von Dr. Adelheid Salitz-Schatten
Sind Sie auch ein stolzer Besitzer eines Gartens oder eines Balkons? Oder wenigstens einer begrünten Fensterbank? Dann haben Sie sicher auch die ersten Sonnenstrahlen in diesem Frühjahr dazu genutzt, um klar Schiff in Ihren Beeten und Töpfen zu machen: Unkraut auszupfen, verweste Blumenreste entfernen, Bäume und Sträucher beschneiden und und und – was eben so zum Gärtnern gehört.
Denn so schön die bunte Blütenpracht auch sein mag: So ganz von allein tut sich da nicht so viel – jedenfalls nicht das, was man möchte. In Wirklichkeit tut sich natürlich eine ganze Menge! Ganze Heerscharen sechsbeiniger und achtbeiniger Ungetüme machen sich über unsere liebgewonnenen Pflänzchen her: Blattläuse, Schildläuse, die Rote Spinne, die Weiße Fliege und all das, was schon so manchen Kleingärtner das Fürchten gelehrt hat. Die Industrie bietet ein wahres Waffenarsenal an chemischen Keulen an, mit denen das Ausrotten der bösen Brut mit Stumpf und Stiel ein Kinderspiel ist.
Doch weil wir ja umweltbewusste Menschen sind, versuchen wir ohne solche Kampfstoffe auszukommen und behelfen uns nach alter Väter Sitte: das Viehzeug von Hand einsammeln.
Im Einsammeln von krabbelnden Untieren bin ich einsame Spitze. Deshalb hatte ich früher – bevor ich selber einen Garten hatte - eine Art Krankenstation für allerlei kränkelnde Pflänzchen meiner Freundinnen. Ich rückte den Schildläusen mit einer Stricknadel zu Leibe, duschte die erbarmungswürdigen Gewächse warm ab, tauschte die gesamte Erde aus, schnitt die befallenen Wurzeln ab – kurz gesagt: ich brachte viel Zeit und Mühe auf, um die Siechenden wieder auf die sprichwörtlichen Beine zu stellen.
Besonders gute Dienste leistete mir dabei ein Haufen Sand, der im Garten meiner Eltern lag. Ursprünglich hatte er eine ziemlich edle Bestimmung: er war angeschafft worden, um mit seiner Hilfe einen Gartenweg zu gestalten. Wie so oft im Leben, kam es erstens anders als man zweitens denkt, und deshalb wurde der Sandhaufen für diesen Zweck nicht mehr benötigt. Nun lag er da und harrte der Dinge, die noch kommen sollten. Der kam mir natürlich gerade Recht, denn nach meiner Erfahrung erholten sich meine Schützlinge besonders gut in einer selbst zusammengemixten Erdmischung, der auch eine gehörige Portion Sand – eben aus besagtem Haufen – zugefügt wurde.
Kurz und gut: nach abgeschlossener Rekonvaleszenz brachte ich die Genesenen den glücklichen Besitzern wieder zurück. Für meinen Weg benutzte ich meist den Zug, der damals noch recht pünktlich und zuverlässig verkehrte und deshalb auch häufig gut besetzt war. Eines Tages fuhr ich mit einem solchen vollbesetzten Zug und hatte das Glück, gerade noch den letzten Sitzplatz zu erwischen. Dicht gedrängt saß ich mit dem frisch in meine Spezialerde umgetopften Kurgast zwischen all den anderen Passagieren, die Tüte mit dem Pflegling gut behütet auf meinem Schoß.
Plötzlich stieg mir ein Geruch in die Nase, den ich so nicht erwartet hatte. Um etwas deutlicher zu werden: Es war eigentlich eher ein Gestank, und zwar von der ganz unangenehmen Sorte. Verstohlen musterte ich meine Mitreisenden: alles schnieke angezogene Geschäftsleute mit Anzug, Hemd und Krawatte, die arglos in ihre Tageszeitung oder ihre Unterlagen schauten. Keiner ließ sich etwas anmerken, so als wären wir von lauter Veilchenduft umgeben.
Ich dachte insgeheim: Na toll, der schicke Anzug allein bringts offenbar auch nicht; wie wäre es denn mal mit ab und zu duschen? Ich versuchte heimlich still und leise, im Ausschlussverfahren das Stinktier auszumachen, aber vergebens: Einer wie der andere waren gleich verdächtig. Ich war jedenfalls heilfroh, als ich endlich am Ziel angekommen war und aussteigen konnte. In dem Fall war mir kein Stein vom Herzen, aber ein Gestank aus der Nase gefallen. Auch meine Mitreisenden verließen den Zug, und ich nutzte die Gelegenheit, beim Weggehen noch unauffällig ihre Kehrseite zu mustern – vielleicht lag dort die Wurzel allen Übels. Aber nein, alles unauffällig.
Der Gestank, den ich meinen harmlosen Mitreisenden in die Schuhe geschoben hatte, kam aus meiner eigenen Tüte – ich selbst war die Quelle des lauen Lüftchens! Was mögen meine Mitreisenden wohl von mir gedacht haben ...
Ob der Erfinder des Sponti-Spruches „Shit happens“ einmal ein ähnliches Erlebnis hatte?
2005-07-01 by Dr. Adelheid Salitz-Schatten, Wirtschaftswetter
Text: ©Dr. Adelheid Salitz-Schatten
Foto: ©Ines Kistenbrügger
Infos zu Datenschutz + Cookies
zurück zu: Lifestyle
2003-2021 wirtschaftswetter.de
© Online-Zeitschrift Wirtschaftswetter