Autorin Meike Dinklage
ISBN 3-453-28501-8
Eine Buch- und Themen-Annäherung von Angelika Petrich-Hornetz
Wenn man die Entwicklung der Geburtenrate in Deutschland beobachtet, gerät man durchaus in Alarmstimmung. Sie lässt nichts Gutes vermuten und der Generationenvertrag sieht derzeit ziemlich alt aus. Über mögliche Maßnahmen wird öffentlich ebenso lang wie heftig gestritten, und alle scheinen zunehmend nervöser zu werden, Alte und Junge. Schon drohe akute Gefahr für die Sozialsysteme, liest man in der Zeitung. Doch diesmal ist kein eindeutig Alleinverantwortlicher ausfindig zu machen. Niemand da, von dem man Konsequenzen fordern kann, und nach dessen Rücktritt würde dann bald alles viel besser werden. Allerdings wurde kürzlich in einer der meistgelesenen deutschen Tageszeitungen ein Artikel veröffentlicht, der unverfroren den "Virus des Feminismus" als einen Hauptverantwortlichen geißelte - berufstätige, kinderlose und damit "infantile" Frauen würden Heim und Herd meiden, wohin sie selbstverständlich gehörten.
Offenbar ein Mutterbild, das in Deutschland nicht auszumerzen ist, obwohl alles schon mal da gewesen und trotzdem es ein Zerrbild blieb, weil es weder etwas Sinnvolles zur Geschichte noch zum wirtschaftlichen Erfolg beigetragen hat. Doch wirtschaftlichen Erfolg und eine stabile Gesellschaft kann sich mit den paar vorhandenen Kindern auch keiner mehr so Recht vorstellen. Familienpolitik entwickelt sich heimlich in den vergreisenden Industriestaaten immer mehr zum harten Standortfaktor. Nur, selbst konservative Frauen, wie die Kanzlerkandidatin Angela Merkel, die sich vielleicht irgendwann einmal politisch mit dem fehlenden Nachwuchs im Land herumplagen muss, sitzt persönlich den bekannten Mütterheiligenbildern nicht mehr auf und bleibt ... kinderlos. Außerdem, wer nimmt in einem Land, in dessen finsterster Vergangenheit Mutterverdienstkreuze feierlich verliehen wurden, noch jemandem ab, er hätte Gutes mit kinderreichen Familien vor? Bisher wurden sie nicht gefragt, was sie sich wirklich wünschen.
Wer lockt also das Weib zum Kinde oder hält es davon ab? Unter anderem jeweils ein Mann, sagt die Autorin Meike Dinklage in ihrem Buch, das unter dem etwas reißerischen Titel "Der Zeugungsstreik im März 2005 erschienen ist. Zitat: "Zwei Drittel der Sechzehn- bis Fünfundzwanzigjährigen wünschen sich laut Shell-Studie eigene Kinder - 2,2 im Schnitt." Daraus werden in der Realität 1,35 Kinder pro Frau. Meike Dinklage fragte, was dazwischen passiert sein mag - zwischen Zwanzig und Menopause - zwischen Wunsch und Wirklichkeit? Sie befragte dazu kinderlose Paare, hauptsächlich Männer, manchmal beide, oder nur die Partnerin eines Mannes, der keine Kinder haben will. Im Mittelpunkt des Buches immer derjenige, der bisher eher selten genannt wurde in der Kinderlosigkeits-Debatte: der Mann, der nicht will, der nicht mag, der nicht weiß, der doch nicht will, der dankend ablehnt, der ängstlich ablehnt, der einfach noch nicht die richtige Partnerin hat oder die Partnerin sagt, er sei nicht der Richtige - Kombinationen, so vielfältig wie die Betroffenen.
Schnell wird deutlich, dass der Titel nicht ganz passt. Den Zeugungsstreik gibt es, doch nicht jeder Mann in Dinklages Buch lehnt ganz eindeutig oder aus freien Stücken ab. Unter anderen kommen auch potenzielle, möglicherweise sehr liebevolle Väter zu Wort, die gemeinsam mit ihrer Partnerin viel Zeit in Reproduktionskliniken und bei Fachärzten verbrachten, um sich eines Tages mit der Realiät konfrontiert zu sehen, dass sie höchstwahrscheinlich immer ein kinderloses Paar bleiben werden. Und dass die angeprangerte Kinderlosigkeit manchmal keine gewollte ist, sondern die traurige Geschichte von zwei Menschen, die vielleicht wunderbare Eltern abgegeben hätten, ist keine Seltenheit mehr, sondern eine Tatsache, die eine ernstzunehmende Rolle in einer ganzen Generation spielt. Ihre Trauer geht ans Herz. Man fühlt mit, welche Leere das bedeuten kann, man lernt zu verstehen, dass dieses Problem ein eher neues ist, eines, das ältere Generationen weniger kannten, und deshalb ist es auch erwähnenswert und macht das Buch vollständig - es lässt niemanden aus.
