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Live Bait in Iraq

Kommentar zur Rede zur Nation des US-Präsidenten am 28. Juni 2005

von Cornelia Schaible

Jetzt muss Bush schon den deutschen Bundeskanzler ins Feld führen, wenn er den Krieg im Irak rechtfertigen will. Gerhard Schröder habe am Montag bei seinem Besuch im Weißen Haus gesagt, dass „ganz ohne Frage nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa ein berechtigtes Interesse an einem stabilen und demokratischen Irak besitzt“. Aber hallo. Da hat wohl einer aus der Koalition der Unwilligen wieder Boden gut gemacht. Klang fast wie: Gerhard – find ich gut.

Die werden Bauklötze gestaunt haben im Bundeskanzleramt. Schröder liefert Bush die Argumente! Ausgerechnet. Das war nun freilich die einzige Neuigkeit in der vorvorgestrigen Grundsatzrede des US-Präsidenten, der kurz vor dem Unabhängigkeitstag noch einmal gut Wetter für seine Politik machen wollte. Immerhin rangiert George W. Bush auf der Beliebtheitsskala der Amerikaner nur noch knapp vor Zahnweh. In konkreten Zahlen: Nach den neuesten Umfragen finden 53 Prozent, die Leistung ihres Präsidenten lasse zu wünschen übrig.

Die neuesten Durchhalteparolen werden daran nichts geändert haben. „Der Einsatz im Irak ist schwierig und gefährlich“, sagte Bush, gab sich aber ansonsten gewohnt optimistisch, ohne wirklich neue Strategien anbieten zu können. Stattdessen griff er auf eine ganz alte Masche zurück. Die bisher vorgeschobenen Kriegsgründe sind ihm ja dummerweise abhanden gekommen, nachdem sich inzwischen auch in den USA rumgesprochen hat, dass Saddam keine Massenvernichtungswaffen besaß. Also berief sich Bush zur Rechtfertigung des Irakkrieges genau fünf Mal auf die Anschläge vom 11. September.

Der Schrecken von 9/11, das zog bisher immer. Dass die Attentäter nichts mit dem Irak zu tun hatten – was soll’s. Never mind. Die „New York Times“ glaubt allerdings nicht, dass sich damit weiterhin Staat machen lässt: „Wir hatten gehofft, er würde der Versuchung widerstehen, die blutige Flagge von 9/11 wieder und wieder zu erheben und damit einen Krieg in einem Land zu rechtfertigen, das überhaupt nichts mit den Terroranschlägen zu tun hatte.“ Nun, mit den heutigen hat es schon was zu tun.
Es ist der klassische Fall einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Bush beschwor so lange einen Zusammenhang zwischen dem Irak und den Gotteskriegern, bis es den gab. Oder wie Jochen Bittner kürzlich in der „Zeit“ feststellte: „Die Zusammenarbeit zwischen al-Qaida und Saddamisten, in Washington einst als Kriegsgrund genannt, jetzt gibt es sie – als Kriegsfolge.“

Nicht auszuschließen, dass es Bush ganz recht ist, wenn sich die Dschihadisten jetzt im Irak austoben. Klar: Dann hat Amerika daheim Ruhe. Er gibt das sogar mehr oder weniger zu, wenn er sagt, man müsse die Terroristen „außer Landes bekämpfen, bevor sie uns zu Hause angreifen“. Das macht Sinn. Die amerikanischen Soldaten, die Bush zum Kämpfen in den Irak schickt, fungieren in diesem Fall als Köder. Live bait. Dafür kann man ihnen ruhig mal ein paar Nettigkeiten zukommen lassen, kostet auch weniger als eine anständige Ausrüstung. So schlägt Bush vor, „den Soldaten im Einsatz einen Brief zu schicken oder der Militärfamilie am anderen Ende der Straße zu helfen“. Flagge hissen nicht vergessen. Happy Independence Day!


2005-07-01 by Cornelia Schaible, Wirtschaftswetter
Text: © Cornelia Schaible
Fotos Banner: © Cornelia Schaible, aph
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