand schnell heraus, dass ich nichts tauge, wenn es darum geht den Ball über weite Distanzen zu befördern. Allerdings lochte ich tatsächlich ein paar ein, wenn ich nicht weit vom Ziel entfernt war. Es verursachte ein heldenartiges Gefühl, dem Ball dabei zuzusehen, wie er auf dem enorm samtigen kurzen Rasen schnurgerade ins Loch rollte. Leider passierte das nicht allzu häufig. Meist war man mit Fluchen beschäftigt und musste Kommentare ertragen wie: "Ist doch gar nicht so schlecht, das nächste Mal wird’s besser", oder: "Wenigstens hast du diesmal getroffen", und: "Ich glaube, du hast einen Raben erlegt".
Die Freude wird auch gedämpft vom ständigen Abwehren von Moskitoarmadas, die sich bevorzugt da aufhalten, wo es grün ist, genau wie der Mensch, was sich unter Mücken ganz schnell rumgesprochen hat.
Allerdings fand ich es von Vorteil, jede Menge Kleingeld zu finden, welches die Golfer als Markierung im Gras hinterlassen. Sie markieren damit, von wo aus die Gruppe den nächsten Schlag macht, nämlich von dem Ball aus, der dem Loch am nächsten liegt. Manchmal vergessen sie das Kleingeld, und man geht mit ein paar Dollar in der Tasche vom Platz.
Mücken finden Menschen auch beim River-Rafting lecker. Frischfleisch kommt in die Wälder! Einen tosenden Fluss in einem Gummiboot herunter zu fahren mag so manch einer irrsinnig finden. Zum Beispiel meine Mutter. Aber es war ein echtes Erlebnis!
In Grande Cache angekommen, das wunderbar malerisch inmitten der Rocky Mountains liegt, fanden wir auch gleich das Büro der Touristenattraktion. Neunzehn Teilnehmer waren versammelt an diesem Sonntag, an dem die Sonne nicht so recht rauskommen wollte und wir in unseren T-Shirts auf der Straße froren. Oh je, dachten wir, das wird ein kalter Spaß. Bergklima und keine Sonne! Es war nur um die 20°C Grad warm.
Man erklärte uns ein paar Versicherungsregeln, die ein junges Mädchen der Gruppe in Höchstgeschwindigkeit vorlas. Eine Frau neben mir sagte zu ihrem Mann auf Deutsch "Hast du ein Wort verstanden?" Der Mann schüttelte den Kopf. Ich sagte: "Ich auch nicht" und man lachte. Die Leute waren aus Bielefeld und machten das zum ersten Mal. Genau wie der Rest der Truppe, alles unerfahrene Wildwasserfahrer.
Nachdem selbst die Einheimischen über das Lesetempo gelacht hatten unterschrieben wir alle einen Zettel der aussagte, dass das Ganze unsere eigene gottverdammte Idee war, und niemand dafür verantwortlich gemacht werden könne, sollten wir ertrinken. Wir mussten angeben, wohin unsere sterblichen Überreste überführt werden sollten. Sehr beruhigend! Man versicherte uns jedoch, dass es sich um reine Vorsichtsmaßnahmen handele und dieser Veranstalter noch nie einen ernsthaften Unfall hatte.
Wir zogen uns in einer engen Kabine (alle Frauen gemeinsam) bis auf die Unterwäsche aus, quälten uns in Neoprenanzüge, langärmelige Neoprenjacken, und oben drüber orange Rettungswesten, sowie Neoprensocken in unsere mitgebrachten billigen Plastikturnschuhe, extra für diesen Zweck angeschafft, denn sie würden patschnass werden. Unsere Köpfe zierten offene blaue Sturzhelme. Ich hörte eine Frau sagen "Oh Gott, ich hab keine frische Unterwäsche dabei". Zum Glück hatten wir vorher die Instruktionen gelesen und würden wenigstens in trockener Unterwäsche beerdigt werden können.
Ausgestattet wie zum Mondflug, wurde die Gruppe neun Kilometer flussaufwärts gekarrt, in einem altersschwachen Bus, der sich mit drei Stundenkilometern bewegte, wir waren uns nicht sicher ob vorwärts. Langsam wurde uns wärmer in unseren Anzügen, die sämtliche Blutzirkulation in den Gliedmassen erfolgreich unterbanden.
Der Bus hielt, alle Leberwürste stiegen aus, und wir wurden mit Paddeln und anderem Zeug beladen, welches wir runter zum Fluss schleppen mussten. Man bewegte sich vorwärts, und mir schwante Schreckliches. Plötzlich tat sich der Wald auf und ich starrte auf Bäume auf der gegenüber liegenden Flussseite. Dazwischen klaffte ein gähnender Abgrund. Der Fluss schlängelte sich durch das tiefste Tal, das ich je gesehen hatte, und wir standen ganz oben. kliffähnliche Abgründe lagen vor uns, und es ging steil nach unten, so steil, dass wir den Fluss von oben nicht einmal sehen konnten. Ein Ausrutscher und mein Leben würde zu Ende sein. Jetzt wusste ich auch, was der Prospekt damit meinte: "Für diese Tour sollte man gut zu Fuß sein!"
