von Angelika Petrich-Hornetz
Sommer in der Stadt Lübeck. Der Spaziergänger findet immer einen Gang, einen Giebel oder eine alte Hausfassade, welche wohltuenden Schatten spendet. Die zahlreichen, liebevoll auf den Asphalt drapierten Tischchen und Stühle laden zum Eiscafé ein. Hier lässt es sich aushalten. Viele Touristen schlendern, in allen Sprachen plaudernd, durch die Gassen, die Einheimischen erkennt man daran, wie sie zügig und zielstrebig an „Zugereisten“ vorbei, um Stadtbusse, Taxen, Fahrradfahrer und Gebäude herum, durch die City eilen.
Eine Frau taucht auf, schwitzend und in kurzen Hosen. Die weißen Waden dokumentieren, dass keine Muße, kein Urlaub, dafür mannigfache Verpflichtungen keine Zeit zum Sonnenbaden ließen. Sie schleppt sich, zwei kleine Kinder und drei Einkauftüten durch das geschäftige Gewühl. Fünf junge Mädchen ziehen, in grelle Farben gekleidet und auffällig geschminkt, affektiert lachend vorbei, wobei sie angestrengt darauf achten müssen, auf ihren Plateausohlen nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Dann erstirbt das Lachen abrupt, um jedes Mal, wenn die Schuhe das Weitergehen erlauben, an unpassender Stelle wieder einzusetzen. Eine Geschäftsfrau, ungefähr Mitte dreißig, verlässt mit ernsten Zügen und heruntergezogenen Mundwinkeln im hübschen Gesicht ein Gebäude. Die braunrote, etwas zu deckende Haarfarbe, macht sie blasser, als sie ist, und offensichtlich ist das Kostüm, welches sie trägt, doch etwas zu warm für eine heute sehr heiße Stadt. Und dann kommt sie plötzlich noch vorbei - die Schönste der Stadt.
Ein feengleiches Wesen bewegt sich lächelnd an Menschen und Gebäuden vorbei - der Gang fast schwebend - sie trägt flache Schuhe aus weichem Leder. Ein leichtes, dezent blaugraues, knöchellanges Seidenkleid wickelt sich um den gertenschlanken Körper dieser Erscheinung. Um die Schulter trägt sie eine große praktische Umhängetasche, die vielleicht gleich in diversen Geschäften gefüllt wird oder alles nötige für ihren Arbeitstag beherbergt. Etwas Schmuck, zarte Ohrringe, eine schlichte Kette, ein ebenso zurückhaltendes Armband funkeln im Sonnenlicht, aber das auffälligste an ihr, ist das feine Lächeln, welches sich bis in die Augen durchsetzt und das wundervolle silbergraue, leicht gewellte Haar - zu einem lockeren Knoten gebunden.
Sie schwebt an kauenden Teenagern, gestressten Mitzwanzigern und verkniffen dreinschauenden Thirtysomethings vorbei. Ein Herr im dunklen Anzug dreht sich nach ihr um, ein paar junge Männer, die auf einer Bank pausieren, verstummen plöztzlich und schauen ihr nach. Eine Schönheit, ohne jeden Zweifel, und mindestens um die 50. Eine Ausnahmeerscheinung? Von wegen: Ein paar Straßen weiter, ein ähnliches Wesen, mit einer Traumfigur, gut gekleidet, ein Lächeln auf den Lippen im leicht gebräunten Gesicht und wunderschönes, diesmal halblang geschnittenes, graues Haar.
Am Abend treffe ich eine ehemalige Kollegin, ein ganz anderer Typ, keine Fee, eher sportlich. Sie schreitet mir an diesem etwas kühlen Abend forsch entgegen, ist auf dem Weg in ein Konzert und schon etwas spät dran. Sie trägt eine schmale Lederhose, ein edles Hemd, ihre langen Ohrringe hüpfen und springen, während wir uns lebhaft gestikulierend unterhalten. Ihre Augen strahlen, sie prustet vor Lachen und ist doch alles andere als aufdringlich, sie hört sehr gut zu. Jede Lachfalte mehr, lässt sie noch jünger aussehen. Ihr Haar ist streichholzkurz. Es straft alle Lügen, die sagen, man müsse ab einem gewissen Alter das Haar unbedingt, länger und weich frisieren, damit man nicht so alt wirke. Sie sieht eher so „reif“ und entspannt aus, als hätte sie gerade irgendeine weitere Abschlussprüfung hinter sich gebracht und wäre nun gespannt, was das Leben ihr noch alles bieten wird.