Was gibt es schöneres, als einen Vater, der sein Kind wirklich will, ein Wunschkind? Keine Selbstverständlichkeit. Die Partnerinnen dieser Männer sind es nicht, die eigentlich und biologisch betroffen sind und doch leiden sie genauso unter dem gemeinsamen, unerfüllten Kinderwunsch, für den er verantwortlich ist. Das macht die Situation für ihn nicht leichter. Eine Trennung kommt nicht in Frage. Der Wunsch nach einem Kind ist in dieser Generation kein Grund, eine große Liebe aufzugeben. Dinklage stellt das einfach nur fest, ohne Kommentar, es ist einfach so. Man richtet sich schließlich ein, auf ein kinderloses Leben, so wie die anderen kinderlosen Paare es eben auch - irgendwann - tun.
Nicht alle befragten Männer wirken wie diese: nette, partnerschaftliche Männer, die vielleicht auch gute Väter abgegeben hätten. Wenn manche Frauen erzählen, wie sie unter der Kinderfrage litten und leiden, wenn sie sagen, wie sie darüber allein brüten - weil er kategorisch ablehnt, und wie sie das Thema mit jedem Jahr aufs neue für sich abhaken und er nichts mehr davon hören will - fragt man sich manchmal, was diese Frauen eigentlich bei diesen Männern hält. Wenn sie doch von Anfang an wusste, dass er keine haben wollte, und sie hierin keinerlei Wünsche mehr anzumelden hätte, was will sie dann eigentlich noch? Der Vertrag war doch klar, unterschrieben, auf immer und ewig, Schluss, aus. Soviel Unflexiblität kann schon allein beim Lesen wehtun. Warum lassen manche Männer ihre Frauen mit dieser wichtigen Frage bis auf ein paar wenige, eher oberflächliche Gespräche allein? Sie windet sich in Grübeleien, zermartert sich regelrecht in den Argumenten dafür oder dagegen, von denen so manch ein Mann im Buch ganz unbelastet bleibt. Wo sind die Männer, die sich genauso intensiv über die Kinderfrage den Kopf zerbrechen? In diesem Buch gibt es nur wenige, doch am Ende sind es in der Summe doch noch ein paar.
Im Buch kommen Männer zu Wort, die sich die Kinderfrage nie stellten. Andere fürchten Einschränkungen durch ein Kind im Studium, im Beruf, in der ungestörten Freizeit mit einer berufstätigen und finanziell selbständigen Partnerin. Etwas ab- oder aufgeben zu müssen, was man sich in jahrelangem Studium und mühsamer Karriere geschaffen hat, für einen Mann ist das gleichermaßen schwer, wie für eine Frau - auf unsicheren Arbeitsmärkten umso mehr und erst recht als dauernd Berufstätige, die mit den üblichen Arbeitszeiten nicht auskommen, weil es ihre Branche längst nicht mehr hergibt, außer auf dem Papier.
Es sind Nüchterne und Pessimisten darunter, und Männer, die nicht dumm genug sind zu glauben, ausgerechnet ihre Kinder würden angesichts wachsender Probleme in dieser Welt tatsächlich glücklich werden. Manche sind selbst einer unglücklichen, schwierigen oder "nur" lieblosen Kindheit entronnen - froh sie hinter sich gebracht zu haben. Sie glauben nicht daran, jemals gute Väter zu werden. Sie brauchten Jahre und Jahrzehnte, um das eigene trostlose Elternhaus aufzuarbeiten. Und dann sind sie irgendwann - anderen Kindern - lieber gute Onkel, gute Lehrer, gute Freunde. Ein eigenes könnte alte Wunden wieder aufreißen. Bei manchen ist es - so kinderlos wie es ist - einfach gut. Warum sollte man dies auf Biegen und Brechen ändern? Die Frage stellt sich nicht. Jahrzehntelang hatten Mütter ihren Söhnen eingetrichtert, ein Kind würde ihre Zukunft zerstören, jetzt fordern dieselben Mütter plötzlich Enkel. Der mögliche Produzent von Kind und Enkel ergreift dankend die Flucht.