Die Gruppe machte sich in Minischrittchen und Entenmarsch den steilen Abhang hinunter - einen ausgewaschenen Trampelpfad entlang, der sich serpentinenartig den Berg hinunter schlängelte. Gut, dass es nicht geregnet hatte, denn das hätte den Pfad in eine Schlammrutsche verwandelt. Allerdings wäre man dann wenigstens schneller unten gewesen, und gleich im Wasser. Kaltes Wasser erschien auf einmal verlockend, denn den Berg hinunter schleichen - in all der Ausrüstung - verwandelte die Anzüge in mobile Saunen. Ich benutzte die Ruder die ich trug als Stabilisatoren wie bei einem Hochseilakt, dankte Gott, dass keine Sonne schien, und versuchte nur auf meine Fußspitzen zu schauen. Dieser Berg war der Hauptgewinn für einen unter Höhenangst Leidenden, was mich leider auch betrifft.
Endlich - ohne menschliche Verluste - unten angekommen, nahmen wir erst einmal auf einem umgestürzten Baum Platz, und lauschten den Ruderkommandos und den Sicherheitsvorschriften. Nach dem Motto, was man tut wenn das Boot auf einmal über einem ist, oder wie man sich verhält, wenn man rausgefallen ist und vom Sog unter Felsen gezogen wird. Die Gruppe wurde sehr schweigsam. Ich erschlug dreihundertsechsundsechzig Mücken und sprach ein paar Gebete.
Dann ging es in die Boote, vier an der Zahl, in unserem nur wir, mein Schwiegervater, mein Mann, meine Tochter und ich, sowie eine Führerin, die hinten Platz nahm, in der Hand zwei lange Ruder. Wir sagten uns noch einmal gegenseitig, dass wir uns lieb haben, und dann ging es rein in den Fluss.
Durch den Sommer war der Fluss alles andere als reißend, denn die Schneeschmelze war vorbei (geht bis in den Juni hinein). Wir atmeten beruhigt durch. Es bestanden Überlebenschancen!
Gemächlich schlich das Boot auf der Flussmitte dahin, und wir bestaunten die kanadische Landschaft, die nichts zu wünschen übrig ließ. Der Fluss war breit, es hätten alle vier Boote nebeneinander gepasst. Wir blickten die Schlucht hoch, sahen kantige Felsen, dicht mit Bäumen bewachsen, wo immer sie sich festkrallen konnten. So mussten sich die ersten Siedler vorgekommen sein. Kein Mensch weit und breit, nur atemberaubende Natur und das Rauschen des Flusses.
Und ein paar Stromschnellen und Engstellen, durch die zu rasen einen Heidenspaß machte. Im Frühling findet man hier meterhohe Wellen, aber jetzt hatte das Wasser uns nur lustig auf und ab hüpfen lassen. Alle paar Meter eine neue Flussbiegung - noch mehr atemberaubende Schluchten, ausgewaschene Felsen, riesige Findlinge im Fluss, um die man herum navigieren musste, ins Wasser ragende Bäume die zu umfahren waren, oder sie würden uns vom Boot hebeln. Wir bekamen Paddelkommandos und umschifften alle Hindernisse meisterhaft, bekamen hier und da eine Welle ins Gesicht und amüsierten uns köstlich.
Später gab die Führerein zu, uns gar nicht benötigt zu haben, denn sie war mit den langen Rudern ganz allein in der Lage das Boot zu steuern, aber die Touristen möchten schließlich auch etwas tun. Gut zu wissen, das nächste Mal werde ich meine Muskeln nicht mehr überstrapazieren, in der fälschlichen Annahme tatsächlich etwas beeinflussen zu können.
Eine der Schnellen war ein bisschen heftig, und mich hat es rückwärts vom Boot gehauen. Ich dachte: "Sieh mal einer an, wie schnell das geht." Wenn das Wasser höher ist, kann es echt gefährlich sein. Mein Fuß steckte in einer Schlaufe, sodass ich nicht rausgefallen bin, aber ohne die Schlaufe wäre es um mich geschehen gewesen. Opa packte mich an der Weste und richtete mich aus der Maikäfer-auf-dem-Rücken-Lage wieder auf. Achtzehn Touristen lachten sich halbtot. Meine Tochter amüsiert sich noch heute darüber.
Das Geräusch des rauschenden Flusses und die atemberaubende Landschaft werden mich noch lange begleiten. Mein Mann möchte das Ganze wiederholen, aber in wilderem Wasser. Ich bin mir darüber noch nicht so ganz im klaren, aber noch einmal machen möchte ich es auf jeden Fall. Das sind fast zwei Stunden Abfahrt, die man so schnell nicht vergisst.
An Land angekommen, tiefgefroren wie Fischstäbchen, wurden wir diesmal direkt vom Ufer in den Bus verfrachtet, in dem wir Pfützen hinterließen. Wir bekamen heißen Kakao und Kekse, und schlichen mit drei Stundenkilometern zum Büro zurück, wo unsere trockenen Sachen warteten. Ein nasser Neoprenanzug fühlt sich auf die Dauer extrem eklig auf der Haut an, und es fängt an überall zu jucken.
Endlich wieder warm und trocken überreichte man uns einige Fotos, die unsere Führer auf der Fahrt mit einer Einwegkamera von uns gemacht hatten, die sich aber nicht zum Herzeigen eignen. Die meisten Männer würden sie zwar ins Album kleben, aber ich kenne keine Frau, die so weit gehen würde. Erstens ist die Qualität sehr schlecht, und zweitens ist die Mimik der Beteiligten, mit weit offen stehenden Mündern, zugekniffenen Augen und dergleichen, im Kampf gegen die Wellen, meist wenig schmeichelhaft. Und diese Anzüge! Jede Frau ruft nach Zensur bei dem Anblick, und lässt die Bilder heimlich verschwinden.
Danach gingen wir stärkende Proteine in Form eines saftigen Steaks essen. Das hatten wir uns verdient.
2005-07-01 by Joy Fraser, Wirtschaftswetter
Text + Fotos: © Joy Fraser
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