Die Fragen stellte Angelika Petrich-Hornetz
Multisresistente Staphylokokken sind Bakterien, die gegen immer mehr Antibiotikasorten Resistenzen aufweisen. Sie verursachen eine Reihe unterschiedlicher Erkrankungen und verbreiteten sich in den letzen Jahren weltweit. Neben den fast auschließlich in Kliniken vorhandenen, tauchten nun auch Stämme außerhalb von Krankenhäusern auf. Wir befragten Professor Dr. Sören Gatermann, der an der Ruhr Universität Bochum lehrt und das Institut für Medizinische Mikrobiologie leitet. Seine Arbeitsschwerpunkte sind mikrobiologische Diagnostik, Infektionsepidemiologie, Resistenzmechanismen bei Mikroorganismen sowie Krankenhaushygiene.
Wirtschaftswetter : Herr Professor Gatermann, Wie sieht die Situation in deutschen Kliniken gegenwärtig aus - wie weit ist MRSA verbreitet?
Professor Dr. Sören Gatermann: MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) ist in deutschen Kliniken weit verbreitet. Die jüngste publizierte Studie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft (PEG) für Chemotherapie weist für das Jahr 2001 einen Anteil dieser resistenten Keime von 20.7 Prozent aller Staphylokokken Aureus aus. Inzwischen liegt der Anteil von MRSA nochmals höher. Diese Zahlen zeigen jedoch nicht, dass es lokal (regional und auch in einzelnen Krankenhäusern) ein erheblich unterschiedliches Vorkommen von MRSA gibt - Extremwerte von unter 10 und über 70 Prozent sind bekannt.
Wirtschaftswetter : Gibt es nach den Erfahrungen mit MRSA in den letzten zehn Jahren
neue Erkenntnisse in der Krankenhaushygiene, z.B. bei Desinfektionsmitteln oder Maßnahmen zur Isolation von betroffenen Patienten?
Professor Dr. Sören Gatermann: Da MRSA schon weit länger bekannt sind (seit 1961) und auch vor 1995 in Deutschland auftraten, bestand keine Notwendigkeit zu weit reichenden
Änderungen. Die größte Bedeutung hat weiterhin, dass die Händedesinfektions- und Isolierungsmaßnahmen gewissenhaft durchgeführt werden. Bei der Umsetzung dieser Vorgaben bestehen aber nach wie vor Lücken.
Wirtschaftswetter : Und gibt es neue Erkenntnisse aus der Forschung über wirksame
Medikamente und Mittel, die mit Erfolg eingesetzt werden beziehungsweise mit deren Einsatz man zukünftig rechnen kann?
Professor Dr. Sören Gatermann: Vor kurzem wurde ein neues Antibiotikum eingeführt, das als Alternative zu den etablierten Therapien verwendet werden kann, ein weiteres ist in Kürze zu
erwarten. Man wird allerdings damit rechnen müssen, dass die Bakterien auch gegen diese Antibiotika Resistenzen entwickeln. Es ist allerdings nicht möglich, Vorhersagen zu treffen, wie lange diese Entwicklung dauern wird.
Wirtschaftswetter: Das Gesundheitswesen ist von Einsparungen betroffen, Outsourcing macht
auch vor Kliniken nicht halt. Was halten Sie davon, wenn Labore ausgelagert werden und MRSA-Proben verschickt werden?
Professor Dr. Sören Gatermann: MRSA ist sehr resistent gegen Umwelteinflüsse, so dass der Nachweis dieses Bakteriums in einer Probe wenig gefährdet wird. Problematisch ist allerdings,
dass der Probenversand Zeit kostet. Damit kann sich der MRSA in diesem Zeitraum bereits weiter verbreiten, oder das Krankenhaus belastet seinen Etat und den Patienten übermäßig, wenn teure und für den Patienten belastende Isolierungsmaßnahmen für die Zeit bis zum Vorliegen des Ergebnisses ergriffen werden.
Wirtschaftswetter: Andere Auslagerungen sind längst die Regel, wie die Reinigungsdienste in Krankenhäusern. Gewährleisten die Reinigungsdienstleister einen hohen Standard, was die Desinfektion von Flächen betrifft ?
Professor Dr. Sören Gatermann: Das kommt sehr auf den Dienstleister und auf die mit ihm geschlossenen Verträge an. Eine generelle Aussage ist nicht möglich. Natürlich sollte man
nur solche Anbieter beauftragen, die mit den im Krankenhaus auftretenden Problemen vertraut sind.
Wirtschaftswetter: Eine weitere Kostenreduzierung innerhalb von Krankenhäusern streben
private Investoren an, indem vormals räumlich unabhängige Gebäude zusammengelegt werden. Gibt es aus der Sicht der Mikrobiologen für die Bauweise von Krankenhäusern Anforderungen, die einer Ausbreitung von Keimen entgegenwirken können?