Diese drei Ladies sahen alles andere als alt aus. Im Gegenteil, sie waren und sind das, was man eindeutig als schön bezeichnet, eine Schönheit, die man rein äußerlich unschwer erkennen kann und sie wirkt. Dennoch scheint sie „irgendwie“ von innen zu stammen. Sie macht diese drei Frauen besonders und auch wieder nicht, denn alles deutet auf einen Trend hin: Es wird selbstverständlich, erst um die 50, 60 noch einmal aufzublühen oder zum ersten Mal und damit endlich die Zeit und die Gelegenheit zu finden, seinen eigenen Stil zu entwickeln – vielleicht auch nur, sich endlich zu trauen, sich zu diesem zu bekennen.
Und es stellt sich auch die Frage, wie diese schönen, älteren Frauen es bewerkstelligen, denn nicht jedem scheint es vergönnt, ab 50 als strahlende nur etwas edlere Ausgabe von Barbie herumzulaufen. Das Geheimnis ist einfach zu lüften. Jemand sagte einmal: Frauen, die es schaffen, sich ab 40, 50 wenigstens ab und zu mal um sich selbst zu kümmern dürfen, die Körper und Seele pflegen können, sind im Alter einfach wunderbar. Der Volksmund bringt es brutaler auf den Punkt: Bis 40 hat man das Gesicht, was man geerbt hat, ab 40 das, was man verdient.
Einiges, das der Schönheit im Alter förderlich ist, ergibt sich einfach aus dem Lebenslauf, den Rest müssen Sie selbst besorgen: Die Kinder, sofern vorhanden, sind groß – ein Stressfaktor weniger. Dadurch gibt es keine undurchschlafenen Nächte mehr, und mehr Zeit für Schlaf und sich selbst, sich zum Beispiel endlich wieder einem Hobby widmen zu können oder nach der Arbeit kurz und vor allem ungestört die Beine hochzulegen (anstatt weiterzurennen bis man abends oder sonstwann halbtot ins Bett fällt) oder ganz spontan noch einmal an die frische Luft zu gehen, ins Schwimmbad, Sport treiben usw. Das ist alles in Familien mit kleineren Kindern in der Mehrheit schlicht unmöglich.
Finanzielle Mittel, die man bisher in Windeln, teure Kinderschuhe, Hausbau, Autoreparatur, Familienreisen, Schulzeug und andere Verbrauchsteile pumpte, werden plötzlich wieder frei und stehen der eigenen Person zur Verfügung - fürs Verwöhnprogramm, Urlaubsreisen, Bücher, die man auch endlich einmal in Ruhe lesen kann.
Man weiß ab einem gewissen Alter und spätestens nach zwanzig-dreißig Jahren Anwendung der Methode „Try and Error“ einfach mehr über das, was einem steht oder auch nicht. Viele Pleiten und Fettnäpfe hat man bis ins Alter mit mehr oder weniger Vergnügen ausprobiert und dann endlich seinen eigenen Stil gefunden, auch was Kleidung, Frisur und Make-Up betrifft.
Jahre- bis jahrzehntelange Berufs- und Lebenserfahrung sowie Übung im Umgang mit anderen Menschen, lässt ältere Frauen selbstsicherer wirken. Manche werden auch mit Fünfzig immer noch knallrot, was ihrem Charme nicht abträglich ist, aber sie können inzwischen darüber und über sich selbst lachen.
Durch eine gewisse Selbstironie bedingt, die das Alter so mit sich bringt, ergibt sich eine angenehme Ausstrahlung. Man kann es sich einfach leisten, sich nicht selbst zu ernst zu nehmen, oder zu lächeln und zuzuhören und auch einmal etwas zu verschenken, immerhin, das Leben ist endlich – das weiß man inzwischen. Und eine echte Lady muss sich nicht mehr in jeder Situation beweisen, und auch nicht mehr überall die Erste sein. Den Zwang zum Profilieren hat sie hinter sich gelassen.