Die Partnerinnen der Männer, die keine Väter werden, grübeln weiter. Die meisten finden sich irgendwann ab - mit seiner Entscheidung. Häufig ist es nicht ihre. Es ist eine, die er gleich am Anfang fällte und dazwischen auch noch mal, immer wieder oder die nur unausgesprochen im Raum steht und sie, seine Partnerin, passt sich an, spätestens dann, wenn ihre Uhr aufgehört hat zu ticken. Die Partnerinnen dieser Männer wollen einen Vater für ihr Kind, wenn sie denn eines bekommen sollten. Sie wollen eindeutig nicht alleinerziehend werden. Es wissentlich "darauf ankommen lassen" kommt für sie definitiv nicht in Frage. Das Gegenteil davon wird Frauen außerhalb von Dinklages Buch immer mal wieder gern unterstellt. Auch an dieser Stelle dokumentiert die Autorin in ihrem Buch eine ganz andere Wirklichkeit, als die oft vermutete. Die Frauen suchen neben dem Vater für ihr Kind außerdem einen echten Partner. Sie muss und möchte weiter- oder wieder arbeiten. Sie wollen keine alleinige Verantwortung für ein Kind, sie möchten diese gern teilen. Sie fragen sich, ob er das leisten kann, ob er einen Teil seiner Freizeit und möglicherweise auch im Beruf für ein Kind aufgeben kann, ob er „zurückstecken“ kann? Manche stellen schlicht und ergreifend fest, alles andere, aber das können ihre Männer nicht. Sie könnten, so die traurige Erkenntnis, nur allein oder mit jemand anderem eines haben (der eins wollte), doch nicht mit ihm. Eine der befragten Frauen sagt: "Wir gehen direkt von der Jugend in das Vorrentner-Dasein." Sie sieht die Freundinnen mit Kindern, es schmerzt sie, sie findet sich ab, dass er nicht will oder dass es ihm gleichgültig ist - zu gleichgültig für das Modell "Familie mit Kind" - nur eines von vielen.
Und viele Frauen sind ähnlich unentschlossen. Auch sie sind mit der Vorgabe aufgewachsen, mit möglichst guten Abschlüssen, einen guten Job zu ergattern und das alles aufs Spiel setzen? Da fehlt eine zweite Pro-Stimme. Diese Stimme kommt von den Männern in Meike Dinklages Buch aber nicht. Sie verschieben also ein mögliches Kind wegen beidseitiger Unentschlossenheit - so lange bis diese Frage automatisch beantwortet ist, sie keins mehr bekommen können oder auch nicht mehr wollen. Den ganz unbequemen Weg - gegen die Willen des Partners - einzuschlagen, wer sollte so dreist sein, das zu verlangen, in einer Gesellschaft, die Alleinerziehende, obwohl deren Zahl ständig wächst, immer noch wie Exoten behandelt? Das Leben komplett auf den Kopf stellen, ins Blaue wagen, die Karriere vergessen - für Frauen in Deutschland ist es immer noch sehr schwierig Job und Kind unter einen Hut zu bringen, zumal dann, wenn sie alles allein machen müssen. Ohne die tatkräftige Mithilfe eines Partners geht das einfach nicht, dann sind sie im wahrsten Sinne des Wortes allein gelassen, und die Gefahr, mit Kind in Abhängigkeit oder gar in finanzielle Not, auch aus Akademikerkreisen heraus, zu geraten ist ganz real. Dann lieber keines, es sei denn er wollte eins, das will er nicht. Oder er sagt lapidar, wenn DU unbedingt willst. So unbedingt will sie dann auch wieder nicht, dass sie nachher womöglich ein Kind, einen Job, einen Haushalt und einen Mann allein organisieren darf. Sie bleibt also unentschlossen, er ablehnend oder unentschlossen, vielleicht später einmal, Ergebnis: Alles bleibt, wie es ist. Man sprach darüber, man haderte eine Zeit lang, der Alltag geht weiter, das wars.
Das Buch führt dem Leser vor, was wir eigentlich längst wissen müssten, nämlich dass immer zwei dazu gehören, selbst für nur ein Kind. Wenn dieser gemeinsame Wille fehlt, gibt es eben keins. Falls der Gedanke an ein Kind ab- und zu wieder bei ihr aufflammt, dann passt sie sich seiner Enscheidung an, wie sich Frauen in den vorangegangenen Generationen an den Wunsch von Männern nach eigenen Nachkommen angepasst hatten.