Professor Dr. Sören Gatermann: Die räumliche Trennung der Hygienewege anzustreben ist ein sehr altes Prinzip, das in heutiger Zeit nur noch in wenigen Einzelfällen (z.B. bei
hochansteckenden Krankheiten wie Ebola) möglicherweise berechtig sein dürfte. Die heutige Hygiene- und Lüftungstechnik sowie die weiteren baulichen Möglichkeiten sind so weit entwickelt, dass es einer räumlichen Trennung zur
Infektionsvermeidung nicht bedarf.
Wirtschaftswetter: Wie sieht die MRSA-Situation in Deutschland in anderen Einrichtungen aus, zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen, in Kindergärten, Sportstätten oder Schulen?
Professor Dr. Sören Gatermann: Für Altenheime gibt es mehrere Studien, die eine deutlich niedrigere Prävalenz als in anderen Ländern gezeigt haben. Für Kindergärten,
Sportstätten und Schulen liegen keine Daten vor.
Wirtschaftswetter: Außerhalb von Klinken sollen sich bestimmte MRSA-Stämme in der
Bevölkerung etabliert haben - aus den USA kommen die ersten Zahlen. Wie ist die Situation in Deutschland und mit welcher Entwicklung muss man hier rechnen?
Professor Dr. Sören Gatermann: Es gibt diese Stämme, sogenannte CA-MRSA für "Community Acquired MRSA", auch schon bei uns. Sie sind nur insgesamt selten. Prophezeiungen sind immer schwierig, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen sollen. Aber wir müssen schon aufmerksam sein, um solche Stämme nicht zu übersehen und - vor allen Dingen - ihre Ausbreitung nicht zu übersehen.
Wirtschaftswetter: Wie gut kennen sich die direkten Ansprechpartner für Patienten in den
Praxen, zum Beispiel Hausärzte und Kinderärzte, gegenwärtig mit der Problematik aus? Sehen Sie hier Nachholbedarf oder sind Sie zufrieden über den Informationsstand Ihrer praktischen Kollegen?
Professor Dr. Sören Gatermann: Wir führen hier sehr häufig Fortbildungen durch. Dabei wird klar, dass das Wissen immer noch nicht voll zufrieden stellend ist. Gegenüber früheren Jahren hat sich die Situation aber verbessert.
Wirtschaftswetter: An was sollten Patienten, Ärzte, Angehörige denken, wenn jemand mit MRSA aus einem Krankenhaus in die häusliche Krankenpflege überführt wird?
Professor Dr. Sören Gatermann: In der häuslichen Krankenpflege gibt es für die Ärzte und Pfleger eigentlich nur zu beachten, dass sie die Desinfektionsmaßnahmen - die Händedesinfektion
- gewissenhaft durchführen, um den Keim nicht auf andere Patienten zu übertragen. Für Familienmitglieder besteht nur in Ausnahmefällen eine Gefahr. Wenn man glaubt, man sei durch einen MRSA-Patienten gefährdet, sollte man dies mit seinem Arzt besprechen.
Wirtschaftswetter: Gibt es neue, besonders gefährdete Personengruppen, denen man in Zukunft noch mehr Sorgfalt angedeihen lassen muss, um sie nicht zu gefährden?
Professor Dr. Sören Gatermann: Keine neu identifizierten, besonders gefährdeten Patientengruppen. (Anmerkung der Redaktion: Risikogruppen sind zum Beispiel Patienten auf Intensivstationen, mit Hauterkrankungen und immungeschwächte Patienten)
Wirtschaftswetter: Last but not least: Können sich resistente Staphylokokken auch wieder
verabschieden oder wird man sie nie wieder los?
Professor Dr. Sören Gatermann: Beim Patienten können sie verschwinden, man kann
hier mit einer entsprechenden Therapie etwas nachhelfen. Dass sie sich aus einem Land "verabschieden" ist möglich und in Dänemark auch gelungen. Die Niederlande, Schweden und West-Australien haben sich niedrige Raten durch ein rigoroses Management bewahrt. Also, es ist im Prinzip möglich, resistente Bakterien los zu werden. Man braucht dazu Hygiene und einen vernünftigen Umgang mit Antibiotika. Denn es ist die Anwendung von Antibiotika - insbesondere ihre sinnlose Anwendung, die zur Selektion resistenter Bakterien
führt.
Professor Gatermann, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview in Englisch: Staphyloococci, Resistance and Hygiene
Informationen und Kontakt: RUB, Institut für Hygiene und Mikrobiologie
2005-07-10 von Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz und Gesprächpartner Prof. Dr. Sören Gatermann
Foto, Banner: ©Angelika Petrich-Hornetz
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