27. Folge
von Ines Kistenbruegger
Eine gute Frage könnte sein: Was machte ein Geek bevor es Computer gab? Aber das ist wahrscheinlich bereits etwas für Fortgeschrittene. Ich fange von vorne an. Ein Geek ist eine Menschengattung, die während der Schulzeit nur recht wenig Anziehungskraft auf das andere Geschlecht ausübt. Meist keine Sportskanone, lebt diese Gattung in den Tag hinein, immer auf der Suche nach den neusten Softwaretrends und Internet-Highlights. Er liebt Star Trek und war wahrscheinlich der Erste, der die neuen Star Wars-Filme im Kino sah, beziehungsweise diese aus dem Internet herunterlud. Natürlich spricht er klingonisch oder hat zumindest Freunde, die dieses tun. Zusammenfassend gesagt, er ist einer dieser Hänflinge aus der Schulzeit, die ein Mädchen kaum eines Blickes gewürdigt hat. Jedenfalls keines der coolen, beliebten Mädchen.
Doch irgendwann ist das Geek-Dasein anders: Irgendwann, wenn alle sich irgendwie ausgetobt haben, kommt die Geek-Blütezeit. Ich bin erstaunt, aber irgendwann werden auch Geeks erwachsen und scheinen sexy zu sein. Ich glaube Frauen müssen erst älter werden, um dies zu erkennen. Anders kann ich mir das nicht erklären. Ehemalige Geeks haben mit 30 einen interessanten Job und verdienen Geld. Vielleicht ist der Job gar nicht so interessant, aber immerhin bringt er viel ein - und: Der Job braucht einen Echten - einen echten Geek. Sie haben eine Wohnung, ein Haus oder sind hoffentlich kurz davor bei Muttern auszuziehen (Finger weg von denen, die jenseits der 30 diesen Schritt nicht geschafft haben, da stimmt irgendetwas anderes auch nicht). Geeks sind gelassen, realistisch, nett und freundlich. Im Gegensatz zu den ehemaligen Helden der Schulzeit, die immer noch nicht begriffen haben, dass es so langsam Zeit ist erwachsen zu werden. Die ehemaligen Helden sind immer noch in Kneipen zu finden, immer eine Spur zu laut und zu oberflächlich, und sind immer noch auf der Suche nach einer Claudia Schiffer. Die Geeks bekommen eine Claudia Schiffer, weil diese eher mit Wissen und Liebenswürdigkeit glänzen, als dass sie laute, dumme Sprüche von sich geben. Geeks sind zuvorkomemnd und treu, und keine andere Frau versucht diese auszuspannen.
Irgendwann werden Geeks sexy. Zumindest hier in den USA. Ich kann es kaum glauben, aber dem ist so. Das hat auch das amerikanische Fernsehen bemerkt. Ashton Kutcher - genau, der Mann von Demi Moore - hat eine neue Art Reality-Show erdacht: The Beauty and the Geek. Schöne Frauen werden mit Geeks gepaart und müssen diverse Tests aus dem Leben und Wissen bestehen. Jede Woche wird ein Paar eliminiert. Das Siegerpaar gewinnt 250.000 US-Dollar. Was als (sozial-wissenschaftliches) Experiment gedacht war, wurde eine amüsante Show, in der die Kandidaten einmal auffallend nett zueinander waren. Keine Kämpfe und Zickenwirtschaften wie in anderen Reality Shows. Geeks sind eben keine Zicken, und das färbt auch auf die Frauen ab. Wo kein Superheld zu finden ist, herrscht auch kein Konkurrenzkampf.
Geeky wird Mode, so macht sich eine Computerservicefirma das Geek-Image zu nutze und wirbt als ein Geek-Notfallservice: "Bricht Ihr Computer zusammen, so können wir Geeks Ihnen helfen". Vor Jahren hätte jeder sich geweigert, sich als Geek zu outen. Das hatte zur Folge, dass Geeks im Untergrund lebten, sich kaum aus dem Haus trauten und nur im Internet ihr Dasein fristeten, sich sogar eine Scheinidentität für die reale Welt zulegen mussten. Das ändert sich nun hier in den USA. Geeksein ist sexy.
Heimlich versuchen sich nun die ehemaligen Superhelden der Schulzeit im „Geeksein“ zu üben und eignen sich Computerfähigkeiten an, kaufen sich eine Brille und meiden das Fitnessstudio. Aber solche Fakes sind schnell enttarnt. Sie können eben nicht, den Inhalt von allen Star Trek-Folgen rezitieren oder versagen gänzlich beim Beheben von Softwareproblemen, wenn mal wieder der eigene Computer den Geist aufgibt. Sie kennen auch nicht die neusten, coolen Websites mit den witzigsten und absurdesten Downloads.
Kürzlich hatten wir einen ehemaligen Schulfreund zu Besuch. Gerade einmal 32 Jahre alt, ist dieser schon Mehrfachimmobilienbesitzer, gönnt sich gerade ein Sabbatical - er hatte genug Geld gespart für ein paar Monate off-work - und reist durch das Land. Kaum in unserem Haus, zog ihn der Computer magisch an, und wir waren binnen weniger Minuten „up to date“ in Software-, Downloads- und Computerwissen. Ein Geek, wie er leibt und lebt. Sogar noch (wieder) Single. Vielleicht sollte ich eine meiner deutschen Single-Freundinnen auf ihn ansetzen, bevor auch dieses bereits seltene Geek-Exemplar vergeben ist?
2005-08-28 by Ines Kistenbrügger, Wirtschaftswetter
Text: ©Ines Kistenbrügger
Fotos Banner: © ap, Cornelia Schaible
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