Dinklages Buch ist es auch zu verdanken, dass endlich einmal Zahlen über kinderlose Männer der breiteren Öffentlichkeit vermittelt werden. Eine DIW* Studie ergab, dass im Jahr 2002 etwa 57,5 Prozent aller Männer im Alter zwischen 30 und 34 Jahren kinderlos waren (Frauen: 37,8 Prozent). Bei den 35 bis 39-Jährigen waren noch 33,6 Prozent Männer und 17,4 Prozent Frauen kinderlos. Allein diese Zahlen verdeutlichen, dass Kinderlosigkeit auch einen starken männlichen Einfluss hat. Dennoch fand dieser in der Medienöffentlichkeit nicht statt, als brauche man nur einfach ein paar Millionen schwangere Frauen mehr - und die paar Millionen Mann dazu, was sie tun oder unterlassen, oder wie sie sich in der Kinderfrage entscheiden, sei zweitrangig, als seien sie hilflose, der Gebärmacht oder dem Gebärstreik der Frauen ausgelieferte Wesen. Dass dies keineswegs so ist, davon handelt Dinklages Buch, davon erzählen die Gesprächspartner selbst im Detail. Manche Männer sagen ihren Partnerinnen gleich zu Beginn der Beziehung "Bescheid", drohen bei "Zuwiderhandlung" mit Trennung, oder verlangten eine Abtreibung - der ganz persönliche Hintergrund von weiblichen und männlichen Geburtenquoten, das echte Leben, das die Fakten bestätigt. Und das ist keineswegs immer so brutal, sondern nicht selten dazu geeignet, sich manchmal auch vom Bild eines Egoisten zu verabschieden. Manche Männer wollen keine Kinder, gerade weil sie verantwortungsvoll handelnde Menschen sind und einfach das nicht tun, was sie nicht verantworten können.
Die Sicht auf die männliche Kinderlosigkeit fand bisher in Fachkreisen statt und findet bis heute wenig Beachtung in der Öffentlichkeit. Nicht nur diejenigen, die zur Hexenjagd auf kinderkose Frauen blasen, sollten das Buch unbedingt lesen, um zu begreifen, wie groß der männliche Einfluss ist. Manche Frauen in dem Buch sind mit der Frage Kind oder nicht schlicht alleingelassen, so scheint es, denn die Frage beschäftigt sie noch, wenn sie ihn nicht, noch nie, oder schon lange nicht mehr beschäftigt. Wächst die Zahl der alleinerziehenden Mütter denn tatsächlich so schnell, weil so viele Männer ganz wild auf ihre Kinder sind? Meike Dinklage fragt, hinterfragt, hört zu und berichtet, nennt Fakten, die man nicht überall liest, aber die man überall persönlich vorfindet - in der eigenen Familie, bei Freunden, Nachbarn - die ganze Republik ist davon durchdrungen. Auch für Eltern ist das Buch eine gute Lektüre, lesend an diesem anderen Leben ohne Kinder teilzunehmen, das einerseits freier, wirtschaftlich besser und ruhiger verlaufen kann, andererseits, in dem auch irgendwann die großen Emotionen, Überraschungen und Dramen fehlen, die jeder Mensch mitbringt, besonders das Kind, das aus einem Paar eine Familie macht.
Lösungen für den Einzelnen oder gar für eine vergreisende Gesellschaft bietet das Buch insofern nicht an, als dass das Ende offen bleibt. Es beschreibt lediglich die Realität, die zwar alle kennen, doch die bisher dennoch zu wenig beachtet wurde, weil man sie nicht als allgemein gültig erkannte. Das Ergebnis, dass Männer, die keine Kinder haben wollen, noch nicht haben wollen oder nicht wissen, was sie wollen, Frauen daran hindern, welche zu bekommen, bleibt solange neu und überraschend, wie dies nicht als wichtiger Bestandteil der "Kinderdebatte" verstanden wird. Ein Umdenken hat die Autorin mit ihrem Buch offenbar in Gang gesetzt - noch nie wurde in Deutschland soviel über männliche Kinderlosigkeit öffentlich nachgedacht, wie seit dem Erscheinen von "Der Zeugungsstreik". Wer sich an der Dikussion um Kinderlosigkeit in Deutschland beteiligen oder sie auch nur verstehen will, sollte es lesen, auch dann, wenn ein echtes Interesse daran besteht, Geburtenzahlen abseits von den üblichen verdächtigen Vorschlägen wie zurück zum Herd oder dem katholischen Pillenverbot zu finden. Die Gründe der männlichen Kinderlosigkeit, zumindest in diesen Interviews, sind so vielfältig, wie diese Männer, bis auf eins: Auffallend häufig taucht eine ganz konkrete Sorge darüber auf, die finanzielle Last einer kompletten Familie ganz allein übernehmen zu müssen - zumindest zeitweise.