Mit ein paar Jahren mehr auf dem Buckel, hat man kaum noch das Bedürfnis, sich andauernd beweisen oder rechtfertigen zu müssen. Der Wettbewerb macht immer noch Spaß, aber nicht um jeden Preis. Man wird unangreifbarer, weil man seine positiven und negativen Eigenschaften längst kennt und sie in späteren Jahren sehr gut auseinanderhalten kann. Und -, das macht die älteren Mitarbeiter für die Konkurrenz nicht harmlos: Nicht nur die eigenen Schwächen, sondern auch die der anderen werden schneller wahrgenommen und treffender definiert.
Viele Frauen stellen ab einem bestimmten Alter fest: Etwas Zurückhaltung in der Selbstdarstellung wirft einen selbst nicht zurück in Beruf und Familie. Die Stellung, die man erreicht hat, ist gefestigt, man weiß, was man will. Der Drang nach Perfektion in jeder Beziehung lässt nach. Die Chance nicht festgefahren sondern im Gegenteil wieder elastischer und flexibler zu reagieren ist real. Man erkennt die Unmöglichkeit des Vorhabens, überall 150-prozentig zu sein und man wird deshalb dort besser, wo es wichtig und wesentlich ist. Lebenserfahrung macht ruhiger, gelassener, verständnisvoller – mit Problemen gehen Ältere darum nicht selten auch viel sachlicher um.
Der Freiraum für sich selbst wird größer. Viele Frauen haben erst im Alter die Zeit und Muße, sich zum Beispiel wieder mehr mit ihrem Partner zu beschäftigen, sich anderen Menschen und sich selbst wieder zuzuwenden. Das Gleichgewicht zwischen Arbeit und Ruhezeit herzustellen wurde jahrzehntelang geübt. Das macht insgesamt zufriedener und gleicht andere Dinge aus, die das Arbeitsleben erschweren, wie die kleinen Zipperlein und Einschränkungen, mit denen man sich als älter werdender Mensch herumplagen muss. Wenn keine ernsthaften Erkrankungen auftauchen, hat man gute Chancen, kleine gesundheitliche Einschränkungen auszugleichen, ihnen durch Sport, Seelenmassage, gesünderer Ernähung entgegenzuwirken. Die Zeiten, als man nach der Arbeit durch den Supermarkt raste, um für die ganze Familie den Wochenendeinkauf in zwanzig Minuten zu erledigen, sind entgültig passé.
Schönheit kommt von Innen
Fazit: Ist der Stress der Familiengründung sowie -pflege und der Existenzsicherung vorbei, und hat man es bis dahin geschafft, aus Krisen zu lernen, sich von Problemen nicht überwältigen und von Kritik nicht zerfressen zu lassen, Geduld zu erwerben, dabei Lebensmut und Neugier nicht zu verlernen, hat man als ältere Frau sehr gute Chancen, ähnlich wie die oben Gesehenen in der City, eine Ausstrahlung zu besitzen, die nicht von irgendeiner Haarfarbe oder Falten(freiheit) zu beeinflussen ist, sondern die von innen heraus kommt.
Vor ein paar Jahren noch galt der Spruch "Schönheit kommt von innen" als mitleidige Umschreibung für die weniger von der Natur Beglückten, aber das ist schlicht und einfach falsch und hat sich auch in der öffentlichen Meinung deutlich relativiert. Es geht sogar noch weiter: Es gibt immer mehr Frauen, die erst im Alter richtig schön werden. Sicher kennen Sie einige davon, die als Mädchen pummelig, als junge Frauen leidlich hübsch waren - schön wurden sie erst jenseits der 50. Manche von Ihnen werden wahrscheinlich erst mit 60 oder 70 auf dem Höhepunkt ihrer Ausstrahlung angekommen sein, wenn nicht sogar noch später, und das ist auch gut so, entspricht das Alter nicht selten fast der Hälfte unserer ganzen Lebenszeit.
Nach einigen Zuschriften, die sich über die abwertende Bechreibung gestresster, jüngerer Frauen echauffierten, hier die Aufklärung, wenn es Sie beruhigt: Die schwitzende Frau mit den weißen Waden, Kindern und komplett ohne jede Muße war im Jahr 2005 die Autorin. Und damit funktioniert bis heute immer noch nur zeitweise, aber immerhin das mit der wachsenden Geduld klappt ganz gut. Anm. d. Red.
2005-08-13 by Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Illustrationen: ©Angelika Petrich-Hornetz
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