Selbst wenn die Frauen an den Herd zurückkehren wollten – wogegen noch sehr viel mehr spricht, als nur ihre persönlichen Wünsche - sollte man bedenken, dass dazu inzwischen die entsprechenden Männer fehlen, die Frau und Kind allein finanzieren können und wollen. Das Buch schärft den Blick für die Realität hinter den Zahlen und hebt sich vom Alleinverdiener-Arbeitsmarktmythos zügig ab. Als ob der noch weit verbreitet wäre, als hätte der sich bewährt. Meike Dinklage bleibt lieber bei den Fakten, sie beschönigt nichts. Lebensläufe mit langem Studium, Arbeitslosigkeiten, Auslandsaufenthalten, zwei leidlichen Gehältern, steigender privater Altervorsorge, und pflegebedürftigen Eltern - die Sandwich-Generation lässt grüßen.
Man kann die Unsicherheit von Männern durchaus nachvollziehen, die auf globalen Arbeitsmärkten ganz andere Bedingungen vorfinden, als ihre Alleinverdiener-Väter, die zwanzig, dreißig, vierzig Jahre im einem einzigen Betrieb arbeiteten und damit zuverlässig für das Familieneinkommen sorgen konnten. Globale Märkte sind auch globale Arbeitsplätze, Nich selten ist damit ein Wanderarbeiterleben verbunden. Die neuen Arbeitsmärkte bedeuten auch: Ersetzbarkeit, Sozialabbau, viel Bewegung aber auch sehr viel Unsicherheit, dagegen wenig Kontinuität und noch weniger Sicherheit. Und auf verbesserte Umstände für berufstätige Eltern mag keiner vertrauen. Dazu tragen sicher auch diejenigen bei, die wieder in Heimchen am Herd und Held am Arbeitsplatz einteilen wollen, und verlockend mit der kostenlosen, mütterlichen Kinderpflege wedeln. Doch diese Arbeitsteilung ist unzeitgemäß und zu unflexibel für globale Märkte, in denen immer brutalere Arbeitsbedingungen entstehen. Das Modell ist passé und dennoch allgegenwärtig, weil vielerorts noch nichts anderes machbar ist. In einer neuen, humanen Arbeitswelt, in der Kinder erwünscht sind und nicht stören, in der Beruf und Familie für beide Elternteile tatsächlich durchführbar sind, sind wir längst noch nicht angekommen - lediglich hier und da.
Unter diesen Umständen wird so mancher Verzicht auf Kinder verständlicher. Man verlangt von werdenden Vätern immer noch oder schon wieder, offensichtlich oder unterschwellig, sie sollen die Familie ernähren. Andererseits wird in dem Buch sehr deutlich, dass die meisten männlichen Gesprächspartner der Autorin weniger Probleme mit ihrem Einkommen haben, als eines in ihrer Einstellung, die eher eine Fluchtbewegung vor einer Entscheidung, vor Bindung, vor einem geregelteren Leben, vor einem ungeregelteren Leben oder auch langfristigerer Planung offenbart. Mit soviel Unsicherheit mag seine Partnerin dann auch nicht mehr. Ohne Kind bleibt sie unabhängiger von einem Mann, der umkippen kann. Was wird er tun, wenn irgend etwas Unangenehmes wie zum Beispiel ein stundenlang schreiendes Kind in seinem bisher überschaubaren-beschaulichen Leben auftaucht? Ohne Kind wird sie im Notfall immer gehen können, mit bleibt sie zumindest durch das Kind jahre- und jahrzehntelang an ihn gebunden, an einen Mann, der sie vielleicht im Stich lässt oder gar zu einer zusätzlichen und untragbaren Belastung mutiert? Leidvolle Beispiele dafür gibt es millionenfach. Manche, auch in Dinklages Buch kommt das vor, die dann doch noch Vater werden, finden irgendwie in diese neue, alte Rolle der Vaterschaft hinein und in das "Abenteuer Kind". Ein deutlicheres "Ja" zum Kind gibt es auch von ihnen nicht. Ein authentisches und spannendes Buch, das einen sehr wichtigen Beitrag zur Diskussion um Kinderlosigkeit leistet.
2005-07-01 by Angelika Petrich-Hornetz, Wirtschaftswetter
Text: ©Angelika Petrich-Hornetz
Fotos: ©ap
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